6. November 2010

20 Jahre Saxonia: Interview mit Geschäftsführer Karl Arthur Ehrmann

Seit 20 Jahren versorgt die Saxonia-Stiftung die in Siebenbürgen lebenden Sachsen mit humanitärer Hilfe. Zudem werden siebenbürgisch-sächsische Unternehmer, aber auch Angehörige der anderen Nationalitäten bei wirtschaftlichen Vorhaben von der Stiftung finanziell unterstützt. Geschäftsführer Karl Arthur Ehrmann zieht im Gespräch mit Holger Wermke, Hermannstädter Korrespondent der Siebenbürgischen Zeitung, ein Fazit der Stiftungsarbeit.
Beschreiben Sie bitte kurz die Gründung der Saxonia-Stiftung!
Die Saxonia wurde 1990 auf Anregung des Vorsitzenden des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen e.V. München, Willi Schiel, in Hermannstadt als Verein gegründet. Die Saxonia sollte eigentlich nichts anderes als eine Mittlerorganisation in Siebenbürgen sein, die Hilfsmaßnahmen des Sozialwerks und später auch anderer Hilfsorganisationen durchführt und zweckmäßig abwickelt.

Zunächst wurde also in Hermannstadt ein Saxonia-Verein gegründet ... ... zunächst mit Hilfe der Kirche, danach wurde auch das deutsche Forum mit einbezogen. Kurze Zeit später wurde aus dem Verein eine Stiftung gemacht. Und nach etwa einem Jahr, Anfang 1991, bot die Bundesrepublik auch Existenzgründungshilfen in Stadt und Land an, etwas Attraktives für junge und junggebliebene Leute – wie man hoffte, die somit zum Dableiben angeregt werden sollten.

Wie kamen Sie ins Spiel?
Der damals junge Siemens-Ingenieur und ­eh­renamtliche Gründungsgeschäftsführer der Hermannstädter Saxonia (Verein wie Stiftung), Michael Schmidt, hatte den Vertretern des Sozi- al­werks in Deutschland versprochen, vor Ablauf seiner Tätigkeit für die Organisation der Hilfstransporte in Siebenbürgen, eine entsprechende Ersatzperson zu finden. Gesucht hat er unter sei­nen hiesigen freiwilligen Mitarbeitern und schließlich mich gefunden. Als nützlich für meine Arbeit erwiesen sich die vielen Kontakte, die ich durch meine Journalistenzeit bei der Karpatenrundschau zu unseren Landsleuten hatte.

Der ursprüngliche Stiftungszweck war die soziale und humanitäre Hilfe für Bedürftige in Siebenbürgen. Wie haben Sie diesen Auftrag ausgefüllt?
Schwieriger als erwartet war die Gründung der neuen Saxonia Stiftung in Kronstadt: Beinahe vier Monate dauerte es, bis wir sie am 10. Juli 1992 gerichtlich eintragen konnten. Inzwischen liefen die Hilfsmaßnahmen von Hermann­stadt aus koordiniert weiter, wobei Michael Schmidt mich Schritt für Schritt in die Arbeit einweihte. Standardpakete vom Sozialwerk waren damals die offizielle Hilfe. Angeregt von Privatspenden gab es noch Kleider- und Medikamentensendungen sowie in Härtefällen auch Geldhilfen. Zurzeit erhalten, auf besonderen Wunsch der Spender, nur noch wenige Landsleute in ganz Siebenbürgen zwei bis mehrere Male im Jahr, manche sogar monatlich ein Elf-Kilo-Paket mit ausgewählten Lebensmitteln. Das Sozialwerk unter der Leitung von Peter Pastior, mit dem wir hervorragend zusammenarbeiten, finanziert diese Pakete und schickt uns die Verteilungsaufträge. Die meisten materielle Hilfen, auch die vom Bundesinnenministerium geförderten, sind neuerdings Geldhilfen.

Karl Arthur Ehrmann vor dem Saxonia-Sozialzentrum ...
Karl Arthur Ehrmann vor dem Saxonia-Sozialzentrum in Rosenau. Foto: Holger Wermke
Sie sagten kürzlich dieser Zeitung, dass die Auslastung des Gästehauses zurzeit bei 40 Prozent liegt. Wie stellt sich die wirtschaftliche Situation des Saxonia-Hauses dar?
Die ist schlecht, seit offensichtlich ist, dass bei uns in Rumänien eine Krise herrscht. Wir speziell leiden darunter, dass auch in Deutschland die Leute nicht mehr so urlaubsfreudig sind, allen voran unsere Hauptgäste, die ausgewanderten Sachsen und ihre Bekannten und Freunde. Zu spüren ist das seit Oktober 2009.

Wie reagieren Sie auf diese Situation?
Wir haben vier Mitarbeiter in die „gesicherte Arbeitslosigkeit“ entlassen müssen, in der Hoffnung, dass dies eine Übergangslösung ist und wir sie bald wieder einstellen, was leider nicht geschehen konnte. Wir sind wiederholt angesprochen und aufgefordert worden, die Pension zu verkaufen oder langfristig zu verpachten. In Rosenau ansässige Rumänen würden hier gerne ein Altenheim einrichten. Das wäre aber die allerletzte Lösung. Wir lassen derzeit ein Konzept erarbeiten, um den Betrieb wieder in Schwung zu bringen. In zwei, drei Monaten wollen wir Ergebnisse sehen. Übrigens ist auch die Konkurrenz in den letzten Jahren viel größer geworden. Als wir bauten, waren wir weit und breit allein, heute sind 50 Pensionen auf dem Rosenauer Hattert. Wir möchten zumindest unsere Landsleute wieder hier haben. Für nächstes Jahr sind schon viele Buchungen angekündigt, weil 800 Jahre seit der Besiedlung des Burzenlandes und am 17. September das traditionelle Sachsentreffen in Kronstadt gefeiert werden.

