6. Juni 2023

Die Föderation der Siebenbürger Sachsen lebt: Podiumsdiskussion beim Heimattag in Dinkelsbühl pflegt grenzüberschreitenden Dialog

„40 Jahre weltweite Föderation der Siebenbürger Sachsen“ – das Thema der Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl und das diesjährige Heimattagsmotto „Miteinander schafft Heimat“ bilden einen logischen Sinnzusammenhang. Nach diversen Auswanderungsphasen stellt sich die als einend empfundene herkunftsbezogene Identitätsfrage längst im globalen Rahmen. Die 1983 gegründete Föderation der Siebenbürger Sachsen dient dem Zweck, die Siebenbürger Sachsen weltweit zu vertreten, ihre Einheit zu stärken und ihre gemeinsamen Interessen insbesondere auf humanitärem, heimatpolitischem und kulturellem Gebiet durchzusetzen – wie sehr ist sie heute noch mit Leben gefüllt?
Rund hundert Gäste hatten sich am Pfingstmontag um 10 Uhr im Schrannen-Festsaal eingefunden. Unter der Moderation von Christel Ungar diskutierten der Föderationspräsident und Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Rainer Lehni, die Präsidentin der Alliance of Transylvanian Saxons (ATS) in den USA, Denise Crawford, die stellvertretende Vorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, Rebecca Horeth, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Dr. Paul Jürgen Porr, der Bundesobmann des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Manfred Schuller, und Kathrin Welther, ehemalige Föderationsreferentin der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD).

Moderatorin Christel Ungar hieß das Saalpublikum herzlich willkommen, stellte die Podiumsteilnehmer vor und führte in das Diskussionsthema ein. Der Begriff Föderation bezeichne „eine Gemeinschaft bei Autonomie jedes Einzelnen“. Nach einem kurzen entstehungsgeschichtlichen Abriss der durch gemeinsame „Abstammung, Sprache und Schicksal“ verbundenen Föderation – der Beschluss, die Föderation zu gründen, wurde am 1. Oktober 1983 in Elixhausen in Österreich gefasst, die Urkundenunterzeichnung erfolgte am 19. Juli 1984 in Kitchener in Kanada – bat Ungar die Podiumsteilnehmer:innen, ihren jeweiligen Verband und seine Tätigkeit vorzustellen.
Auf dem Podium im Schrannen-Festsaal zum Thema ...
Auf dem Podium im Schrannen-Festsaal zum Thema „40 Jahre weltweite Föderation der Siebenbürger Sachsen“, von links: Kathrin Welther, Rebecca Horeth, Dr. Paul Jürgen Porr, Moderatorin Christel Ungar, Rainer Lehni, Denise Crawford, Kerstin Arz und Manfred Schuller. Foto: Christian Schoger
Den Anfang machte Denise Crawford, die Englisch sprach; Kerstin Arz, neben ihr sitzend, dolmetschte. Arz, amtierende Vorsitzende des Kreisverbands der Siebenbürger Sachsen Landshut, wird künftig die Leitung des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen e.V. übernehmen. Das gab der Bundesvorsitzende Rainer Lehni im Rahmen der Podiumsdiskussion bekannt. Crawford, von Beruf Buchhalterin und Wirtschaftsprüferin, ist seit 2020 Präsidentin der ATS in den USA. Ihre Eltern stammen aus Großscheuern. Der Verband in den USA leiste neben der Kulturarbeit insbesondere soziale Unterstützung, vor allem bei Beerdigungen.

Der Bundesobmann Manfred Schuller erinnerte an die Nachkriegszeit in Österreich, den späten Erhalt der Staatsbürgerschaft, die Gründung der Nachbarschaften in den 1950er Jahren, das segensreiche Wirken seines Amtsvorgängers Volker Petri und des verstorbenen Ehrenbundesobmannes Dr. Fritz Frank. Konträr zum Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gebe es in Österreich derzeit eine Jugend- bzw. Nachwuchsproblematik, da der dritten und vierten Generation die Bindung zu Siebenbürgen fehle. Der persönliche Kontakt sei grundlegend wichtig, daher unterstütze man die Föderationsjugendlager.

Das Wort hatte nun Rebecca Horeth. Bereits als Schülerin hat ihr Engagement in der siebenbürgischen Gemeinschaft begonnen, sie war Teilnehmerin des Föderationsjugendlagers und hat beim Kulturaustausch geholfen. Heute ist sie die stellvertretende Vorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, Kulturreferentin und Schriftführerin. Horeth, die bei der Podiumsdiskussion Deutsch sprach, streifte die im frühen 20. Jahrhundert einsetzende, nach dem Zweiten Weltkrieg besonders intensive Einwanderungsgeschichte der Siebenbürger Sachsen in Kanada. Die Landsmannschaft in Kanada wurde 1960 gegründet. Bei den gegenwärtigen Aktivitäten der Clubs (Vereine) in Kitchener, wo die meisten Siebenbürger Sachsen leben, und Aylmer dominiert Horeth zufolge die Unterstützung der verschiedenen Kulturgruppen (Bands, Chöre, Tanzgruppen, Kindergruppe). Es werde darüber hinaus auch gespendet, wie etwa für die Siebenbürgische Bibliothek, Schloss Horneck und für das Sozialwerk.

