8. April 2024

Bewegendes Kulturwochenende auf Schloss Horneck im Zeichen der Landler, von Aufbruch und Neubeginn

Vom 15. bis 17. März hat das Siebenbürgische Kulturzentrum auf Schloss Horneck ein vielseitiges Kulturprogramm zum Thema „Aufbruch und Neubeginn“ angeboten. Zum KulturWochenende kamen zahlreiche Mitglieder des Schlossvereins, auch neue Gäste von nah und fern, unter ihnen erfreulich viele Landler.
Am Freitag begrüßte Helge Krempels, der Vorsitzende des Schlossvereins, im Festsaal „Johannes Honterus“ die Teilnehmenden sowie die Ehrengäste Dr. Vlad Vasiliu, Generalkonsul Rumäniens in Stuttgart, Harry Lutsch, Vorsitzender des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen, mehrere Vertreter des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dr. Ulrich Andreas Wien, Vorsitzender des Hermannstädter Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, Dr. Heinke Fabritius, Kulturreferentin für Siebenbürgen am Siebenbürgischen Museum Gundelsheim, Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, Ehrenvorsitzender des Schlossvereins, den siebenbürgischen Pop- und Rockstar Ricky Dandel, den Maler und Kulturpreisträger Gert Fabritius, den Pfarrer Michael Gross, den Medizinalrat Dr. Thomas Ziegler aus Österreich und Heinz Hugo Lahni aus Brüssel (European Commitee of Regions).

Krempels verwies darauf, dass das Kulturwochenende ein Gemeinschaftswerk sei, und bedankte sich bei den Kulturpatinnen Heide Schneider und Heidrun Negura für ihre finanzielle Unterstützung. Sein Dank ging auch an die siebenbürgischen Referenten und Künstler, die alle auf Gagen, einige auch auf die Erstattung von Fahrt- und Übernachtungskosten verzichtet hatten. Sie wurden als Schlosskünstler (Georg Ongert, Heinz Acker) oder Schlossreferenten (Michael Gross, Konrad Gündisch, Helga Lutsch) geehrt. Den Schlosspaten Krista und Dieter Faber wurde für ihren Beitrag zur Erhaltung des Schlosses gedankt, dem Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland für die erste Spende zur erforderlichen Dachrenovierung (5 000 Euro). Die Ausstellung „Siebenbürgische Trachtenlandschaft in Miniatur“ im Flur vor dem Festsaal erstellte Karl Untch ehrenamtlich, mit über 20 Trachtenpuppen in siebenbürgischer und landlerischer Tracht, mit Bibeln, Gebetsbüchern und Trachtenschmuck der Landler – eine Augenweide für alle Besucherinnen und Besucher. Durch das Programm führte charmant die junge Franziska Fleischer, Mitglied des Schlossvereins.

Aufbruch und Neubeginn der Siebenbürger Sachsen: Zeitreise ins Mittelalter

Das Musikerehepaar Kerstin und Rupert Bopp (u. a. Auftritte im Mozarteum Salzburg) trat in historischen Gewändern auf und stimmte das Publikum mit Mittelalterlichen Klängen zeitlich auf das 12. und 13. Jahrhundert ein. In mittelhochdeutscher Sprache wurden die Merseburger Zaubersprüche, Liebeslieder von Walther von der Vogelweide und ein Troubadourenlied in okzitanischer (altfranzösischer) Sprache vorgetragen. Instrumente wie Laute, Geige, Portativ, Tamborello, Bass-Trommel und Maultrommel kamen zum Einsatz.
Mittelalterliche Klänge, zu Gehör gebracht von ...
Mittelalterliche Klänge, zu Gehör gebracht von Kerstin und Rupert Bopp. Foto: Hans Günter Zerwes
Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch referierte zur Einwanderung der Siebenbürger Sachsen, wobei der „Goldene Freibrief“, das Andreanum, im Fokus stand. Der Freibrief wurde auf Pergament geschrieben, das königliche Siegel in Wachs gedrückt. „Golden“ ist er in seiner Bedeutsamkeit für die Siebenbürger Sachsen. In der vom ungarischen König Andreas II. im Jahr 1224 ausgestellten Urkunde wird elfmal der Begriff „Libertas“ verwendet. Er umschließt persönliche Freiheit, Eigenkirchlichkeit, Gruppenautonomie, das Recht, eine politische Gemeinschaft zu bilden und somit „ein Volk zu sein“ (unus sit populus), u.v.m. Im Andreanum wird auch erwähnt, dass die Privilegierten vom ungarischen König Geisa/Géza II. (1141-1162) gerufen worden sind.