Seit wann ist die Saxonia-Stiftung im wirtschaftlichen Bereich tätig?
Seit 1992. Dafür wurde die Kronstädter Saxonia ja hauptsächlich ins Leben gerufen: Sie betreut die deutsche Minderheit und das andersnationale Umfeld, so die offizielle Formulierung, sozial-humanitär und wirtschaftlich. Neben der humanitären Stiftung gibt es seit Anfang 2008 die „Stiftung für Internationale Kooperation Saxonia-Transilvania“, die für die Verteilung der Fördermittel des Bundesinnenministeriums zuständig ist.

Wie viele Projekte wickelt die Saxonia ab?
Im Durchschnitt sind es 10 bis 15 Projekte pro Jahr, in der Regel fördern wir Antragsteller, die die maximale Fördersumme von 15000 Euro beantragen, bei Zweitförderungen geht es auch um kleinere Summen. Wertmäßig stehen uns aus zurückgezahlten Hilfen knapp 200000 Euro zur Verfügung und an Frischgeldern etwa 100000 Euro. Dieses Jahr waren es 96000 Euro. Für das Siebenbürgenforum finanzieren wir gemeinschaftsfördernde Maßnahmen zugunsten der Zentrums- und Lokalforen jeweils in Höhe von 25 Prozent der Frischgeldsumme, seit dafür keine direkten Hilfen mehr vom BMI zur Verfügung stehen. Dieses Geld fehlt auf der anderen Seite bei den werterhaltenden Investitionen bzw. Kreditvergaben. Dadurch sind die Beiträge aus den Rückflussgeldern gesunken.

Mit welchen Problemen waren oder sind Sie bei der Wirtschaftshilfe konfrontiert?
Früher waren es hauptsächlich Zoll- und Finanzprobleme in einigen Verwaltungskreisen, die unsere Arbeitsweise nicht verstanden und deshalb als illegal einstuften. Die allmählich angepasste Rechtslage hat da Abhilfe geschaffen. Andererseits verzeichneten wir, vor allem am Anfang, auch Misserfolge mit den Geförderten. Wir wurden nämlich am Anfang nicht in die Begutachtung der Projekte mit einbezogen, weder beim österreichischen noch beim deutschen Programm. Später konnten wir dann alle Projekte zumindest mit begutachten und – als bessere Kenner der Mentalitäten – die zu Fördernden sinnvoller auswählen. Die Immobiliengarantien für die Kredite tun ein Übriges. Über die eingereichten Anträge entscheidet heute ein fünfköpfiges Stiftungsdirektorium, bestehend aus Franz Georg, Leiter der Kronstädter Agentur für Landwirtschaftssubvention, Uwe Konst, einem ausgewanderten Kronstädter Diplomwirt, Wolfgang Wittstock, Vorsitzender des Kronstädter Kreisforums, Gerhard Leopold, Geschäftsführer der Katholischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt, und meiner Wenigkeit.

Wie würden Sie die Saxonia zusammenfassend beschreiben?
Als die bisher vielseitigste, größte und reichste der fünf Wirtschaftsstiftungen der rumäniendeutschen Minderheit: Die Saxonia hat die vielseitigste Aufgabenpalette und das größte Wirkungsgebiet unter den Schwesterstiftungen. Im Unterschied zu den anderen Regionalstiftungen durften wir von Ende 1992 bis Anfang 2008 auch ein Förderprogramm der österreichischen Bundesregierung siebenbürgenweit abwickeln, das hauptsächlich die rumänische Mehrheitsbevölkerung und andere nichtdeutsche Minderheiten als Zielgruppe hatte. Dafür standen erst 30, dann noch etwa 15 Millionen Schilling zur Verfügung – umgerechnet etwa 3 Millionen Euro. Summa summarum haben die „alte Saxonia“ und ihre Nachfolgerin im Wirtschaftsbereich „Saxonia-Transilvania“ zusammen mehr als 1000 Förderprojekte in einem geschätzten Wert von über 7,5 Millionen Euro realisiert.

Herr Ehrmann, Sie sind jetzt 63 Jahre alt, wie lange bleiben Sie der Saxonia als Geschäftsführer erhalten?
Das liegt genau genommen bei einer höheren Instanz. Persönlich sehe ich mich schon seit einiger Zeit nach einem Nachfolger um, den ich in diese ganze Arbeit einweihen möchte. Dass ein junger Mensch nachher andere, meistens bessere Wege und Mittel findet, liegt im Gang der Dinge. Mir liegt eigentlich daran, dass die Saxonia in Zukunft möglichst keine ihrer auf die derzeitige Geschäftsleitung fixierten Spender und Freunde verliert. Allerdings kann ein junger Visionär sich auch um die Einwerbung europäischer Gelder bemühen, wenn das BMI bedauerlicherweise eines Tages einen Punkt setzten sollte.

Schlagwörter: Saxonia, Stiftung, Interview, Geschäftsführer

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