10. Juni 2014

Mit schwa’m Herzen und mit Hoamweh trin: Chronologie des Gedenkens an die Einwanderung der Landler

Die heutige Verbindung der Landler zu ihrer Urheimat Bad Goisern im Salzkammergut will die nachfolgende Chronologie des feierlichen Gedenkens an die Einwanderung der Landler nach Neppendorf erklären. Das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich und die Marktgemeinde Bad Goisern laden auch heuer wieder zur traditionellen Wanderung und zum gemeinsamen Feiern nach Bad Goisern ein. Im Rahmen des Veranstaltungswochenendes vom 4. bis 6. Juli wird auch der 280-jährigen Transmigration der Evangelischen aus dem Salzkammergut nach Siebenbürgen gedacht (Programm siehe in einem separaten Artikel in der heutigen SbZ Online).
Es war der 20. August 1834, hundert Jahre nach den Deportationen der Evangelischen aus dem Salzkammergut im Jahre 1734, als zum ersten Mal der Einwanderung der Landler in Neppendorf gedacht wurde. Der damalige Pfarrer Josef Ettinger erachtete es als notwendig, sowohl den Nachkommen dieser Einwanderer als auch der sächsischen Bevölkerung die Gründe der Ansiedlung nahe zu bringen, da diese aus der Erinnerung der Menschen verschwunden waren. Am 13. Sonntag nach Trinitatis las Pfarrer Ettinger den Besuchern des Vespergottesdienstes die von ihm verfasste „Kurze Geschichte der ersten Einwanderung österreichischer evangelischer Glaubensbrüder nach Siebenbürgen“ vor. Nach einer ergreifenden Schilderung der Gründe, die zur Deportation geführt hatten, und den anfänglichen Schwierigkeiten, mit denen sie in Siebenbürgen zu kämpfen hatten, konnte er den in der Kirche Versammelten auch eine gute Nachricht überbringen: Nach nur 100 Jahren konnten die Abkömmlinge der einst Zwangsvertriebenen laut einem offiziellen Bericht aus dem Jahre 1833 „den armen bedrängten frommen Gemeinden evangelischer Confession (…) in Hallstatt und Obertraun besondere Schulen einrichten und an beiden Orten tüchtige Schullehrer anstellen (…)“ und diese „wie die Seelsorger unterstützen (…)“. Dass man ihnen diese Hilfe gewähren konnte, war möglich geworden durch das Toleranzedikt Kaiser Josephs II. von 1781 und dank ihrer bewahrten seelischen Verbundenheit mit der Urheimat.

Die zweite Erinnerungsfeier fand am 2. September 1934 in Neppendorf statt. Im Mittelpunkt stand der Festgottesdienst mit der Festpredigt des Stadtpfarrers Dechant Otto Piringer, selbst ein Großpoldner Landler. Mit einer bewegenden Predigt gedachte er in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche der vor 200 Jahren aus ihrer Heimat vertriebenen Christen: „Ja, liebe Brüder und Schwestern, hatten denn diese Menschen keine Heimat? Waren es vaterlandslose Abenteurer (…), waren sie nirgends verwurzelt mit Blut und Boden? Waren es Ausgestoßene der menschlichen Gesellschaft, die in der Welt umherirrten, um irgendwo zu landen? Nein! Nein! Sie hatten eine Heimat, wie man sie sich nicht schöner wünschen kann. Altkurator Sepp Reisenauer beschreibt derer seelischen Zustand bei ihrer Abreise auf dem Schiff vom Hallstätter See so: Mit schwa’m Herzen und mit Hoamweh trin,/ schauns aufi afs Bergl, wo ia Heisl is pliem./ As Wossa treibt’s weita und wiard owall meh,/ schon sehens niama an Dachstein im Schnee.“ Dechant Otto Piringer ging auch auf das Befinden der einheimischen sächsischen Bevölkerung ein. Für die Sachsen seien nicht nur die Ankömmlinge fremd gewesen, sondern auch ihre Sprache, das Landlerische. Daher habe es Verständigungsschwierigkeiten gegeben. Zudem hätten sie eine andere Tracht getragen und auch andere Sitten und Bräuche gehabt. Es sei daher kaum verwunderlich, dass es manche Missverständnisse gegeben habe. Als Gemeinsamkeit verbunden habe sie der sächsische Luther-Glaube, der auch der Landler-Glaube sei. Anlässlich dieses Gedenktages erschien das Buch „Erinnerungsblätter“ zur 200-Jahr-Feier der Einwanderung der Landler in Neppendorf, herausgegeben vom Presbyterium der ev. Kirchengemeinde A.B. Neppendorf in Rumänien. Gedruckt wurde es in der Honterus Buchdruckerei Hermannstadt.

