10. Juli 2011

Großes Schulfest in Bistritz

Das neue Gebäude des Evangelischen Obergymnasiums A.B. in Bistritz wurde im Frühjahr 1910 fertiggestellt. Am 8. September 1910 zog man feierlich vom alten Schulgebäude, das sich auf dem Marktplatz neben der Evangelischen Stadtpfarrkirche befand, in das neue Gebäude auf der Fleischerallee. Die HOG Bistritz-Nösen hat bereits im letzten Jahr dieses Ereignis gefeiert, als im Rahmen des Sachsentreffens, das vom 17.-19. September 2010 in Bistritz stattfand, eine Gedenkfeier in der Aula des Gymnasialgebäudes veranstaltet wurde. Am 19. Mai wurde nun im Rahmen eines großen Schulfestes dieses Ereignisses erneut gedacht.
Das Schulfest stand unter dem Motto: „Un secol de școală: de la gimnaziul Evanghelic C.A. la Colegiul Național ‚Liviu Rebreanu’ Bistrița“ (Ein Jahrhundert Schule. Vom Evangelischen Gymnasium A.B. zum Nationalkolleg „Liviu Rebreanu“ Bistritz). In Anlehnung an den Marsch vom 8. September 1910 formierte sich am Vormittag des 19. Mai 2011 eine Marschkolonne unter Polizeieskorte am Marktplatz, an der Stelle, wo das alte Gymnasialgebäude stand, um über die Holzgasse, den Rossmarkt und die Fleischerallee zum neuen Gymnasialgebäude zu marschieren. Die Kolonne bestand aus Schülern aller Klassen, die voller Stolz ihre Uniformen trugen. Im Gegensatz zu den Schuluniformen aus kommunistischer Zeit, die wir damalige Schüler eher als Häftlingskluft empfanden (auch wegen der persönlichen Nummer, die am Ärmel angebracht war) und ablehnten, werden die heutigen Uniformen von den Schülern gerne getragen, zumal sie die Zugehörigkeit zu einer Eliteanstalt (das Nationalkolleg „Liviu Rebreanu“ gehörte 2010 zu den zehn besten Schulen Rumäniens) deutlich machen. Außerdem werden durch die Uniformen soziale Unterschiede kaschiert, die sonst durch das Tragen von Markenkleidung zum Ausdruck kämen. Völlig neu waren für den Verfasser dieses Beitrags die Talare der Schüler der zwölften Klasse, die vermutlich nach dem Vorbild der nordamerikanischen Colleges geschneidert wurden.

An der Spitze des Umzugs befand sich eine Abordnung von Fahnenträgern, die neben der rumänischen Nationalflagge und der Europaflagge auch das Replikat einer sächsischen Zunftfahne mittrug, wohl um den Beitrag des sächsischen Handwerks beim Bau des Gymnasialgebäudes zu unterstreichen. Den Fahnenträgern folgte ein Trommlerzug in mittelalterlichen Kostümen, zu dessen Trommelschlag der Festzug marschierte. Teil des Zuges waren auch Trachtengruppen in sächsischer und rumänischer Tracht. Am Gymnasium angekommen, begab sich der Festzug in den Innenhof, wo eine Bühne aufgebaut war, auf der zahlreiche Ehrengäste Platz genommen hatten. Prof. Constantin Rus, Direktor des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu“, begrüßte als Ehrengäste u.a. die aus Bukarest angereiste Staatssekretärin im Erziehungsministerium, Oana Badea, den Präfekten des Kreises Bistritz-Nassod, Cristian Florian, den Kreisratsvorsitzenden, Liviu Rusu, den Bürgermeister der Stadt Bistritz, Ovidiu Teodor Crețu, den Landeskirchenkurator der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Prof. Friedrich Philippi, den evangelischen Stadtpfarrer A.B. von Bistritz, Johann-Dieter Krauss, den Vorsitzenden des DFDR (Filiale Bistritz), Eckehardt Zaig, sowie die Vertreter der HOG Bistritz-Nösen, Michael Weihrauch und Günter Klein.

Die eigentliche Festveranstaltung dauerte fast drei Stunden. Alle Ehrengäste hielten Ansprachen und wurden von Schuldirektor Rus mit einem Ehrendiplom aus Anlass der 100-Jahr-Feier geehrt. Eine besondere Ehre wurde den Vertretern der HOG Bistritz-Nösen zuteil, die die Ansprachen eröffnen durften. Günter Klein überbrachte die Grüße des HOG-Vorsitzenden Dr. Hans Georg Franchy sowie des stellvertretenden Vorsitzenden Horst Göbbel, beide Absolventen der deutschen Abteilung des Lyzeums Nr. 1 in Bistritz (1962) und später Lehrer an der deutschen Abteilung des Lyzeums „Liviu Rebreanu“. Am Ende seiner kurzen, auf Rumänisch gehaltenen Ansprache gab Günter Klein seiner Hoffnung Ausdruck, „dass dieses herrliche Gebäude in kürzester Zeit renoviert wird, damit es wieder in jenem Glanz erstrahlt, in dem es vor 100 Jahren erstrahlte, als es von unseren siebenbürgisch-sächsischen Vorfahren in Betrieb genommen wurde“. Anschließend überreichte Michael Weihrauch Direktor Constantin Rus eine Gendenkplakette im Namen der HOG Bistritz-Nösen.
Die Abiturklasse 2011 des Bistritzer Gymnasiums ...
Die Abiturklasse 2011 des Bistritzer Gymnasiums im Festzug. Foto: Michael Weihrauch
Besondere Aufmerksamkeit erregte die Ansprache des Bistritzer Bürgermeisters Ovidiu Crețu, der wie schon beim Sachsentreffen im September letzten Jahres erneut betonte, dass er sich als Nachfolger der sächsischen Bürgermeister von Bistritz betrachte, besonders stolz auf seinen Amtsvorgänger Franz Schreiber sei, der die Geschicke der Stadt Bistritz im Zeitraum 1907-1919 leitete, und in dessen Amtsperiode Bistritz zu einer modernen Stadt wurde, da es eine Kanalisation und ein Wasserleitungssystem erhielt, elektrischer Strom eingeführt sowie das erste Kino eröffnet wurde und nicht zuletzt das neue Gymnasialgebäude auf der Fleischerallee entstand. Bürgermeister Crețu betonte, dass die Bistritzer Sachsen den höchsten Kirchturm Siebenbürgens errichtet, die erste Ackerbauschule Siebenbürgens eröffnet und das schönste Schulgebäude des Landes gebaut hätten, „weil sie den Willen dazu hatten!“ Die Bukarester Ehrengäste brachte er mit der Mitteilung zum Schmunzeln, dass das Evangelische Obergymnasium A.B. bereits 1531 gegründet wurde, das bedeutendste Gymnasium der Donaufürstentümer, das Bukarester Nationalkolleg „Sf. Sava“, hingegen erst 1688. Zudem kündigte Crețu an, drei Straßen im Neubauviertel jenseits der Budaker Brücke nach Georg Fischer, Friedrich Kramer und Franz Schreiber zu benennen.