Nach dem Vortrag wurde von der beliebten Musikgruppe Dē Lidertrun siebenbürgisch-sächsisches Liedgut präsentiert. Hans und Angela Seiwerth, Karl-Heinz Piringer und Michael Gewölb führten die Zuhörer mit dem „Ostfahrerlied“ ins mittelalterliche Siebenbürgen. Die erste Liedstrophe wurde im flämischen Dialekt gesungen. Es folgten: das „Rokenlied“, „Kut ihr Legd“, „Honnes Mohler“. „Än Freck af der Bräck soß en Mäck“ wurde von Prof. Heinz Acker komponiert. Bei dem Lied „Kli weld Vijelchen“ und dem abschließenden „Owend es et worden“, sang das Publikum beherzt mit.

Mit dem Abendessen in der Veranda Weinland und gemütlichen Beisammensein mit Musik, Mitsingen und fröhlicher Stimmung fand der erste Tag des Kulturwochenendes seinen Ausklang.

Schlossführungen und Führung durch die Musikgeschichte

Thematische und sehr professionelle Schlossführungen begeisterten die Gäste. Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch bot bei der historischen Führung Einblicke in die Geschichte des Schlosses, die Zeit des Deutschen Ordens, die zahlreichen Neuanfänge, die verschiedenartigen Nutzungen des Schlosses im Laufe der Zeit. Zum Umbau des Schlosses zum Kultur- und Begegnungszentrum vermittelte Dr. Axel Froese viele interessante Details zur Planung und Umsetzung. Dr. Horst Müller führte in die Maschinenhalle im Burggraben, die eine der ältesten funktionsfähigen Heizungsanlagen Deutschlands beherbergt. Prof. Heinz Acker berichtete, wie immer leidenschaftlich und mit viel Wissen über die Musikgeschichte Siebenbürgens im Musiksalon „Irtel.

Anfang und Neubeginn: Deportation der österreichischen „Landler“ nach Siebenbürgen

Der zweite Teil des Kulturwochenendes begann mit einem Kurzvortrag von Konrad Gündisch über eine besonders wertvolle „Kurfürstenbibel“ aus dem Jahr 1641 und ihre Wege von Nürnberg ins Salzkammergut, nach Siebenbürgen und dann in die Nähe von München. Bilder aus der Bibel zeigen drei sächsische Kurfürsten, Herzoge, Landkarten und deuten auf den Wert dieser Bibel hin. Gündisch berichtete über den Schmuggel reformatorischer Bibeln und Gebetsbücher ins katholische Österreich und den 2017 angelegten „Weg des Buches“ auf den Spuren der Geheimprotestanten in den habsburgischen Erblanden.
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2. Landlergeschichte im Fokus: Dr. Andreas Ulrich Wien referiert über die Deportation der Landler, im Hintergrund Landlertrachten aus den drei Ortschaften: Großau, Neppendorf und Großpold. Foto: Hermann Depner
Dr. Andreas Ulrich Wien referierte lebendig und professionell über die Deportation und den Aufbruch der später „Landler“ genannten Protestanten aus Österreich nach Siebenbürgen im 18. Jahrhundert. Die katholische Gegenreformation im 16., 17. und 18. Jahrhundert richtete sich gegen die mehrheitlich protestantisch gewordene Bevölkerung in den österreichischen Erblanden. Die offiziell als „Transmigration“ bezeichnete Deportation erfolgte in drei Etappen: 1734-1737, 1752-1757 und 1773-1776. Die Landler wurden in Neppendorf, Großau und Großpold angesiedelt, wo die sächsische Bevölkerung stark dezimiert war durch Kriege und Seuchen. Sie integrierten sich allmählich in die sächsische Gemeinschaft, behielten aber ihren Dialekt, ihrer Tracht und ihrer Sitten.

