1. September 2008
Karina Roth: "Der Zufall wohnt hier nicht"
„Der Zufall wohnt hier nicht“ – dieses Zitat aus der titelgebenden Erzählung des Buches „Moskau hat meine Ohren gestohlen“ von Karina Roth trifft nicht nur auf die Ich-Erzählerin zu, die sich, von Liebeskummer betäubt, durch eine diffuse Stadt treiben lässt, sondern fungiert gleichsam als Motto für den gesamten Erzählband der jungen siebenbürgischen Autorin.
Karina Roth kam 1976 in Kronstadt zur Welt und wanderte im Alter von fünf Jahren mit Eltern und Großeltern nach Deutschland aus. Nach ihrem Abitur in Reutlingen studierte sie in Mainz Literaturwissenschaft, Amerikanistik und Romanistik und arbeitete als freie Journalistin. Als DAAD-Stipendiatin verbrachte sie ein Jahr an der University of Melbourne, Australien. Heute lebt sie in Berlin, wo auch einige ihrer Erzählungen angesiedelt sind. Berlin erschien ihr, im Gegensatz zu Mainz, wo sie fünf Jahre gelebt hat, passender für das, was sie machen wolle. Sie sehe in der Großstadt mehr Möglichkeiten, verriet Karina Roth in einem Gespräch mit der Mainzer Rhein-Zeitung, für die sie einstmals als Journalistin tätig war.
Welche Möglichkeiten sind das? Stille Parks und Wasserflächen, Cafés und Bars, schummrige Clubs, heruntergekommene Mietshäuser, brachliegende Industriegelände und vor allem Menschen begegnen uns in den Erzählungen, Menschen, hinter denen immer eine Geschichte voller Melancholie, voller Wehmut, voller Hoffnung steckt. Wenn Karina Roth ihre Figuren nicht durch Berlin schickt, sitzen sie auf dem Turm des Mainzer Domes, beobachten im Weiher am Dorfrand das grün-goldene „Potkoorok“, fahren mit dem Zug durch Rumänien oder verlassen unerlaubt das Altenheim, in dem sie wohnen.
Letzteres geschieht in der Erzählung „Goldregen“, in der die Autorin das Leben ihrer Großeltern auf Schloss Horneck in Gundelsheim verarbeitet. Geradezu anrührend ist es, Ditta, die nach dem Tod ihres Mannes immer mehr in Demenz versinkt, auf ihren unerlaubten Ausflügen zu begleiten, ihren Erinnerungen nachzuhängen und ihre Verzweiflung zu spüren, wenn ihr etwas Vertrautes entgleitet oder wenn sie bemerkt, dass sie sich verlaufen hat.
Ihre eigenen Erinnerungen an die Sommerurlaube in Rumänien verwebt Karina Roth in „Der erste Tag“ zu einem zauberhaften Stimmungsbild einer „sepiavergilbten rumänischen Landschaft“, die am Zugfenster vorbeizieht. Doch während der Zugfahrt wird die Landschaft „graubraun“, ist nicht mehr länger romantisch verklärt, und die Realität holt Tavi, den Protagonisten der Geschichte, in Gestalt eines hageren alten Mannes ein, der im Mund seines zerfurchten Gesichts nur drei Zähne hat, zwischen denen „schwarze Lücken“ klaffen. Bleibt alles, wie es war?
Zehn Erzählungen, „voll von Gestalten, die irgendwie aus der Realität gefallen sind“, wie der Reutlinger General-Anzeiger schreibt, versuchen im ersten Buch von Karina Roth eine Antwort auf diese Frage zu geben. „Sie erzählt von kleinen Begegnungen einander eigentlich fremder und doch irgendwie vertrauter Menschen. Von traurigen Tagen und dem Warten auf einen Sinn“, befindet die Westdeutsche Zeitung. Bleibt alles, wie es war? Roth gibt darauf keine eindeutige Antwort, sondern Denkanstöße, die den Leser nach jeder Erzählung, jeder Seite, jedem Wort innehalten lassen.
Vom Internet-Literaturforum „Poetenladen“ wurde der jungen Autorin für ihre Erzählung „Kowalsky auf den Straßen des Möglichen“, die auch im vorliegenden Band enthalten ist, der Debütpreis zuerkannt. In der Jurybegründung heißt es: „Karina Roth ist weit mehr gelungen, als die Welt in einem Stück Prosa einzufangen. In undramatischer, nahezu diskreter Art und Weise zoomt sie kleinste Details heran und zeigt nach und nach all die Verwerfungen, leisen Verstörungen und Haarrisse im Kosmos ihrer Figuren auf, macht sie zum Fixpunkt unserer Aufmerksamkeit, bis der Text nicht mehr nur die Realität abzubilden, sondern sie selbst zu reflektieren scheint. [...] Hier schreibt keine Autorin mit literarischer Zornesröte im Gesicht, die den Vorhang zwischen Schein und Sein zerfetzt. Karina Roth schiebt ihn lediglich ein Stück weit beiseite und überlässt dem Leser, ob und wieviel von seiner eigenen ,Straße des Möglichen‘ er zu sehen bereit ist.“
Zurzeit schreibt Karina Roth an einem Roman und hat gleichzeitig einen „Brötchenjob“ in der Marktforschung, denn vom Schreiben allein kann sie (noch) nicht leben. Man darf gespannt sein, ob sie auch in ihrem nächsten Buch mit ihrer poetischen Sprache, ihrer genauen Beobachtungsgabe, ihren melancholischen Figuren überzeugen wird.
