22. Juni 2012

Sehenswerte Doppelausstellung in Dinkelsbühl

Beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl wurde im zweiten Stock des Ev. Gemeindehauses St. Paul eine gut besuchte Doppelausstellung von Prof. Armin Mühsam (12 Werke) und von Dieter Schmidt (21 Arbeiten) gezeigt, in die Hans-Werner Schuster am 26. Mai einführte. Die Kulturveranstaltungen des Heimattages wurden aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Frauen gefördert. Der Vortrag des Bundeskulturreferenten des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Ich grüße Sie meine Damen und Herren, Freunde der Kunst, Sie alle heiße ich willkommen in der Ausstellung „Kunstwelt“ mit Arbeiten von Armin Mühsam und Dieter Schmidt. Dieter Schmidt kann ich persönlich begrüßen, Armin Mühsam nicht, weil er, in Amerika lebend, dort Verpflichtungen hat – stellvertretend begrüße ich seine Eltern. Auch eine weitere Künstlerin, Marion Wilkening, kann ich nicht begrüßen. Die Fotografin ist in der Ausstellung mit zwei Fotocollagen vertreten, in denen sie eigene Aktfotos mit Dieter Schmidts lichtbearbeiteten Edelstahlobjekten collagiert. Darüber hinaus ist ein Großteil der ausgestellten Arbeiten von Dieter Schmidt der Zusammenarbeit und gemeinsamen Projekten mit Marion Wilkening zu verdanken.

Teamgeist also, Zusammenarbeit. Ja, die Figur des ausgeprägten Künstlerindividuums, um nicht zu sagen Genies, verblasst langsam. Man kann immer mehr Teams finden, so wie unsere siebenbürgisch-sächsischen Zwillinge Gert und Uwe Tobias. Armin Mühsam und Dieter Schmidt sind allerdings kein Team. Sie präsentieren sich hier nur zufällig gemeinsam, bzw. weil der Landesverband Bayern, der diesen Heimattag mitgestaltet, sie vorgeschlagen hat, und sie einverstanden waren, gemeinsam auszustellen.

Da zumindest die gestandenen Heimattags-Aficionados unter Ihnen Armin Mühsam 2002 schon kennengelernt haben – damals wurde er als erster bildender Künstler mit dem Ernst-Habermann-Preis ausgezeichnet – wende ich mich erst Dieter Schmidt zu. Dieter Schmidt kommt am 26. April 1960 in Agnetheln zur Welt, als Sohn eines – wenn das kein Omen ist! – Malermeisters. Und tatsächlich, das überempfindliche und empfindsame Kind findet zur Kunst, die ihm über längere Krankheitsperioden hinweghilft. Der gelernte Werkzeugmacher – seit 1988 Prozessoptimierer bei BMW – ist bis auf die kurze Zeitspanne 1982-1983, in der er Kurse am Kunstgymnasium in Hermannstadt besucht, Autodidakt. Vom Aquarell und der Zeichnung kommend, entwickelt er seit 2006 über Gestaltungsexperimente mit dem Schweißgerät eine eigene künstlerische Technik, indem er Edelstahlobjekte mit dem Plasmaschneider bearbeitet. Dabei wird durch einen heißen elektrischen Lichtbogen in Kombination mit 6 bar Luftdruck das Material erhitzt, durch den Luftdruck weggeblasen und somit geschnitten.

Seit 1994, zehn Jahre nach der Ausreise, ist Dieter Schmidt Mitglied der „Kunstfreunde Hohenwart“, deren Ausstellungen er alljährlich beschickt. 2008 zeigte er dort seine erste Ausstellung mit plasmabearbeiteten Edelstahlobjekten. Diese führt zu der erwähnten Kooperation mit der Düsseldorfer Fotografin Marion Wilkening, mit der er 2009 die Parallelausstellung „Akt und Metall“ erarbeitet und das Projekt „Nichts als die „nAKTE Wahrheit“ entwickelt mit Ausstellungen im „Alten Gefängnis“ Freising (2010) sowie im mittelalterlichen Kriminalmuseum in Rothenburg (2011). Nach ersten Deko-Objekten hat er sich insbesondere dem Menschen in seiner weiblichen Spielart zugewandt, hat aber inzwischen auch die ihn umgebende Natur und Landschaft im Blick – siehe „Dark Road“ oder „Bonsai“.
Dieter Schmidt neben seiner Arbeit „Folterstuhl“, ...
Dieter Schmidt neben seiner Arbeit „Folterstuhl“, 2011, plasmabearbeitetes Edelstahlobjekt auf zersägtem Stuhl, 125 x 70 cm. Foto: Christian Schoger
Gleißend-glänzender Edelstahl vor einem Hintergrund, der jede Lichtreflexion absorbiert: Schwarzweißmalerei? Naheliegend, wenn man an die Serie „nAkte Wahrheit“ denkt, mit der die vor mehreren hundert Jahren begangenen Grausamkeiten der Hexenprozesse aus dem Dunkel der Kerker ans Tageslicht gehoben werden.

