15. März 2024

Bayerische Familie wandert nach Siebenbürgen aus: „Tatsächlich Transsilvanien“ von Rita Klaus

„Tatsächlich Transsilvanien – Aus dem verrückten Alltag einer bayerischen Auswandererfamilie“ von Rita Klaus ist im September 2023 im DuMont Reiseverlag erschienen. Die Autorin beschreibt kurzweilig und mit viel Humor die zahlreichen Hürden, die die sechsköpfige Familie aus Bayern überwinden musste, um ihren Traum vom ursprünglichen Leben auf dem Land in Siebenbürgen wahr werden zu lassen.
Das Buch ist kein Reiseführer und dennoch eine hervorragende Werbung für die urwüchsige Landschaft und das dörfliche Leben in Siebenbürgen, das die Annehmlichkeiten der Moderne annimmt, ohne althergebrachte Sitten und Prinzipien über Bord zu werfen. Rita Klaus zieht im Buch die Parallele zu dem (zumindest in Bayern) bekannten Stoiber-Diktum „Laptop und Lederhose“ sehr treffend und bezeichnet die Situation in dem kleinen rumänischen Dorf im Speckgürtel von Hermannstadt als „Glasfaser und Plumpsklo“.

Auf besagtem Plumpsklo entwickelte sich auch die Idee zu diesem Buch. Das Haus, das die Familie kauft, verfügt nicht über fließend Wasser und damit auch nicht über moderne Sanitäreinrichtungen. Es gibt lediglich ein Plumpsklo ganz hinten im Hof neben dem Misthaufen. Dieses ist innen über und über mit Plattencovern, Zeitungsausschnitten und Postkarten der letzten sechs Jahrzehnte „tapeziert“. Die ungewohnte Situation in dem archaischen Holzhäuschen mit dem Kompendium der modernen Popkultur vor Augen lässt bei Rita Klaus die Gedanken fließen – sogar so gut, dass sie sich Schreibblock und Stift neben dem Klopapier zurechtlegt.

Entstanden ist ein absolut authentisches Lesevergnügen mit viel Witz, Selbstironie und entwaffnender Ehrlichkeit. Durch den ausdrucksstarken Schreibstil und zahlreiche Anspielungen auf Bayern und die moderne westliche Kultur wendet sich das Buch an eine breite Leserschaft. Wer mit Sprache und Mentalität in Rumänien und Siebenbürgen vertraut ist, zieht ein besonderes Vergnügen aus der Lektüre.

Das Abenteuer der Familie Klaus – Eltern mit drei Schulkindern und einem Kleinkind – nimmt inmitten der Pandemie seinen Lauf. Nach Monaten, die von Ausgangssperren, Homeschooling und Homeoffice geprägt sind, ist die Familie coronamüde und sucht einen Neuanfang. Der anfängliche Plan, eine einjährige Weltreise im Wohnwagen zu machen, weicht dabei schnell dem Vorhaben, in Rumänien Fuß zu fassen. Dabei stößt nicht nur die schiere Idee, ausgerechnet nach Rumänien auszuwandern, sondern auch die Wahl des Ortes, quasi mitten im Nirgendwo, im Freundeskreis auf Unverständnis. Die Frage, warum nicht Temeswar (Timişoara) oder Konstanza (Constanţa), beantwortet Familie Klaus ganz pragmatisch: „Wir wollten aber nicht dahin, wo alle hinwollen“.

Nach Ankunft in dem rumänischen Dorf, dessen Name im Buch bewusst nicht genannt wird, beginnt das Abenteuer erst richtig. Trotz Vorbereitung, Sprach-Lern-App und mehrfachen Erkundungsreisen nach Rumänien gilt es zahlreiche Fallstricke zu meistern, die das Dorfleben mit sich bringt. Es treffen Kulturen und Mentalitäten aufeinander, die anfänglichen Sprachbarrieren werden mit Händen und Füßen überwunden. Mit viel Neugier und Pragmatismus findet sich die Familie in der Dorfgemeinschaft ein.

