20. Juli 2014

Wanderwochenende der Landler in Bad Goisern

Unter dem Motto „Die (UR)HEIMAT der Evangelischen erwandern“ fand vom 4.-6. Juli das nun schon 5. traditionelle Wanderwochenende der Landler in ihrer Urheimat Bad Goisern statt. Dank der Organisatoren Christl und Herbert Kefer, Renate Bauinger-Liebhardt und mit Unterstützung des Evangelischen Bildungswerks Oberösterreich und Bad Goisern sowie der Gemeinde Bad Goisern am Hallstättersee erlebten ca. 150 Landler ein beeindruckendes Wochenende. Anlass war der 4. Juli 1734, der Tag, an dem vor rund 280 Jahren 264 Personen aus dem Salzkammergut ihre Heimat verlassen mussten, weil sie ihren evangelischen Glauben nicht aufgeben wollten. Das angedachte gemütliche Beisammensein entpuppte sich als Treffen mit und unter Freunden; vor allem aber freuten wir uns über den Besuch aus Siebenbürgen, den wir überraschend dort antrafen.
Trotz unterschiedlicher Dialektfärbungen fühlte man sich wohl und genoss das Miteinander. Treffen wie diese sind Anlass und Grund, sich seiner Wurzeln zu besinnen, Traditionen besser zu verstehen und sie evtl. wieder neu zu beleben oder ihrer zu gedenken. Vieles, was in der Vergangenheit mit Skepsis und Unverständnis betrachtet wurde, wird im Laufe der Jahre klarer und wertvoller, und mit der eigenen Lebensweisheit kommt auch die Gewissheit, dass viele der gelebten Bräuche und Abläufe im Jahresrhythmus ihre Berichtigung hatten und wir uns vielleicht das eine oder andere zu eigen gemacht haben und danach leben.

Die geplante Wanderung zur Hütteneck-Alm fand trotz strömenden Regens statt. Der liebe Herrgott hatte ein wohlwollendes Auge auf die Landler und ihre Wege auf den Spuren ihrer Vorfahren, denn der Regen hörte auf und machte den Blick frei auf das beeindruckende Dachsteinmassiv. 120 Teilnehmer nahmen an einem zu Herzen gehenden Gottesdienst mit Pfarrer Wolfgang Rehner und Pfarrer Dieter Galter teil. Mit den Klängen der „Beriga Musi“ sowie begleitet vom Glockengeläute der Kühe auf der Alm nahm uns Pfarrer Rehner auf die Reise unseres Protagonisten Sepp mit. Dieser 23-jährige Mann geht den nun schon bekannten schweren Weg ins ferne Siebenbürgen. Über verschlungene Schicksalswege gelangt er zu den Eltern und Geschwistern nach Neppendorf – sein Grabstein auf der Südseite des Chorraumes der Neppendorfer Kirche ist vielen bekannt.

Nach einer herzlichen Begrüßung durch Renate Bauinger-Liebhardt und Herbert Kefer im Festsaal der Marktgemeinde Bad Goisern folgten Kurzvorträge von Christa Wandschneider, Frank Schartner und Renate Bauinger-Liebhardt. Das Grußwort der Gemeinde überbracht Bürgermeister Peter Ellmer, der uns zusicherte, immer einen Platz und ein Ohr für die Landler zu haben.
Berggottesdienst Hütteneck mit Pfarrer Wolfgang ...
Berggottesdienst Hütteneck mit Pfarrer Wolfgang Rehner (Ramsau) und Pfarrer Dieter Galter (Neppendorf). Foto: Frank Schartner
Christa Wandschneider referierte über die Entstehungsgeschichte der Maschinenfabriken Andreas Rieger AG in Herrmannstadt. Der Werdegang des Bauernsohnes aus Großpold, Andreas Rieger, bis hin zur Entstehung eines der bedeutendsten Unternehmen in Siebenbürgen, die „Maschinenfabriken And. Rieger AG“, zeugt von dem beeindruckenden Schicksal einer Landler-Familie. Leider fand dieses Unternehmen nach der Enteignung des Betriebes für die Familie ein jähes Ende. Später trug das Werk den Namen „Independența“ und wurde wie alle Fabriken in Rumänien verstaatlicht. Ganz wichtig jedoch war und ist für die Familie und Verwandtschaft die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Landler durch alle Generationen hindurch. Diese äußerte sich in der nie aufgegebenen Bindung zur Großpolder Verwandtschaft, im demonstrativen Anlegen der Landlertracht und der gegenseitigen Hilfeleistung in Not.

