7. April 2024

Otto Piringer: De nå Sändung

Vor 150 Jahren, am 20. Februar 1874, wurde Otto Piringer in Broos geboren. „Zu den bekanntesten Vertretern der mundartlichen Kunstdichtung unter den Siebenbürger Sachsen in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen gehörte auch Otto Piringer.“ So urteilte Bernhard Capesius im Nachwort zu: „Otto Piringer, Der Merenziker. Gedichte, Lieder und Schilderungen aus dem siebenbürgisch-sächsischen Volksleben“, aus dessen 2. Auflage, Kriterion Verlag Bukarest 1975, der Wortlaut des Gedichtes „De nå Sändung“, hier leicht gekürzt, übernommen wurde.
Otto Piringer

De nå Sändung

Härr Johann Schuller, Prädijerlihrer,
äs e begiestert Radiohierer.
Wonn allent schleeft ä sesser Rah,
hiert hi nooch afmärksem do za.
Wä hi de klinzij Schrouw do ställt,
äs hi verbangde mät der Wält.
Berlin uch Moskau kån hi hiren
und wä se ä Paris parlieren,
hi kån dielniën u munchem Fäst
ous Florenz, Wän uch Bukarest.
O Mängsch, meer wilt te net, te messt
et son – de Technik äs det Gresst! –

Hekt mess Härr Schuller wedder iest
bestaunen den Erfändungsgiest,
dänn, wä em hiert äm Mikrofon,
widd uch Gerach na iwwerdron
und ous dem Lautsprecher ä Wällen
de allerbiëst Geräch na quällen.
Gåånz wä te wällt, recht et no Risen,
no Lierber odder Tubirisen,
Levkoien, no Zitronebläh,
gåånz no Geschmack, dem Mån, der Frä.
„Hekt Owend zwäschen neng uch zähn
Geräch schin durch den Äther zähn.
Dåt terf‘ mer jo norr net versemmen,
dån känne mer es ängde remmen:
Mer hun zemirscht et uch geroochen,
wä der Gerach durcht Radio wor gekroochen.“
Et äs äm neng. „Achtung, Berlin!
Gleich werden die Düfte von dannen ziehn!
Stellen Sie sich, wie Sie wünschen, ein,
je höher die Wellenzahl wird sein,
um so feiner der Geruch!
Doch nun genug!
Achtung! Achtung! Gut Wind!
Die Sendung beginnt!“

Härr Schuller sätzt um Apparat
und hält de Nues zem Reche parat,
uch det Rejin kitt noh erun,
bååld mess der Risegerach ukunn.
Se zähn de Laft deff durch de Nues,
na giht et sächerlich glech lues.

Härr Schuller dreht vierwärts, hie dreht uch zeräck,
hie wiëßelt de Wälle jeden Uģebläck,
bååld lonke, bååld kurzen – hie zurpt durch de Nues:
„Rechst te näst, Rejin? Et kitt mer vir, na geng et lues!”
Det Rejini, seng Frä, awwer edemt deff af
und gåw ärrem Mån dess Ååntwert draf:
”Dreh uew, läwer Schatz, et wor na genach,
ich reche schie longhär en scharfe Gerach;
die kitt awwer nett vu Berlin, nett vu Risen,
nett vu Levkoien nooch Tubirisen,
do huet uch de Technik näst ännenzeriëden:
Ta huest än en Käbesch* getriëden!”

Der Härr Schuller äs trourij, hie let de Nues hen,
et recht nett no Risen – et recht no Kakteen.
„Ech verstohn net“, sot hie und äs gåånz bekridd,
„Et staand äm Programm!“ Zer Håånd hi et nit,
he list und hi list – af giht em e Lächt,
zem Rejini, dem Schatz, hi all lachan dro sprächt:
„Ein jeder riecht den Duft, den er will!
Die Sendung erfolgt: am ersten April!“

*Käbesch = (volkstümlich) „Kuhfladen“, Ausscheidung von Rindern

Ursprünglich enthielt das Gedicht zwei Pointen: Zum einen war das der Widerspruch zwischen erwartetem Blumenduft und der Geruchsausstrahlung einer verunreinigten Schuhsohle, zum andern die Lächerlichkeit einer maßlosen Technikerwartung, die dem Aprilscherz eines Berliner Radiosenders aufgesessen war. Im letzteren Fall bestand die Komik darin, dass etwas offensichtlich Unmögliches, nämlich Geruchsübertragung, für möglich gehalten wurde. Der heutige Leser kann diesen Sachverhalt nicht mehr unmittelbar als komisch empfinden. Im Jahr 1959 lief in New York der erste richtige Duftfilm und Professoren der Universität Hongkong lieferten kürzlich Vorschläge zur Verbesserung des Geruchsfernsehens. Die Phantasie wurde von der Realität überboten. Zugleich können wir hier ein Beispiel dafür finden, wie Humor zeitgeschichtlich eingebunden ist. Totales Geruchsfernsehen hat sich übrigens bisher noch nicht durchsetzen können. Bedenkt man, dass dabei nach manchem Krimi oder Katastrophenfilm die Wohnung durchgelüftet werden müsste, dann kann man das auch irgendwie verstehen, meint

Ihr/Euer Bernddieter Schobel

Schlagwörter: Saksesch Wält, Gedicht, Mundart

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