Empfangen wird sie von den sehr freundlichen und neugierigen Nachbarn, die zwar wissen wollen, was diese Deutschen ausgerechnet nach Siebenbürgen bringt, aber auch bereitwillig Nachbarschaftshilfe leisten. Während sich die Familie mit dem neuen, 100 Jahre alten Haus vertraut macht, versorgen hilfsbereite Dorfbewohner sie mit Obst, Gemüse und allerlei eingekochten Köstlichkeiten. Besonders die zacuscă hat es ihnen angetan. Die Warmherzigkeit und natürliche Offenheit den Deutschen gegenüber hinterlässt einen positiven Eindruck bei den Neuankömmlingen und es werden schnell erste Kontakte geknüpft, die im Lauf der Zeit zu Freundschaften werden.

Natürlich fallen die zunächst fremden Deutschen im Dorf auf. Vor allem durch ihr anders geartetes Verhalten. Sie kümmern sich um Straßenhunde, stecken Bettlern Geld oder Lebensmittel zu und sie gehen spazieren – Dinge, die die Einheimischen nie machen würden.

In 47 eigenständigen Kapiteln behandelt Rita Klaus vielfältige Themen von Selbstversorgung über Hausrenovierung und Schulalltag bis hin zur Müllabfuhr. Anschaulich und sehr ehrlich beschreibt sie Begegnungen mit verschiedensten Dorfbewohnern, dem rumänischen Verwaltungssystem, Schäferhunden und der Notaufnahme in der nächstgrößeren Stadt.

Besonders erheiternd sind die Passagen über die rumänische Sprache, die Rita Klaus immer wieder einstreut. Sie tappt selbst zwar wiederholt in Sprachfallen – so trinkt sie blutrotes „Wischi-Waschi“ (vişinată) und fährt „ins Feuer“ (incendiu) statt „in den Urlaub“ (concediu) –, lässt sich aber davon nicht beirren. Das hat zum einen rein praktische Gründe – Überleben im fremden Land –, zum anderen liebt sie die rumänische Sprache und hat schnell wohlklingende Lieblingswörter (scorţişoară). In den Sprachbeispielen aus diversen Unterhaltungen mit der Verkäuferin aus dem Dorfladen oder dem Bauern ihres Vertrauens liefert sie die erstaunten Fragen oder lebensklugen Ratschläge auf Rumänisch und die Übersetzung gleich mit.

Einige Kapitel nutzt sie, um über die rumänische Kultur aufzuklären. So entkräftet sie als eingefleischter Gothic-Fan recht nüchtern den Vampir-Mythos, erklärt den Brauch der mărţişoare, das moderne Phänomen des an zahlreichen Hoftoren auftauchenden Medusenkopfes und wie man richtig Schnaps trinkt, gibt Alltagstipps und stellt verschiedene Rezepte vor.

Die Autorin zieht auch Parallelen zu ihrem alten Leben und der Gesellschaft in Deutschland. So stellt sie fest, dass rumänische Auswanderer in Deutschland weit weniger herzlich empfangen werden. In dem Kapitel über den Sauna-Bau im ehemaligen Schweinestall witzelt sie über die deutschen Vorschriften und wie eine selbst gebaute Sauna mit eigenhändig zusammengeschweißtem Ofen in Deutschland Brandschutz-, Klima- und Energieberater in den Wahnsinn treiben würde.

Um die Situation im neuen Lebensmittelpunkt der Familie Klaus zu veranschaulichen, enthält das Buch auch einige von der Autorin launig kommentierte Fotos. Das berühmte Plumpsklo, dem wir dieses Buch zu verdanken haben, darf dabei natürlich nicht fehlen.

Rita Klaus stammt aus dem Zugspitzdorf Grainau in Bayern, ist Literaturwissenschaftlerin, Mutter von vier Kindern und erfolgreiche Kinderbuchautorin. Sie hat als Werbetexterin und Journalistin gearbeitet. In ihren Kinderbüchern schreibt sie am liebsten über außergewöhnliche Charaktere und spannende Entdeckungen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sie ein Abenteuer wie die Auswanderung nach Siebenbürgen selbst auf sich nimmt – und auch nach zwei Jahren nicht bereut.

KA

Rita Klaus: „Tatsächlich Transsilvanien – Aus dem verrückten Alltag einer bayerischen Auswandererfamilie“. DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2023, 280 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-616-03234-4

Schlagwörter: Rezension, Auswanderung, Zuwanderung

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