Frank Schartner berichtete über „Die Landler in Großau, das Mit- und Nebeneinander mit ihren sächsischen Nachbarn“. Im Laufe der vielen Jahre wuchs nach einer Zeit der Anpassung das gegenseitige Verständnis für die Andersartigkeit zwischen Sachsen und Landlern. Ein gut funktionierendes Regelwerk von gemeinsamen Abmachungen, bestimmten Abläufen im täglichen und kirchlichen Miteinander führte dazu, dass sich ein konstruktives Miteinander in Großau entwickelte. Im Laufe einiger Generationen entstand eine blühende Dorfgemeinschaft, in der jede Gruppe ihre selbständige, spezifische Eigenart in Sprache, Tracht und Dialekt erhalten und pflegen konnte. Anschließend zeigte er eine Dia-Show, welche die Einzigartigkeit der siebenbürgisch-sächsischen und landlerischen Trachten in Großau dokumentierte.

Renate Bauinger-Liebhardt informierte uns über die Entstehungsgeschichte des Landlermuseums (feierliche Eröffnung am 27 Juni 1992) in Bad Goisern, die Hintergründe, die dazu geführt haben, in Österreich eine Begegnungs- und Identifikationsstätte für die drei Landlergemeinden Großpold, Großau und Neppendorf zu errichten. Es ist vor allem der Privatinitiative von Frau Lore-Lotte Hassfurther, Wien, zu verdanken, dass viele Gegenstände des täglichen Lebens, Trachtenstücke und Textilien der Landler in diesem Museum ausgestellt werden konnten. Es finden sich Zeugnisse und Dokumente aus der Zeit der Deportation und Aussiedlung, Briefe, Karten und Bildmaterial. Hier finden sich Angebote für spezielle Interessengruppen mit besonderen Bedürfnissen: Die Landler verlagerten ihre Gedenkfeiern und Treffen nach Bad Goisern, viele Ehrenamtliche der Gemeinde haben Gelegenheit, sich hier zu engagieren und den Erhalt des Museums aktiv zu gestalten. Das Besondere an diesem Museum ist zweifelsfrei die Tatsache, dass sich hier ein Kreis schließt. Die Geschichte der Landler in Siebenbürgen kommt nach Goisern: „Vom Aufbewahrungsort wird dieses Museum Erinnerungsort, ein Stück Heimat für viele Landler“.
Abendmahlsgottesdienst am 5. Juli. Foto: Frank ...
Abendmahlsgottesdienst am 5. Juli. Foto: Frank Schartner
Eva Hoffmann (ehemals Neppendorf) nahm die Gelegenheit wahr, sich nach 16 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit von ihren Aufgaben zu verabschieden und an Jüngere weiterzugeben. Zu Recht wurde sie von den Veranstaltern die „Mutter der Landler“ genannt, denn unermüdlich organisierte sie Treffen und warb in Österreich für das Verständnis der Geschichte der Landler. Eva Hoffmann dankte für das ihr entgegengebrachte Vertrauen und die Hilfestellung der HOGs und einzelner Personen der Landlergemeinden Großau, Großpold, Neppendorf sowie der Gemeinde Bad Goisern. Eine ganz besondere Begegnung und Gedenkveranstaltung unter dem Motto „Zukunft braucht Erinnerung“ im Jahre 2009 wird uns immer in Erinnerung bleiben. Zum ersten Mal nahmen prominente Teilnehmer beider Konfessionen teil und bezogen Stellung zu dem Geschehen in der Geschichte der Landler. Wir alle danken Eva Hoffmann auf diesem Wege für ihren Einsatz und ihre Hingabe, mit der sie sich der Sache der Landler gewidmet hat.

Musik, Tanz und Unterhaltung mit den „Fidelen Sunnseitlern“ rundeten dieses schöne Wochenende ab. Der Sonntagsgottesdienst am nächsten Tag sowie die gemütliche Ausklang im Hallenfest der Feuerwehr Goisern war ein schöner Abschied aus dieser nun schon zur Heimat gewordenen Gegend im Salzkammergut.

Christa Wandschneider, Großpold

Schlagwörter: Landler, Bad Goisern, Salzkammergut

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