3. Februar 2015

Mediascher Pädagoge Andreas Kloos vor 100 Jahren geboren

Am 26. August 1998 verstarb der langjährige Schulleiter und Pädagoge am Mediascher Gymnasium Andreas Kloos im Alter von 83 Jahren in Neitersen, im Westerwald. Als hervorragende Lehrerpersönlichkeit hat er auf der Grundlage fachlichen Könnens, einer unermüdlichen Einsatzbereitschaft und persönlicher Vorbildlichkeit aller politischen Einengung zum Trotz das deutschsprachige Schulwesen in Siebenbürgen über drei Jahrzehnte lang mitgeprägt und mitgestaltet. Am 14. Januar wäre er 100 Jahre alt geworden
Obwohl Andreas Kloos aus politischen Gründen über Jahre nur die Funktion des stellvertretenden Direktors übernehmen durfte, entwickelte er sich zum Vorbild und zur Symbolfigur der deutschen Lehrerschaft in diesem Raum. Seine erfolgreiche, zukunftsweisende Tätigkeit am Gymnasium seiner Heimatstadt und darüber hinaus ist im Bewusstsein seiner Landsleute bis in unsere Tage gegenwärtig. Kloos war als Rektor seiner Schule und nach seiner Pensionierung als Landeskirchenkurator an der Planung und Bewältigung wichtiger Anliegen der Siebenbürger Sachsen maßgeblich beteiligt.

Andreas Kloos wurde am 14. Januar 1915 in Reichesdorf als Sohn einer siebenbürgisch-sächsischen Bauernfamilie geboren und besuchte die deutsche Volksschule in seinem Heimatdorf. Seine Kindheit und frühe Jugend in diesem Dorf beurteilt er selbst im Rückblick als glückliche Zeit, „die viel zu meiner Prägung als Mensch und Sachse“ beigetragen habe. Nach Abschluss der Volksschule setzt er seine Schulbildung mit großem Erfolg am Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium in Mediasch fort, wo er 1934 das Bakkalaureat (Abitur) ablegte, um an der Universität Klausenburg Deutsch, Französisch, Rumänisch und Pädagogik zu studieren. Er wollte gegen den Willen seines Vaters Lehrer werden. Als Student und Adlatus des Germanisten und Sprachforschers Gustav Kisch, von dessen Familie er wie ein Sohn aufgenommen wurde, eignete sich Kloos eine grundlegende germanistische und humanistische Bildung an, die seine hohe fachliche Kompetenz als Lehrer und Erzieher begründete.

Kurz nach dem Abschluss der Diplomprüfung in Klausenburg wurde er am 1. November 1938 zum aktiven Militärdienst eingezogen und dem rumänischen Infanterieregiment 2 Dorobanti in Rimnicu Vilcea zugeordnet. Nach einem Jahr Militärdienst trat Kloos seine erste Stelle im Schuldienst an, denn am 1. Januar 1940 wurde er dem Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt als Deutschlehrer zugeteilt, wo er bis Ende Oktober 1941 tätig war. Als Folge des Angriffs der deutschen Wehrmacht und der verbündeten rumänischen Armee auf die Sowjetunion am 21. Juni 1941 wurde Kloos von seinem Regiment nach Bukarest abgeordnet, um als Dolmetscher bei der Deutschen Luftwaffenmission zu arbeiten.

1942 kehrte er an seine Schule nach Hermannstadt zurück, von wo er nach einem weiteren Jahr an das neu gegründete deutsche Gymnasium in Pergamosch (Banat) versetzt wurde. Im April 1944 erfolgte die erneute Einberufung zum Militärdienst und die Zuweisung zu seinem alten Regiment. Hier koordinierte er als Buchhalter bis Mitte August 1945 die Regiments­- verpflegung, so dass er an keinen Kampfhandlungen teilnehmen musste und auch die Deportation der Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion überstand. Am 1. September 1945 begann die Laufbahn von Kloos in Mediasch, denn er erhielt eine Anstellung als Lehrer am Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium, wo er auch die Leitung des Internats übernahm. Ende 1948 wurde Kloos vom Unterrichtsministerium nach Bukarest eingeladen, wo er zusammen mit Franz Lux (Banat), Doris Hensel (Hermannstadt) und Wolf von Aichelburg (damals Mediasch) die ersten Gymnasialbücher für den Unterricht in deutscher Literaturtheorie und Literaturgeschichte an den Staatsschulen mit deutscher Unterrichtsprache erarbeiten sollte. Diese Lehrwerke (vier Bände) erschienen 1949 im Staatsverlag ohne die Namen ihrer Autoren.