Nach dem Vortrag begrüßte eine Landlergruppe das Publikum. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Tracht und Mundart aus den drei Landlergemeinden wurden sehr einfühlsam von Dagmar Baatz vorgestellt. Sie selbst trug eine Großauer Frauentracht mit gehäkeltem Spitzenhäubchen. Bewegend auch die vielen Landler im Saal und die vorgestellten landlerischen Ausdrücke mit ihren Ursprüngen.
Landler in Tracht aus Großau, Neppendorf und ...
Landler in Tracht aus Großau, Neppendorf und Großpold auf der Bühne im Festsaal. Foto: Hermann Depner
Es folgten Landlerlieder mit der Lidertrun und dem von Karl-Heinz Piringer geleitetem Landlerchor. Die Lieder „Zwei Sterndl am Himmel“, „Die Sonne geht unter“ und „Übers Bachl bin i sprungen“ bewegten nicht nur alle Landler zum Mitsingen, sondern berührten die Herzen aller Gäste.

Aufbruch und Neubeginn in der Bibel

Als Auftakt verzauberte das Duo Bopp wieder mit „Mittelalterlichen Klängen“ das Publikum. Der kristallklare Sopran von Kerstin Bopp, einfühlsam begleitet durch Rupert Bopp, bewirkte Gänsehautgefühl, besonders bei dem spanischen „Marienlied“.

Pfarrer Michael Gross aus München referierte über „Anfang und Neubeginn in der Bibel“. Das Alte Testament ist voller Erzählungen, die von Aufbruch und Neubeginn künden. In anschaulicher Art und mit Bezug zum Hier und Heute erläuterte Gross biblische Geschichten. Abraham, Isaak und Moses sprachen zu ihrem Volk über Aufbrechen und die Hoffnung auf ein Ankommen. Zuhörer im Saal konnten einen eigenen Bezug dazu finden.

Die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen nach Amerika

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Europa wieder eine große Aufbruchszeit. Amerika lockte und viele wagten den Neubeginn auf einem neuen Kontinent. Dieser Programmpunkt wurde mit klassischer Musik aus der „Neuen Welt“ eingeleitet, gespielt vom Eybler-Trio aus Nürnberg (Georg Ongert, Violoncello; Ira Teiwes, Violine; Wolfrun Brandt-Hackl, Viola). Sie begannen mit einem Stück von Andreas Schuller aus Schaas, der um 1900 nach Amerika ausgewandert war, und setzten mit Musik aus Europa und aus der Neuen Welt (Kolumbien, Argentinien, Brasilien) fort.

Es folgte der Vortrag der Agnethlerin Helga Lutsch: „Die Auswanderung der Siebenbürger Sachsen nach Amerika nach 1900, am Beispiel Agnetheln“. Die ehemalige Gymnasiallehrerin belegte durch fundierte Recherchen die Auswanderung der Agnethler nach Amerika mit Zahlen. Diese teilten das Schicksal anderer Europäer, die sich wegen Überbevölkerung, Kinderreichtum, Boden- und Wohnraumknappheit zur Arbeitssuche nach Übersee aufmachten. Durch ihre Arbeit in der Neuen Welt konnten sie Geld verdienen, entweder wieder in die Heimat zurückkehren oder sich in der Neuen Welt eine Existenz aufbauen. Einzelne Schicksale kamen zu Wort: z. B. bestieg Johann Brenner zusammen mit vielen anderen Siebenbürger Sachsen das schnelle Linienschiff „Kronprinz Wilhelm“ in Bremerhaven, das dann acht Tage später New York erreichte. Ansässig wurde er in Youngstown/Ohio, wo es auch heute noch einen „Saxon Club“ gibt, der von Nachkommen siebenbürgischer Einwanderer gegründet wurde.