Sonntag, der 2. September 1984, stand für die Gemeindeglieder der Kirchengemeinde Neppendorf ganz im Zeichen festlicher Freude. Unter dem Motto „Seit 250 Jahren Landler in Neppendorf“ wollte man der Ereignisse von 1734 gedenken, aber auch daran erinnern, was die Ansiedlung der Landler für Neppendorf bedeutete. Für diesen Tag hatte das Presbyterium umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Ein Faltbogen, der die Baugeschichte der Neppendorfer Kirche beinhaltete, wurde in Rumänisch und Deutsch gedruckt. Man dachte dabei auch an die handgestickten und genähten Wandbehänge, die leider nur noch in den Schränken lagerten und bei dieser Gelegenheit gezeigt werden konnten. An die Kirchentracht wurde auch gedacht und dafür wurden Trachtenpuppen angefertigt. So kam der Wunsch auf, eine Ausstellung zusammenzustellen, wie sich das kirchliche Leben in der Vergangenheit bis in die Gegenwart entfaltet hatte. Dazu stellten Gemeindeglieder Bilder und Fotografien zur Verfügung, die das Gemeindeleben in Bruder- und Schwesternschaft, Wirtschaft und Kulturvereinen, Schule und Kindergarten veranschaulichten. Es konnte auch je ein sächsisches und landlerisches Zimmer ausgestellt werden, ebenso ein traditioneller Christleuchter und ein schönes Baumodell der Kirche.

Der Festtag wurde schon am Vorabend mit der folkloristischen Darbietung einer österreichischen Volksgruppe im Großen Saal eingeleitet. Der eigentliche Festtag begann Sonntagmorgen, als sich zahlreiche Gemeindeglieder teils in den schönen Trachten vor dem Pfarrhaus einfanden. Mit herzlichen Worten begrüßte Pfarrer Heinz Galter Bischof Albert Klein mit Gattin und Landeskirchenkurator Hans Hermann. Der Bischof begrüßte seinerseits die Mitglieder des versammelten Presbyteriums von Neppendorf, die Abordnungen der beiden anderen Landlergemeinden Großau und Großpold. Um 9.00 Uhr riefen alle Glocken zum Festgottesdienst. Die Festpredigt hielt Bischof Albert Klein. Ortspfarrer Heinz Galter sprach den Segen und richtete ein Grußwort an die Gemeinde und Gäste. Weitere Grußworte sprachen Pfarrer Gebhart Dopplinger aus Gosau (Salzkammergut) sowie der Kurator aus Großau. Einen ökumenischen Gruß überbrachte ein katholischer Pfarrer aus Lenzing (Oberösterreich). Schließlich dankte Kurator Johann Schnell allen, die zu diesem Fest beigetragen hatten. Pfarrer Volker Petri aus Rosenau (Österreich) richtete im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich, Josef Ratzenböck, herzliche Grüße an die Kirchengemeinde Neppendorf. Anschließend gab es im Großen Saal ein gemeinsames Mittagessen. Schon im Hof empfing die Gäste unsere bekannte Blasmusikkapelle unter der Leitung von Hans Gärtz. Nachmittags fand noch eine Feierstunde am Denkmal der gefallenen und vermissten Soldaten statt. Unter Leitung von Pfarrer Heinz Galter führte der Chor die Sprechmotette „Im Glauben treu und fest“ auf. Begleitet und umrahmt wurde diese Feierstunde mit Chorälen, gespielt von unserer Blasmusik. Zum Abschluss der Feierlichkeiten versammelte man sich abends wieder im Großen Saal. Das Festprogramm bestritt die Neppendorfer Blasmusik. Es gab aber auch humoristische Einlagen. Die Singgruppe unter der Leitung von Michael Reisenauer ergänzte das Programm mit volkstümlichen Liedern.

Nach nur 20 Jahren war in Neppendorf nichts mehr so wie einst. Die Auswanderungswelle der 1990er Jahre war abgeschlossen. Die Kirchengemeinde war von 3661 Gemeindegliedern im Jahre 1984 auf 114 im Jahre 2004 geschrumpft, also war an eine Gedenkfeier in größerem Maße nicht mehr zu denken. So beschlossen die einstigen Bewohner der drei Landlergemeinden zusammen mit Bad Goisern, gemeinsam des Ereignisses zu gedenken. Das Treffen fand unter dem Motto „270 Jahre seit der ersten Transmigration aus dem Salzkammergut nach Siebenbürgen“ am 14. und 15. August 2004 in der Urheimat statt. In der festlich hergerichteten ev. Kirche von Bad Goisern eröffnete Bürgermeister Aigner mit einem Willkommensgruß an die Gäste. Eva Hoffman brachte in ihrer Rede ihre tiefe Ergriffenheit zum Ausdruck, „dass wir uns heute in der evangelischen Kirche unserer Urheimat versammeln dürfen, um unser Erinnerungsfest gemeinsam zu feiern. Mein Dank geht an alle, die uns dieses ermöglicht haben“. Dies waren die Gemeinde und die evangelische Kirche von Bad Goisern. Der Schwerpunkt ihrer Rede lag auf der Geschichte der Zwangsumsiedlung. „Ob wir heute wohl noch nachvollziehen können, wie es diesen Menschen damals zumute war? Wir, die Nachkommen dieser Menschen, haben ja auch unsere Heimat verlassen – aber mussten wir? Oder wollten wir! Diese Frage kann und muss jeder für sich selbst beantworten.“