Ganz weit weg scheint aber Schwarzweißmalerei zu sein, wenn man die rot-braun-grau changierenden Zwischentöne betrachtet, die sich allein aus der Nähe bzw. Dauer ergeben, die der Edelstahl dem heißen elektrischen Lichtbogen ausgesetzt ist. Er hinterlässt Spuren, offensichtliche wie kaum wahrnehmbare. Sie sind Resultat einer pingeligen Planung und Vorbereitung – darin z.B. einem Bronzeguss vergleichbar. Ich habe mir erzählen lassen, wie eine Idee Gestalt annimmt, wie Dieter Schmidt den passenden Edelstahl wählt, ihn vorbehandelt, zum Teil unterlegt, um die gewünschten Hebungen und Senkungen des erhitzten Metalls zu erhalten. Sie sind aber auch Resultat einer fiebrig-heißen Schaffensphase, die man so nur von der Skizze oder dem Aquarell kennt. Rufen Sie sich die flink über das Papier huschende Hand eines Zeichners wie Friedrich von Bömches in Erinnerung. So ähnlich verfährt Dieter Schmidt. Er schmeißt den Plasmaschneider an – und 10-15 Minuten danach sind solche Werke, wie Sie sie hier sehen, fertig. Und je nachdem, wie schnell er über eine Fläche fährt, wie nah er den Lichtstrahl ans Metall hält, erzielt er die gewünschten Effekte – Farbeffekte ebenso wie jene des Striches, von kräftig derb bis hin zu feinster Schraffur und Lasureffekten. Und wie ein guter Zeichner arbeitet er virtuos mit der Leere – nur dass das, was beim Zeichner als weiße Flächen leer bleibt, bei Dieter Schmidts Technik als „Schwarze Löcher“ zu bezeichnen ist. Gerade in diesem Prozess der Reduktion auf das Notwendige hat er von den Anfängen 2007 bis heute eine erstaunliche Fertigkeit entwickelt. Betrachten Sie in Ruhe solche Arbeiten wie „Verschleiert“, oder noch besser: „Gesenkten Blickes“, dieses Gesicht, das eigentlich nur in Ihrem Kopf, in Ihrem inneren Auge entsteht, und gleichzeitig diese Schulter- und Schlüsselbeinpartie.

Bei so viel Lob sei eine kritische Anmerkung erlaubt. Ein Zeichner, dem die Skizze missglückt, zerknüllt das Papier, wirft es weg. Das geht mit Edelstahl leider nicht so leicht.

Und vielleicht noch eine Anregung. Warum nicht wieder zurück zu den Deko-Objekten der Anfänge, oder noch besser zu abstrakten Gebilden? Und warum nicht von den reliefartigen zu vollplastischen Objekten?

Metall, Stahl, Edelstahl: Sie sind das Sinnbild von Technik, das Gegenteil von Natur. Als lichtbearbeitete Objekte fügen sie sich zu der Kunstwelt des Dieter Schmidt.

Daneben finden wir die Kunstwelt von Armin Mühsam, korrekter, von Prof. Armin Mühsam – der zweite Professor nach Peter Jacobi, den wir in Dinkelsbühl ausstellen. Eine gemalte Kunstwelt, und diese Kunstwelt ist … Natur. Aber was für eine! Nature morte – tote Natur, ist man versucht zu sagen, auch wenn man weiß, dass das Stillleben heißt. Stillleben. Aber welches Leben? Wo ist hier Leben? Menschliches auf jeden Fall keines. Dafür aber Stil, ein ganz eigener Stil, weshalb Mühsam auch nicht der Aufmerksamkeit der Kritik entgangen ist. Ingrid Zimmermann von der Süddeutschen Zeitung ist von Müh­sams großen Formaten angetan, in denen Farbe, Lichtführung und eine konsequent durchgehaltene Plastizität die Hauptrolle spielen. Sie „scheinen auf den ersten Blick handfest, materiebezogen und der sichtbaren Wirklichkeit geweiht.“ Auf ein solches Großformat haben wir wegen der Stellwandgröße verzichten müssen, und da Mühsams Galerist für Europa – er sitzt in München – scheinbar fleißig verkauft, gab es nur noch diese Auswahl, die wir hier zeigen können.