Am 17. September 1948 wurde er zum Mitglied der Kommission für die Herausgabe deutschsprachiger Schulbücher ernannt. Kurz darauf begann er auch mit der Erarbeitung der Deutschlehrbücher für die Allgemeinschulen mit deutscher Unterrichtssprache, die er in Zusammenarbeit mit Egon Machat (Schäßburg), Maja Breckner (Mediasch), Grete Klaster-Ungureanu und Sevilla Raducanu (beide Bukarest) redigierte. „Wir arbeiteten bis Mitte November täglich 9 Stunden unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Dazu die ständige Überwachung der Zensur“, berichtet Kloos in seinen Erinnerungen. Diese Lehrbücher wurden in den nachfolgenden Jahren immer wieder überarbeitet und neu aufgelegt, so dass die Schulen sie bis Mitte der 1970er Jahre einsetzen konnten.
Andreas Kloos, 1973 ...
Andreas Kloos, 1973
Zeitgleich wurde er Mitglied im Beirat des Unterrichtsministeriums, einem bedeutenden Beratungsgremium des Ministers. Die offizielle schriftliche Ernennung als Mitglied dieses Gremiums erfolgte erst 1967, laut Vermutungen von Kloos selbst weil er sich geweigert hatte, als Mitglied in die Rumänische Kommunistische Partei (RKP) einzutreten. In den nachfolgenden Jahren wuchs der Druck auf ihn, der Partei beizutreten, ein Prozess, der ihn nach eigener Aussage noch viel Abwehrkraft kosten sollte. Am 15. November 1948 wurde er auf Empfehlung des Generalinspektors Tiberiu Bogdan, seinem alten Bekannten aus Bukarest, zum Schulinspektor für das Gebiet der Großen Kokel, der Kleinen Kokel sowie der Städte Mediasch und Schäßburg ernannt und trat somit in eine ganz neue Phase seines Lebens mit dem Ziel, „die katastrophalen Zustände in den siebenbürgisch-sächsischen Dorfschulen zu verbessern“. Ende Dezember 1948 wurden alle Schulinspektoren der „mitwohnenden Nationalitäten“ nach Bukarest bestellt, wo sie unter der Leitung hoher rumänischer Parteifunktionäre über die Zukunft des Nationalitätenschulwesens beraten sollten. Nachdem ein Vertreter aus dem Zentralkomitee der RKP bekannt gab, der rumänische Staat sichere allen Nationalitäten den Unterricht in der Muttersprache zu, schränkte er diese Zusage für die deutsche Minderheit mit dem Hinweis ein, der Genosse Gheorghiu Dej habe in einem internen Gespräch erklärt: „Grupul entnic german este un grup etnic în lichidare“ („Die deutsche ethnische Gruppe ist eine Gruppe in Liquidierung“).

In den zwei Jahren seiner Tätigkeit als Schulinspektor (1948-1950) versucht Kloos, die chaotischen Zustände in den Dorfschulen wieder zu ordnen. Er kämpft um die Rückgabe der ehemaligen sächsischen Schulgebäude, versucht die Internate für die Dorfschüler in den größeren Dörfern wieder zu öffnen und setzt sich für die Einstellung der entlassenen Kollegen ein. Es gelang ihm Ende Januar 1949 sogar, dem rumänischen Unterrichtsminister persönlich seine Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten, und er durfte diese bereits einen Monat später umsetzen. Im Nachhinein stellt er fest, dass die zwei Jahre seiner Verantwortung für das deutschsprachige Schulwesen an der Kokel nicht leicht waren: „Ich habe meist wie ein Seiltänzer hin- und her balancieren müssen, zwischen den Vorgaben meiner kommunistischen Auftraggeber und dem inneren Gebot, unsere geschichtlich gewordene Volksart zu wahren und zu fördern.“

