7. Januar 2013

Kirchturm der Stadtpfarrkirche in Bistritz wieder geweiht

Bistritz, am 11. Juni 2008: Der brennende Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche schien das Fanal zu sein, das das Aus der sächsischen Gemeinde der Stadt verkündet. Keine fünf Jahre später bietet sich ein weit weniger pessimistisches Bild. Nach einer in Siebenbürgen beispiellosen Solidaritätswelle konnte der Turm in nur viereinhalb Jahren restauriert werden. Am 8. Dezember lud die Kirchengemeinde Mitglieder und Unterstützer zur feierlichen Wiederweihe des Bistritzer Wahrzeichens.
Stadtpfarrer Johann Dieter Krauss und das Presbyterium begrüßten zu diesem Anlass zahlreiche Vertreter der Lokalpolitik, lokaler Institutionen und der historischen Konfessionen. Aus Hermannstadt war der Hauptanwalt der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Friedrich Gunesch, angereist und aus Schäßburg Dechant Johannes Halmen, zu dessen Kirchenbezirk Bistritz gehört. Ebenso wenig ließ es sich Dr. Hans Georg Franchy nehmen, an diesem Festakt teilzunehmen. Als Vorsitzender der Heimatortsgemeinschaft Bistritz-Nösen engagierte er sich intensiv bei der Einwerbung von Spenden der im Ausland lebenden Bistritzer.
Nach mehr als einem halben Jahrzehnt sind die ...
Nach mehr als einem halben Jahrzehnt sind die Baugerüste vom Turm verschwunden. Foto: Holger Wermke
Immer wieder wurden am Tag der Weihe die Worte Wunder und Solidarität bemüht. Von Wundern sprachen Stadtpfarrer Johann Dieter Krauss und Dechant Johannes Halmen im Gottesdienst vor 120 Gästen. Beide betonten den unerwartet schnellen Wiederaufbau des Turmes. Es gab viele Hindernisse zu überwinden und man habe Fehler gemacht, erklärte Krauss und fügte hinzu: „Wir haben unzählige Dinge geschafft, die jenseits unserer Erwartungen liegen“. Im Anschluss folgte die eigentliche Weihezeremonie vor dem 76 Meter hohen Turm. Unter dem Geläut der neugegossenen Glocken erklärte Krauss feierlich, dass Bistritz das abgebrannte Herz wieder geschenkt werde.

Für Krauss und die auf 280 Seelen geschrumpfte Gemeinde allein wäre der Wiederaufbau unmöglich gewesen. Dass dieses „Wunder“ geschah, lag vor allem am Schulterschluss aller Verantwortungsträger der Stadt. Unabhängig von Nationalität, Parteizugehörigkeit oder Konfession arbeiteten die Bistritzer in den vergangenen Jahren gemeinsam am Wiederaufbau des Turmes. Die Weihe des „sächsischen“ Turmes bedeute, dass die heutige Generation in Bistritz ein würdiger Nachfolger der Sachsen ist, sagte Bürgermeister Ovidiu Crețu. Die Achtlosigkeit und Nachlässigkeit vergangener Tage gegenüber dem sächsischen Kulturerbe sei einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl gewichen. Deutlich wurde dieses Gefühl, wenn die Stadträte über Geldzuweisungen für die Restaurierungsarbeiten abstimmten: Alle Zuweisungen wurden einstimmig genehmigt. Die Stadt trug zwei Drittel der bisherigen Kosten in Höhe von rund 2,9 Millionen Euro. Einen sechsstelligen Betrag steuerte die Kirchengemeinde aus dem Verkauf von Immobilien bzw. Aktien aus der Rückerstattung bei. Weitere essentielle Beiträge kamen vom deutschen Innenministerium, dem Bundesland Oberösterreich, der Partnerstadt Herzogenrath sowie der HOG Bistritz-Nösen. Von diesem Geld wurden der Wiederaufbau des Turmes, der Guss neuer Glocken, die Anschaffung einer funkgesteuerten Uhr sowie der Einbau eines Fahrstuhls – übrigens eine Novität in ganz Siebenbürgen – finanziert sowie außerdem die Sanierung des Kirchendaches und von Teilen der Fassade. Seit Juni ist der Aufzug in Betrieb und fährt immer samstags und sonntags zwischen 10 und 16 Uhr Besucher auf die neu aufgebaute Renaissancegalerie. Für den Unterhalt kommt die Stadt auf. Rund 500 Besucher nutzen im Durchschnitt pro Tag das Angebot. Auch HOG-Vorsitzender Franchy nutzte an jenem Tag die Möglichkeit, den Blick von der wiederaufgebauten Renaissancegalerie über seine Heimatstadt schweifen zu lassen. Franchy dankte dem Bürgermeister sowie den Stadträten „aus ganzem Herzen“ für die Solidarität bei der Bewahrung des Kulturerbes „unserer geliebten Heimatstadt“.

Laut Hauptanwalt Friedrich Gunesch handelte es sich bei der Turmrestaurierung um die aufwändigste Arbeit im Rahmen der evangelischen Kirche der jüngeren Zeit. Derzeit werden weitere Restaurierungen im Kirchenschiff vorbereitet. Hier wurden vor einiger Zeit mittelalterliche Fresken freigelegt, die eine zusätzlich Attraktion darstellen können, glaubt Pfarrer Krauss. Er hofft, dass die Arbeiten bis August 2013 abgeschlossen sein werden. Am 24. August soll das 450. Jubiläum seit der letzten Kirchweihe gefeiert werden – ein Zeichen, dass die evangelische Gemeinde in Bistritz noch lebt.

Holger Wermke

Schlagwörter: Bistritz, Stadtpfarrkirche Bistritz

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