12. Mai 2024

Hegt wird gesangen!: „Det Motterhärz“

Liebe Leserinnen und Leser, ab der heutigen vierten Folge der Rubrik „Hegt wird gesangen“ drucken wir, wann immer möglich, neben dem Mundarttext auch eine Übertragung ins Hochdeutsche ab, um Ihnen das Verständnis der Liedtexte zu erleichtern und Sie gleichzeitig dazu anzuregen, den sächsischen Text wiederholt laut zu lesen oder zu singen. Auf diese Weise können Sie die siebenbürgisch-sächsische Mundart trainieren und gleichzeitig zum Erhalt unseres Liedguts beitragen. Mir persönlich haben die Lieder auch dabei geholfen, mein Sächsisch zu verbessern.
In Siebenbürgen feierten die Gemeinden seit der Zwischenkriegszeit jeweils am zweiten Sonntag im Mai Muttertagsgottesdienste. Kinder trugen Lieder und Gedichte zu Ehren der Mütter vor. In Schäßburg segnete der Pfarrer die Kinder, die im letzten Jahr getauft wurden, mit ihren Müttern. Nach dem Gottesdienst erhielten die Mütter in den meisten Ortschaften Blumensträußchen. Die Tradition des Muttertagsgottesdienstes wird auch hier in Deutschland in einigen Kreisgruppen fortgeführt, z.B.: Böblingen, Ulm, Nürnberg-Fürth, Ingolstadt, Augsburg … Traditionell ist dann auch das Lied „Motterhärz ta Äddelstien“ („Det Motterhärz“) von Georg Meyndt ein fester Bestandteil der Muttertagsfeierlichkeiten.

Hören Sie das Lied „Det Motterhärz“ von Georg Meyndt mit dem Burgberger Chor unter siebenbuerger.de/go/878U und der Siebenbürgischen Kantorei unter siebenbuerger.de/go/879U.

Ich danke Prof. Heinz Acker, dass er uns heute dieses Lied und seinen Schöpfer näher bringt, umso mehr, weil er einen familiären Bezug dazu hat.

Angelika Meltzer

„Krone aller Lieder“

Das Lied „Det Motterhärz“ (Das Mutterherz) gehört zum Liederschatz, den uns Georg Meyndt hinterlassen hat. Für viele ist es innigster Ausdruck von Mutterverehrung und Mutterliebe, und wird somit gerne insbesondere am Muttertag gesungen. Das Lied hat eine eigene Geschichte. Begeben wir uns ins siebenbürgische Reichesdorf (Richiş, 6 km von Birthälm entfernt), Ende des 19. Jahrhunderts.

Georg Meyndt 1852-1903 ...
Georg Meyndt 1852-1903
Georg Meyndt (*1852 Birthälm, †1903 Reichesdorf) ist seit 1892 Notär in Reichesdorf. Es ist nicht sein Traumberuf, denn der Mann, der mit „zwei linken Händen für das Geschäfteln versehen war“ – so die Erinnerungen seiner Urenkelin Johanna Leonhardt – hat zwar viel für das Gemeinwesen seines Dorfes getan, aber Meyndt versteht sich eher als Dichter und Liedersänger. Mit wachen Augen beobachtet er das Dorfleben mitfühlend und kritisch. Das Erlebte formt sich ihm in einem spontanen Schöpfungsakt von Text und Melodie zu Liedern, die er abends im Familienkreis vorträgt, wenn er die Gitarre von der Wand hebt und mit seinem wohltönenden Bariton das neue Lied anstimmt.

Ein tragisches Ereignis war Anlass zur Entstehung des Liedes „Det Motterhärz“. Sarah (geb. Untch), Meyndts Ehefrau und Mutter von sieben Kindern, war erkrankt. Man befürchtete das Schlimmste. Da versammelte der besorgte Vater die Kinder um das Bett der Mutter und sie sangen gemeinsam das eben entstandene Lied … „und sie wurde wieder gesund“, berichtet beglückt die älteste Tochter Regina Stolz (geb. Meyndt).

Meyndts Lieder wären für immer im engen Familienkreis verklungen, denn der Notär war notenunkundig. Zum Glück gab es da einen jungen Lehrer in Reichesdorf, Carl Reich, der die Genialität dieser Lieder erkannte, sie aufzeichnete und 1914 unter dem Titel „Kut mer sängen īnt, vun den Līdern des Georg Meyndt“ bei W. Krafft in Hermannstadt herausgab und so zu ihrer Verbreitung beitrug.

Erstaufzeichnung des Liedes „Det Motterhärz“ von ...
Erstaufzeichnung des Liedes „Det Motterhärz“ von Georg Meyndt durch Carl Reich
Vor mir liegt die erste Niederschrift des Liedes „Det Motterhärz“ in der Handschrift von Carl Reich, meines Urgroßvaters, wohl so wie es ihm Georg Meyndt vorgesungen hat, also auch im Reichesdorfer Dialekt. Bei der Druckherausgabe übertrug Reich allerdings den Großteil der Texte in den Hermannstädter Dialekt, wohl im Hinblick auf eine größere Verbreitung. Carl Reich hat unter seine Niederschrift eine Fußnote gesetzt: „Krone aller Lieder“, die seine besondere Wertschätzung dieses Liedes verrät.

Was bewegt uns an diesem Lied so sehr? Es ist zunächst der von Herzen kommende Dank für all das, was ein liebendes Mutterherz an Fürsorge bedeutet. Und es ist die wiegend schlichte Melodie, die sich wie ein Schmuckband um den Text windet. Carl Reich setzte dem Freund und Gönner, der ihn zu eigenem Liedschaffen inspirierte, mit der Herausgabe der Lieder ein Denkmal. Im Nachruf heißt es: „Georg Meyndt ist nicht tot, er lebt fort in seinen Liedern“.

Da kann man nur hoffen, dass seine Lieder auch von uns heute noch oft gesungen werden. Dazu mögen die deutsche Textübertragung und die beigefügten Noten mit Akkordsymbolen ein Ansporn sein.

Prof. Heinz Acker

Für Chorleiter interessant: „Georg Meyndt Lieder“, bearbeitet für Singstimme mit Klavierbegleitung sowie für gemischten Chor von Heinz Acker, Johannis Reeg Verlag, Heilbronn 2008, antiquarisch noch erhältlich.

Schlagwörter: Hegt wird gesangen, Lieder, Mundart

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