Stadtpfarrer Johann-Dieter Krauss wies in seiner Ansprache darauf hin, dass in dem Schulgebäude bis 1944 das Evangelische Gymnasium A.B. seinen Sitz hatte, dass das Gebäude nach 1945 von den totalitären Machthabern willkürlich enteignet wurde, und dass die evangelische Kirche A.B. seit 2006 ihren rechtmäßigen Besitz wiedererlangt habe. Es sei für die evangelische Kirchengemeinde in Bistritz selbstverständlich gewesen, dieses Gebäude im Geiste einer 600-jährigen Tradition weiterhin als Schulgebäude zu nutzen. Deswegen habe man das Gebäude der Stadt Bistritz auf die Dauer von 99 Jahren verpachtet unter der Auflage, es zu restaurieren und für den Erhalt der deutschen Abteilung Sorge zu tragen.

Landeskirchenkurator Prof. Friedrich Philippi überbrachte die Grüße und Segenswünsche des Landesbischofs der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, Reinhart Guib, und betonte, „dass wir in Hermannstadt ein derartiges Schulgebäude nicht haben“. Nach den Ansprachen wurde die neue Hymne des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu“ vorgestellt, interpretiert von der Band „Hara“, deren Leadsänger ein ehemaliger Schüler des Nationalkollegs ist. Während sich die Ehrengäste in das Lehrerzimmer begaben, um dort bei einem kleinen Umtrunk das Jubiläum ausklingen zu lassen, feierten die Schüler im Innenhof bei Live-Musik bis in die Abendstunden.

Aus Anlass des Jubiläums hat die Schulleitung in der Eingangshalle zwei Gedenktafeln anbringen lassen. Auf ihnen wird der Schöpfer des neuen Gymnasialgebäudes, Gymnasialdirektor Georg Fischer und Stadtpfarrer Friedrich Kramer, gedacht, sowie auf den Umzug und die Entstehungsgeschichte des neuen Gymnasialgebäudes hingewiesen. Zudem wurde ein Jubiläumsband herausgegeben mit dem Titel: „După 100 de ani. De la Gimnaziul Evanghelic C.A. la Colegiul Național „Liviu Rebreanu” (Nach 100 Jahren. Vom Evangelischen Gymnasium A.B. zum Nationalkolleg „Liviu Rebreanu”). Darin wird auch der Geschichte des evangelischen Gymnasiums A.B. und der deutschen Abteilung des Nationalkollegs „Liviu Rebreanu” Platz eingeräumt. Leider hat man bei der Schreibweise der deutschen Namen wenig Sorgfalt geübt, so dass die meisten Namen falsch geschrieben sind oder in verschiedenen Schreibweisen im Buch vorkommen. In diesem Fall muss man den guten Willen für die Tat nehmen. Besser wäre es gewesen, man hätte die in Deutschland lebenden ehemaligen Lehrer der deutschen Abteilung zu Rate gezogen.

Dass die deutsche Abteilung des National­kollegs „Liviu Rebreanu“ nicht nur ein Schattendasein fristet, wurde am frühen Nachmittag deutlich, als im Anschluss an die Jubiläumsfeierlichkeiten in der Eingangshalle die Sprachdiplome an 22 Schüler der deutschen Abteilung von dem aus Deutschland stammenden Fachschaftsberater Hubert Gronen, Deutschlehrer am Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt, überreicht wurden. Dieses Sprachdiplom (17 Schüler bestanden es mit der Qualifikation C1, fünf mit B2) ermöglicht den Inhabern dieses Diploms, sofort ein Studium an einer deutschsprachigen Universität zu beginnen, ohne vorher ein Sprachkolleg besuchen zu müssen, wie das normalerweise bei ausländischen Studenten in Deutschland üblich ist. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Schüler der deutschen Abteilung in Bistritz das beste Ergebnis aller siebenbürgischen Schulen mit deutscher Unterrichtssprache erzielt haben. Abschließend bleibt nur noch zu hoffen, dass man unverzüglich mit der Restaurierung des Gymnasialgebäudes beginnt, denn die Gebäudesubstanz befindet sich im Jubiläumsjahr leider in einem sehr schlechten Zustand.

Günter Klein

Schlagwörter: Bistritz, Schule, Jubiläum

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