26. Juli 2005

Erste umfassende Retrospektive Otto Flechtenmacher

Das Museum Stift Stams in Tirol zeigt noch bis zum 9. Oktober neben Aquarellen, Skizzen und Zeichnungen einhundert Ölbilder aus dem umfangreichen Nachlass des Landschaftsmalers Otto Wolfgang Flechtenmacher. Der gebürtige Kronstädter - man nannte ihn den "Maler des Morgenlichts" - ist vor 23 Jahren in Mösern/Tirol verstorben. Zu dieser Werkschau hat die Witwe Elisabeth Flechtenmacher dem Museum den gesamten Nachlass zur Verfügung gestellt. Zeitweilig hatte der Künstler im Stift Stams gelebt. Die Ausstellungsmacher unternehmen den Versuch, "den Maler Otto Flechtenmacher, dem Ausstellungen u.a. in Hamburg, Aachen, Wien und Venedig die Anerkennung als eigenwillige Persönlichkeit eingebracht hatten, neu zu entdecken."
Otto Wolfgang Flechtenmacher wurde am 11. September 1900 in Kronstadt geboren als Sohn des Arztes Carl Eduard Flechtenmacher und von Ida, geborene Hesshaimer. Bedingt durch die Weiterungen des Ersten Weltkriegs besuchte er in Innsbruck die Schule, wo er auch nach Kriegsende ein Medizinstudium (auf Wunsch und Druck des Vaters) aufnahm. Da hatte den sensiblen Einzelgänger aber schon die Malleidenschaft erfasst. In diese Studienzeit fällt auch der Beginn einer prägenden Freundschaft mit dem Innsbrucker Maler Arthur Nikodem. Flechtenmachers Entscheidung gegen die Medizin und für die Landschaftsmalerei besiegelte spätestens die Verlagerung seines Lebensmittelpunktes nach Seefeld (in den Tiroler Alpen). Bei seinen Wanderungen im Hochgebirge war er mehr als einmal mit existenziellen Grenzerlebnissen konfrontiert, die sein Bewusstsein, seine Spiritualität beeinflussten.

Otto Flechtenmacher, Selbstporträt in Öl, 46 x 34,5 cm, signiert.
Otto Flechtenmacher, Selbstporträt in Öl, 46 x 34,5 cm, signiert.
Während des Zweiten Weltkriegs nahm der gebürtige Kronstädter als Gebirgsjäger an den Kämpfen im besetzten Jugoslawien teil, geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946, gesundheitlich stark angegriffen, entlassen wurde. In den Folgejahren lebte Flechtenmacher vorwiegend in Tirol, in Seefeld (wo er seine spätere Frau Elisabeth 1952 kennen lernte) und Reith. Mehr oder minder konstante Bedingungen seines künstlerischen Schaffens waren neben der angeschlagenen Gesundheit (Kehlkopfkrebserkrankung) die materielle Not. Nach einigen Einzel- und Gruppenausstellungen (u.a. in Aachen, Innsbruck, Wien und Venedig) zog sich der Maler aus dem künstlerischen Betrieb zurück. 1965 bezieht das Ehepaar Otto und Elisabeth Flechtenmacher ein Eigenheim in Mösern. Im Herbst 1981 stellte der Maler nochmals eine größere Anzahl von Gemälden in Telfs aus. Neuerlich an Krebs erkrankt, verstarb Otto Flechtenmacher am 31. Juli 1982 in Mösern.

Seit Anfang Juli läuft in Stams die erste umfassende Retrospektive des Oeuvres von Otto Flechtenmacher, der "seine schöpferische Kraft fast ausschließlich der Gestaltung von Landschaftsbildern (widmete), deren Motive er in nächster Umgebung seines gewiss nicht zufällig gewählten Wohnsitzes fand", heißt es in einer Pressemitteilung des Museums Stift Stams, und weiter: "Die Landschaft war für Flechtenmacher jedoch primär der formale Rahmen, den er einerseits mit einer zutiefst spirituellen, von visionären Erlebnissen in den Bergen geprägten Grundhaltung, andererseits mit teilweise von Cézanne beeinflussten Farbmodulationen zu füllen wusste. Dabei bündelte er schillernde Farbvaleurs und pastellige Zwischentöne zu irisierenden Gebirgslandschaften, in denen kubistische Elemente und von dynamischem Pinselduktus geprägte Kraftlinien mitunter an den Rand der Abstraktion führen."

Otto Flechtenmacher: Venedig, Öl auf Leinwand, 44,5 x 63,5 cm, signiert.
Otto Flechtenmacher: Venedig, Öl auf Leinwand, 44,5 x 63,5 cm, signiert.

In dieser monumentalen Werkschau im Rahmen der Sommerausstellung des Museums Stift Stams sind zum Teil bisher noch nie ausgestellte Arbeiten aus dem ungemein produktiven Schaffen des Künstlers zu sehen. Die Bandbreite der verarbeiteten landschaftlichen Bildmotive korrespondiert mit Flechtenmachers wechselnden Lebensräumen. Neben heimatlichen Motiven, wie Bucegi, sind u.a. Seefel-Mösern, das Inntal, der Hocheder, Leutasch, Fernsteinsee, Obergurgl, das Sellraintal, die Dolomiten und Venedig zu sehen. Immer wieder erscheint das schneebedeckte Hochgebirge bei Sonnenaufgang, Flechtenmachers Faszinosum, woraus ihm auch die Charakterisierung als "Maler des Morgenlichts" zuwuchs. So vermitteln "seine Bilder etwas von der elementaren Kraft der Natur, die er malt" (Heinz von Mackowitz).

Die Ausstellung ist im Zisterzienserkloster Stift Stams, Stiftshof 1, in A-6422 Stams, dienstags, mittwochs, freitags, samstags, sonntags, jeweils 11.00 - 17.00 Uhr, donnerstags von 11.00 - 19.00 Uhr zu sehen (montags geschlossen).

Christian Schoger

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juni 2005, Seite 5)

Schlagwörter: Porträt, Kunst

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