Die Landschaften, die Mühsam malt, kann man nirgendwo in Natura betrachten, sondern nur hier, auf den Bildern Mühsams. Sie sind bei aller naturalistisch-realistischen Malweise von einer irritierenden Künstlichkeit. Auch wenn man mitunter ein Déjà-vu-Erlebnis hat: Diese weiten, lichtdurchfluteten Landschaften, durch leuchtende, fein nuancierte und ebenso fein aufgetragene Farbe gestaltet, sind der schöpferischen Fantasie des Künstlers entsprungen. Die Weite der Landschaft – auch dann, wenn man sie nur im allerkleinsten Ausschnitt sieht – und die dominierenden, unübersehbaren Zeugnisse moderner Tech­nik verleihen den Bildern Monumentalität und eine schier „übermenschliche“ Dimension. Nur sind diese Landschaften nicht einem irgendwie gearteten Größenwahn entsprungen. Dafür sind die aus dem Nichts kommenden und ins Nichts führenden Strom- und Verkehrsleitungen und weitere Zeugnisse des menschlichen Eingriffs zu unzulänglich, und damit wird deren Sinn, Zweck und Nutzen ad Absurdum geführt. Mühsams schöpferischer Impetus ist also gerade der Respekt vor Gottes Schöpfung. Diese Welt ist nicht jene vor dem ­Sündenfall, sondern die vom Menschen und der Menschheit insgesamt veränderte und umgestaltete Welt.
Armin Mühsam: „The Fantasy of Modernity“, 2011, ...
Armin Mühsam: „The Fantasy of Modernity“, 2011, Öl auf Leinwand, 36 x 51 cm. Mühsams Galerist Horst Ambacher von der Galerie Lichtpunkt – Lothstraße 78a in München, Telefon: (089) 325572, E-Mail: info@ambacher-contemporary.de, Webseite: www.ambacher-contemporary.de – bietet allen Siebenbürger Sachsen beim Kauf einer Arbeit von Mühsam sechs Monate lang ab Pfingsten 20 Prozent Heimattags-Rabatt. Zusätzlich erhält der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland eine Spende von 5 Prozent des Verkaufspreises.
Menschliche Eingriffe in die Natur sind als Bildsujet nicht neu. Man findet sie bei den Futuristen und auch im sozialistischen Realismus. ­Allerdings geht Mühsam der dort greifbare, bewegende und bewegte Optimismus und der immanente Zukunfts- und Fortschrittsglaube ab. Vielmehr macht er aufmerksam auf die Wunden, die wir der Natur zufügen. Er bezieht kritisch Stellung gegenüber dem Machbarkeitswahn und der Technikgläubigkeit der heutigen Welt, setzt ein Memento gegen Entfremdung und Entheimatung gerade angesichts der Art, wie sich der Mensch selbstherrlich der Welt bemächtigt, ein Prozess, in dem nicht nur der Natur, sondern auch der Humanitas kein Raum mehr bleibt – auch nicht in so einem Raum, den er als „Romance of a Place“ betitelt.

Vor zehn Jahren schloss ich die Laudatio auf Armin Mühsam zur Verleihung des Ernst-Habermann-Preises einerseits mit der Hoffnung, dass der Preis ein Beitrag auf Mühsams Weg zu künstlerischem Ruhm sein möge, und andererseits mit der Gewissheit, dass er diesen Weg erfolgreich gehen werde. Wer sich die kurze Vita auf dem Faltblatt durchliest, wird diese Erwartungen inzwischen bestätigt finden.

Am 29. Dezember 1968 in Klausenburg geboren, übersiedelt Armin Mühsam 1977 nach Deutschland. An der Fachhochschule München studiert er 1990-1994 Kommunikations-Design – einer seiner Lehrer war der Kronstädter Grafiker Kaspar Lukas Teutsch. Danach geht er in die USA und studiert ab 1994 Druckgrafik und Malerei an der Montana State University in Bozeman. Obwohl er erst mit dem Abschluss 1997 seinen Master of Fine Arts erwirbt, ist er an seiner Uni schon seit 1995 auch Assistent und verantwortlich für den Zeichen- und Malunterricht für Studienbeginner. 1997-2000 lebt und wirkt er wieder in München als Verantwortlicher Redakteur für bildende Kunst des Kulturmagazins „Applaus“ und als Dozent für Zeichnen und Malen. 2000 ereilt ihn dann der Ruf als Assistant Professor an die Northwest Missouri State University in Maryville, wo er seither Malerei und Zeichnen lehrt – seit 2007 als Associate Professor. Nachtragen will ich nur noch, dass er dieses Jahr zum ordentlichen Professor aufsteigt. Mühsam, der 1995 seine erste Ausstellungsbeteiligung, 1996 seine erste Einzelausstellung – in der Exit Gallery in Bozeman – hatte, bringt es auf mindestens fünf Ausstellungen jährlich und heimst immer wieder Auszeichnungen ein.

Auch Armin Mühsam und seiner Kunstwelt gegenüber sind kritische Bemerkungen angebracht: Es gibt noch immer keine Monographie über ihn. – Aber immerhin sind Kataloge von Münchner Ausstellungen beim Eingang ausgelegt und zu günstigen 1-3 Euro zu erwerben.

Hans-Werner Schuster

Schlagwörter: Heimattag 2012, Ausstellung, Malerei, Edelstahl

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