24. März 2023

Bund der Vertriebenen kritisiert restriktive Aufnahmepraxis für Spätaussiedler aus der Ukraine und Russland

Berlin – Die Aufnahme von Deutschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion soll derzeit nicht mehr so erfolgen, wie es der Gesetzgeber mit der 10. Änderung des Bundesvertriebenengesetzes 2013 beabsichtigt habe. Das moniert der Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Dr. Bernd Fabritius, aufgrund aktueller Berichte aus der Aufnahmepraxis für Spätaussiedler. Probleme gebe es laut Fabritius insbesondere dort, „wo Antragstellern zu Zeiten des Sowjetregimes ein nichtdeutsches Volkstum, wie z. B. ‚russisch‘ oder ‚ukrainisch‘, in Ausweis- oder Personenstandsdokumente eingetragen wurde“.
Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der ...
Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen
In einer Presseerklärung vom 14. März führt der BdV-Präsident aus: „Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von 2021 und dessen restriktiver Auslegung durch das Bundesverwaltungsamt führen solche Eintragungen, wenn sie nicht unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion korrigiert worden sind, in nahezu jedem Fall zur Ablehnung der Aufnahme. Dabei sind derartige Eintragungen häufig Ausdruck der unterdrückenden Minderheitenpolitik in der Sowjetunion.“ Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) sehe in § 6 Absatz 2 klar vor, dass die Volkszugehörigkeit „bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise“ erklärt werden könne. Durch explizite Schaffung einer Bekenntnismöglichkeit durch Spracherwerb habe der Gesetzgeber mit der 10. Änderung gerade dem Umstand Rechnung getragen, „dass formalisierte Nationalitäteneintragungen nicht mehr möglich sind oder nicht mehr korrigiert werden können“. Damit habe der Gesetzgeber auch deutlich zum Ausdruck gebracht, „dass eine Nationalitäteneintragung aus einem Unrechtsregime nicht so viel wert sein kann wie ein aktuelles Bekenntnis zum deutschen Volkstum oder ein Bekenntnis etwa durch Sprachkenntnisse, wie es durch die Novelle 2013 ausdrücklich eingeführt wurde“.

Der BdV fordere die Bundesregierung daher auf, so Fabritius, „§ 6 BVFG weiter zu präzisieren und mit einer Gesetzesergänzung klarzustellen, dass einem aktuellen Bekenntnis zum deutschen Volkstum bzw. einem ‚Bekenntnis auf andere Weise‘ im Sinne der 10. Änderungsnovelle stets Vorrang vor einer überholten Zuschreibung zur Mehrheitsgesellschaft durch sowjetische Behörden einzuräumen ist“. Spielraum für andere, benachteiligende Auslegungen dürfe es nicht geben. Der BdV fordere die Bundesregierung zudem dazu auf, „veränderten Lebensrealitäten, etwa durch kriegerische Ereignisse, Rechnung zu tragen: § 4 Absatz 1 BVFG muss dahingehend konkretisiert werden, dass ein vorübergehender Aufenthalt von Deutschen außerhalb des Aussiedlungsgebietes aufgrund von Kriegen, Katastrophen oder anderweitigen Gefahren für Leib und Leben nicht zum Verlust des Aufnahmeanspruches führt. Dies wäre ein Gebot der Gerechtigkeit und ein Zeichen von Empathie mit den Betroffenen. Ihnen würde die Sorge genommen, dass sie im Falle einer längeren Flucht einen Anspruch auf Aufnahme als Spätaussiedler komplett verlieren“, begründete der Präsident des Bundes der Vertriebenen die Forderung nach Gesetzesänderungen in der Spätaussiedleraufnahme.

Kritik auch aus CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Bundesinnenministern Nancy Faeser (SPD) hat am 16. März im Bundestag in der Regierungsbefragung auf Nachfrage der Union zum Stand der Spätaussiedleraufnahme in der Bundesrepublik berichtet. Dazu erklärten die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz: „Ausgerechnet mit Ausbruch des Ukrainekriegs hat die Bundesregierung einen Kurswechsel hin zu einer restriktiven und aus unserer Sicht auch rechtswidrigen Aufnahmepraxis für Spätaussiedler aus der Ukraine und Russland vorgenommen. Die Ablehnung der Anträge von zigtausenden Angehörigen der deutschen Minderheit, die von Kriegszerstörungen in der Ukraine oder Repressionen in Russland betroffen sind, ist ein humanitärer Skandal. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass kein Mitglied der Bundesregierung seit Kriegsausbruch die deutschen Minderheiten vor Ort besucht hat. Es ist gut, dass die Bundesinnenministerin in der Regierungsbefragung auf Druck der Union angekündigt hat, per Gesetzesänderung zur alten Aufnahmepraxis zurückkehren zu wollen. Auf ausdrückliche Nachfrage hat sie auch eine wohlwollende Prüfung einer Vorwirkung der Gesetzesänderung zugesagt. Kein Spätaussiedler darf Opfer eines zögerlichen Gesetzgebungsvorhabens der Bundesregierung werden.“

Der Vorsitzende der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion, Christoph de Vries, bekräftigte: „Wir wollen, dass die Tore nach Deutschland für unsere Landsleute weiterhin offenbleiben. Wir erwarten, dass die Bundesinnenministerin dem Bundesverwaltungsamt umgehend eine Weisung erteilt, damit die Ablehnungswelle schon vor der Gesetzesänderung gestoppt wird. Die Ursache der Ablehnungsbescheide ist nicht das von Frau Faeser angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, sondern die völlig unbegründete restriktive Auslegung durch das Bundesverwaltungsamt. So hat das Bundesinnenministerium auf Nachfrage der Union bestätigt, dass die neue Praxis des Bundesverwaltungsamtes erst seit Februar 2022 angewendet wird. Frau Faeser hat damit auch die Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen, Frau Pawlik, in die Schranken gewiesen, die fälschlicherweise die frühere Bundesregierung für die verschärfte Aufnahmepraxis verantwortlich gemacht hatte.“

CS

Schlagwörter: Aussiedler, Spätaussiedler, Aufnahme, Ukraine, BdV. Fabritius

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  • 24.03.2023, 11:28 Uhr von Peter Otto Wolff: Das kommt mir bekannt vor, beim Streichen will es niemand gewesen sein, obwohl von nichts kommt ... [weiter]

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