Im Herbst des Jahres 1955 unterbreitete Kloos dem Unterrichtsministerium eine komplexe Dokumentation über das Leben und Wirken von Stephan Ludwig Roth mit der Bitte, das Mediascher Gymnasium wieder mit seinem Namen schmücken zu dürfen. Seine langjährige Arbeit in unterschiedlichen Gremien des Ministeriums, sein guter Ruf als integrer und fähiger Mitarbeiter sowie seine zahlreichen persönlichen Kontakte in Bukarest führten dazu, dass seine Schule schon im Frühjahr 1956 vom Unterrichtsministerium die Urkunde mit der Namensverleihung erhielt.

Kloos blieb bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1975 stellvertretender Schulleiter und damit Direktor der deutschen Abteilung des Axente-Sever-Lyzeums und trug wesentlich dazu bei, dass wichtige Traditionen des siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens auf der Meschner Straße erhalten blieben. Unter seiner Leitung entwickelte sich die deutsche Abteilung zu einer leistungsfähigen Schuleinheit mit engagierten Kollegen und fleißigen Schülern, die ihren rumänischen Kollegen in nichts nachstanden. So regte die Direktorin Doina Boilâ in den Jahren 1963-1966 die Erstellung einer vergleichenden Statistik an, um die Ergebnisse der Aufnahmeprüfungen der Absolventen des Lyzeums an den rumänischen Hochschulen nach Abteilungen (rumänisch-deutsch) festzuhalten. Daraus ergab sich drei Jahre hindurch, dass die Schülerinnen und Schüler der deutschen Abteilung bessere Erfolge aufweisen konnten als ihre rumänischen Kollegen, obwohl sie die Aufnahmeprüfungen ebenfalls in rumänischer Sprache ablegen mussten. Da diese Ergebnisse nicht in die politische Landschaft passten, wurde die Statistik in den nachfolgenden Jahren verboten.

Die Leistungen und Verdienste des Schulleiters Andreas Kloos können erst richtig eingeschätzt und bewertet werden, wenn man den politischen Rahmenbedingungen seiner Amtszeit Rechnung trägt: ein stalinistisch-kommunistisches Staatswesen, in dem sich die doktrinäre marxistisch-leninistische Ideologie mit einem intoleranten rumänischen Nationalismus paarte, der als oberstes Ziel eine „homogene sozialistische Nation“ anstrebte. In dieser Nation hatte eine eigene sprachliche und kulturelle Identität der Siebenbürger Sachsen, aber auch der anderen „mitwohnenden Nationalitäten“, keinen Platz.

In diesem Spannungsfeld musste ein Vertreter der deutschen Bevölkerungsgruppe in Rumänien über ausgeprägte taktische Fähigkeiten verfügen, um sowohl das Vertrauen seiner Volksgruppe als auch dasjenige der rumänischen Behörden zu behalten. Dass Kloos trotz dieser widrigen Verhältnisse in vielerlei Hinsicht über einen relativ weiten Handlungsspielraum verfügte, obwohl er nie in die Rumänische Kommunistische Partei eintrat, ist zweifellos seiner fachlichen Kompetenz, seiner Geradlinigkeit und der daraus resultierenden Autorität zuzuschreiben, die ihm einen ungewöhnlichen Bekanntheitsgrad bis in die höchsten staatlichen Gremien hinein bescherte. Nicht weniger wichtig war dabei seine Bereitschaft, ideologische Vorgaben und Verordnungen der Partei und der kommunistischen Verwaltung zu akzeptieren und sich diesen unterzuordnen, denn nur durch das Vertrauen dieser Institutionen konnte er seinen Handlungsspielraum und seine Funktionen behalten.

Hans Gerhard Pauer

Schlagwörter: Pädagoge, Mediasch, Jubiläum

Bewerten:

237 Bewertungen: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.