Musikalische Zeitreise in die Pop-, Rock- und Schlagerwelt

Zum Abschluss des zweiten Tages folgte als Highlight der Auftritt von Ricky Dandel. Dr. Richard Dandel studierte Deutsch und Englisch. Er bezeichnet sein Leben als eine Symbiose von Schule und Singen. Er stand in großen Konzertsälen auf der Bühne und gewann bei Landeswettbewerben Rumäniens, aber auch bei internationalen Musikwettbewerben Auszeichnungen und Preise. Beim Schlosskonzert führte Ricky Dandel das Publikum auf eine musikalische Zeitreise durch die Pop- & Rock- & Schlagerwelt.
Ricky Dandel begeistert sein Publikum. Foto: ...
Ricky Dandel begeistert sein Publikum. Foto: Hermann Depner
Das Repertoire war weit gefächert. Die Darbietung begann mit zwei sächsischen Liedern „Bäm Hontertstreoch“ und „Moren mess ech Schaaß verläßen“. Über „Marmorstein und Eisen bricht“, „Merci Cherie“, ein Beatles-Medley und CCR ging es über zu bekannten Pop- und Rock`n`Roll-Hits, bei denen er auch immer wieder zu seiner E-Gitarre griff. Ricky Dandel sang sich in die Herzen der Zuschauer. Er berührte mit seinem gefühlvollen Auftritt und rockte den Saal. Das Publikum klatschte, sang, tanzte, fühlte sich wieder jung. Das Lied „Über sieben Brücken musst du gehen“ wurde umgewandelt zu „Über Siebenbürgen musst du gehen“. „Es ist, als wäre man wieder zu Hause“, bedankte sich Ricky Dandel, der Erfolg eines Auftritts liege auch beim Publikum, es sei das größte Geschenk, die Herzen der Menschen zu erreichen.

Der Tag fand seinen Ausklang beim Abendessen im Jugendstilsaal. Für gute Musik sorgte wieder die Lidertrun, ebenso Hans Rastel und Jürgen aus Siebenbürgen. Bei bester Laune wurde bis spät gefeiert, gesungen und getanzt.

Am Sonntagmorgen fand zum Ausklang im Festsaal eine Andacht mit Pfarrer Michael Gross statt, eingeleitet vom Klang der Heltauer Kirchenglocken. Auch hier wurden Aufbruch und Neubeginn zum Thema. Pfarrer Gross behandelte das Thema mit bekannter Lebendigkeit und Tiefgründigkeit. Aufbruch und Neubeginn sind Sinnbilder unseres Lebens, für jeden Einzelnen und unsere ganze Gemeinschaft, als Weg mit offenem Ausgang, auf dem wir dennoch Zuversicht haben dürfen. Heinz Acker begleitete die Gottesdienstlieder auf dem Klavier. Dieses Wochenende wird allen Gästen als ein schönes Fest in Erinnerung bleiben. Ein herzlicher Dank gilt den Organisatoren dieser Veranstaltung. Heidi Negura, Herz und Seele des Schlossvereins, hat zusammen mit ihrem Team wieder ein interessantes und ansprechendes Programm zusammengestellt, in dem sich Vorträge und künstlerische Einlagen gekonnt ergänzten. Danke auch den Künstlern, den Schlossführern, Kulturpaten, Sponsoren, Bäckerinnen, Küchenhilfen, den vielen Helfern im Hintergrund, deren Mithilfe im Wesentlichen zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen hat.

Krista Beer

Schlagwörter: Schlossverein, Schloss Horneck, KulturWochenende, Landler, Dandel

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