Eine materielle Wiedergutmachung ist den Landlern nicht gewährt worden. Eine ideelle Wiedergutmachung gelang dem Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer, der beim Treffen am 14./15. August 2001 in Bad Goisern den starken Glauben und die geleistete Aufbauarbeit unserer Urahnen in Siebenbürgen hervorhob: „Wir verneigen uns heute mit Respekt und Ehrfurcht vor Ihren Ahnen, die um ihren Glaubens Willen bereit waren, ihre Heimat zu verlassen (…). Es ist unsere gemeinsame Heimat Oberösterreich!“ Für diese späte Einsicht und die anerkennenden Worten bedanken wir uns aus tiefstem Herzen. Der erste Tag der Begegnung ging im Vereinssaal bei Tanzmusik und guter österreichischer Küche zu Ende. Den Festgottesdienst am Sonntagmorgen hielt Pfarrer Mathias Stieger, gebürtiger Großauer. Nach dem Mittagessen gab es eine von Kurator Herbert Kefer geführte Wanderung zum Predigtstuhl, zu jenem Ort in den Bergen, wo sich die Urahnen im Geheimen trafen, um das „reine“ Wort Gottes zu hören.

Das bisher letzte Erinnerungsfest fand zwischen dem 3. und 5. Juli 2009 in Bad Goisern unter dem Motto „Zukunft braucht Erinnerung“ statt und wurde vom Evangelischen Bildungswerk Oberösterreich in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde und Gemeinde Bad Goisern organisiert. Die Gemeinde Bad Goisern wollte diesmal die Landler und alle anderen Gäste auf eine ganz besondere Art begrüßen. Unter dem Titel „Sichtbar machen“ sollten die insgesamt 600 aus dem Salzkammergut vertriebenen Menschen ein Gesicht bekommen, indem Styroporköpfe mit Namensschildern in verschiedenen Schaufenstern der Gemeinde gezeigt wurden. Schon ab Mai wurden auch in Bad Ischl, Gosau, Hallstatt und Obertraun die Köpfe ausgestellt. Das Projekt sollte eine möglichst große Anzahl an Menschen erreichen und Toleranz und Verständnis füreinander wecken. „Diese Tage sollen auch ein Geschenk für die ‚Landler‘ sein, die sich über Jahrhunderte hinweg mit dem Salzkammergut verbunden gefühlt haben…“, schrieb Renate Bauinger als Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerks OÖ in ihrer Einladung. Den Festvortrag hielt Bischof Dr. Michael Bünker am Freitag in der evangelischen Kirche. Ergriffen folgten rund 500 Menschen seiner Auslegung über „Erinnerung und Versöhnung“. Der katholische Altbischof Aichern betonte in seiner Rede: „Die katholische Kirche war nicht unbeteiligt an dem, was hier bei der Deportation christlicher Mitbrüder, der Protestanten, damals an inneren und äußeren Verletzungen geschehen ist. Deshalb spreche ich für meinen Teil wirklich bereiten und brennenden Herzens gerade hier in dieser Kirche die Entschuldigung aus, die Bitte um Vergebung.“ Es mag für uns Landler im Moment eine Genugtuung gewesen sein, doch ich glaube, dass alle Anwesenden längst ihren Frieden mit der katholischen Kirche gemacht hatten. Die Abendveranstaltung fand in der Halle der FF-Bad Goisern mit der Großauer Blasmusik statt. Unter den Klängen der Musikkapelle Untersee begann am Samstag der Festgottesdienst in der ev. Kirche von Bad Goisern. In seiner Predigt verwendete Mag. Manfred Sauer, Superintendent von Kärnten, als anschaulichen Vergleich der Situation der Transmigranten das Bild einer Skulptur mit Koffern in Ketten, gesehen in einer Ausstellung in Venedig. Den Nachmittag gestalteten der Großpoldner Chor, die Goiserer Schuhplattler und die Neppendorfer Blasmusik. Für eine gelungene Überraschung sorgte die sächsische Tanzgruppe aus Heilbronn mit der Aufführung des „Neppendorfer Landler“. Die Tänzerinnen zogen in der Neppendorfer Mädchentracht der 1950er Jahre zu den Klängen unserer Blasmusik in den Saal ein.

Eva Hoffmann

Schlagwörter: Landler, Gedenken

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