Welche Möglichkeiten sind das? Stille Parks und Wasserflächen, Cafés und Bars, schummrige Clubs, heruntergekommene Mietshäuser, brachliegende Industriegelände und vor allem Menschen begegnen uns in den Erzählungen, Menschen, hinter denen immer eine Geschichte voller Melancholie, voller Wehmut, voller Hoffnung steckt. Wenn Karina Roth ihre Figuren nicht durch Berlin schickt, sitzen sie auf dem Turm des Mainzer Domes, beobachten im Weiher am Dorfrand das grün-goldene „Potkoorok“, fahren mit dem Zug durch Rumänien oder verlassen unerlaubt das Altenheim, in dem sie wohnen.
Letzteres geschieht in der Erzählung „Goldregen“, in der die Autorin das Leben ihrer Großeltern auf Schloss Horneck in Gundelsheim verarbeitet. Geradezu anrührend ist es, Ditta, die nach dem Tod ihres Mannes immer mehr in Demenz versinkt, auf ihren unerlaubten Ausflügen zu begleiten, ihren Erinnerungen nachzuhängen und ihre Verzweiflung zu spüren, wenn ihr etwas Vertrautes entgleitet oder wenn sie bemerkt, dass sie sich verlaufen hat.
Ihre eigenen Erinnerungen an die Sommerurlaube in Rumänien verwebt Karina Roth in „Der erste Tag“ zu einem zauberhaften Stimmungsbild einer „sepiavergilbten rumänischen Landschaft“, die am Zugfenster vorbeizieht. Doch während der Zugfahrt wird die Landschaft „graubraun“, ist nicht mehr länger romantisch verklärt, und die Realität holt Tavi, den Protagonisten der Geschichte, in Gestalt eines hageren alten Mannes ein, der im Mund seines zerfurchten Gesichts nur drei Zähne hat, zwischen denen „schwarze Lücken“ klaffen. Bleibt alles, wie es war?
Zehn Erzählungen, „voll von Gestalten, die irgendwie aus der Realität gefallen sind“, wie der Reutlinger General-Anzeiger schreibt, versuchen im ersten Buch von Karina Roth eine Antwort auf diese Frage zu geben. „Sie erzählt von kleinen Begegnungen einander eigentlich fremder und doch irgendwie vertrauter Menschen. Von traurigen Tagen und dem Warten auf einen Sinn“, befindet die Westdeutsche Zeitung. Bleibt alles, wie es war? Roth gibt darauf keine eindeutige Antwort, sondern Denkanstöße, die den Leser nach jeder Erzählung, jeder Seite, jedem Wort innehalten lassen.
Vom Internet-Literaturforum „Poetenladen“ wurde der jungen Autorin für ihre Erzählung „Kowalsky auf den Straßen des Möglichen“, die auch im vorliegenden Band enthalten ist, der Debütpreis zuerkannt. In der Jurybegründung heißt es: „Karina Roth ist weit mehr gelungen, als die Welt in einem Stück Prosa einzufangen. In undramatischer, nahezu diskreter Art und Weise zoomt sie kleinste Details heran und zeigt nach und nach all die Verwerfungen, leisen Verstörungen und Haarrisse im Kosmos ihrer Figuren auf, macht sie zum Fixpunkt unserer Aufmerksamkeit, bis der Text nicht mehr nur die Realität abzubilden, sondern sie selbst zu reflektieren scheint. [...] Hier schreibt keine Autorin mit literarischer Zornesröte im Gesicht, die den Vorhang zwischen Schein und Sein zerfetzt. Karina Roth schiebt ihn lediglich ein Stück weit beiseite und überlässt dem Leser, ob und wieviel von seiner eigenen ,Straße des Möglichen‘ er zu sehen bereit ist.“
Zurzeit schreibt Karina Roth an einem Roman und hat gleichzeitig einen „Brötchenjob“ in der Marktforschung, denn vom Schreiben allein kann sie (noch) nicht leben. Man darf gespannt sein, ob sie auch in ihrem nächsten Buch mit ihrer poetischen Sprache, ihrer genauen Beobachtungsgabe, ihren melancholischen Figuren überzeugen wird.
dr
Karina Roth, „Moskau hat meine Ohren gestohlen“. Erzählungen, denk-mal-zeichen-verlag, Mönchengladbach, 2007, 211 Seiten, 15,90 Euro, ISBN 978-3-940277-01-5.Schlagwörter: Rezension, Debüt
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