Den jüngsten Mitgliedsverband der Föderation (seit 1993) stellte der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) vor. Seinen ersten Kontakt mit der Föderation, so erinnerte sich Dr. Paul Jürgen Porr, der erst tags zuvor mit dem Ehrenstern der Föderation ausgezeichnet worden war, hatte er im Juli 1990 in Klausenburg. Später habe er als Vorsitzender des Siebenbürgenforums in dem damaligen Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Volker Dürr, „eine große Hilfe“ gehabt. Nach anfänglichen Spannungen sei es es zu gegenseitigen Besuchen gekommen, mit dem grenzüberschreitenden Kultur- und Jugendaustausch ab den 1990er Jahren seien die Beziehungen „immer wärmer und konstruktiver“ geworden. Diese wurden in den Amtszeiten von Klaus Johannis in Siebenbürgen bzw. Rumänien und Dr. Bernd Fabritius in Deutschland „weiter vertieft und sind heute unter Nachfolger Rainer Lehni und Martin Bottesch vorzüglich“, konstatierte Porr.

Die Moderatorin bat Rainer Lehni seitens des den Heimattag in Dinkelsbühl veranstaltenden Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland um seinen Diskussionsbeitrag. Der seit 2019 amtierende Bundesvorsitzende stellte den 1949 zur Interessenvertretung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland gegründeten Verband vor. Im kommenden Jahr feiere man bereits das 75-jährige Jubiläum. „Die Basis unseres Verbandes ist die ehrenamtliche Arbeit“, unterstrich Lehni. Der Verband habe acht Landesgruppen und 95 Kreisgruppen. Die meisten Landsleute lebten in Bayern und Baden-Württemberg. Ein besonderes Augenmerk liege auf der Jugendarbeit. Als Föderationsvorsitzender sagte Lehni zur aktuellen Situation: „Die Zusammenarbeit, die wir mit allen anderen Verbänden haben, kann ich mir gar nicht besser vorstellen.“

Für die Siebenbürgisch-Sächsische Jugend in Deutschland (SJD) sprach Kathrin Welther. In Nürnberg geboren, engagierte sich Welther buchstäblich von Kindesbeinen an in der Tanzgruppe. Später leitete sie zehn Jahre lang die Jugendtanzgruppe, war in den Jahren 2016-2019 stellvertretende SJD-Bundesjugendleiterin und von 2013 bis 2019 Föderationsreferentin. In dieser Zeit organisierte sie für die SJD drei Föderationsjugendlager (Föjula). Beim Föjula 2011 in den USA war sie selbst als Teilnehmerin dabei. Wie sie in ihrem Statement ausführte, verbinde sie sehr positive Erfahrungen mit dem Föderationsjugendlager, gute Begegnungen und freundschaftliche Kontakte. Der Fokus der SJD, der Jugendorganisation des Verbandes, liege auf der Förderung der Jugendarbeit, auf dem Heranführen an die Verbandsarbeit. In ihrer aktiven Zeit sei das Föjula gleichsam ihr „kleines Baby“ gewesen.

Im weiteren Diskussionsverlauf wurden diverse Arbeitsschwerpunkte und Belange der Föderation erörtert, darunter die für die Zukunft der Verbände so wichtige Jugendarbeit. Nach dem aktuellen Mitgliederstand gefragt, gaben die Podiumsteilnehmer:innen an: Deutschland 27 000 Mitglieder, SJD 900 Mitglieder, Österreich 1 500 Mitglieder, ATS in den USA 6 000 Mitglieder, Kanada 300-400 Mitglieder. Als die Moderatorin die Diskussion für das Saalpublikum öffnete, kam insbesondere auch die wünschenswerte Förderung sächsischer Mundartkenntnisse zur Sprache. Bundesvorsitzender Rainer Lehni rief dazu auf, das Sächsische in den Familien wieder aufleben zu lassen.

Mit ihrem Dank an das Podium und das Publikum schloss Christel Ungar die 90-minütige, ausgesprochen harmonisch verlaufene Diskussion. Ein Videomitschnitt ist auf dem YouTube-Videokanal von Siebenbuerger.de abrufbar unter https://youtu.be/X14JxcpIwQQ.

Christian Schoger

Schlagwörter: Heimattag 2023, Dinkelsbühl, Podiumsdiskussion, Föderation, Rainer Lehni

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