25. März 2013

Ein Bayer zieht nach Siebenbürgen

Das Urkundenbuch der Deutschen in Siebenbürgen betrifft nicht nur jene „Flandrenses“, die im hohen Mittelalter nach Siebenbürgen kamen. Auch im Spätmittelalter war Siebenbürgen ein attraktives Ziel für Auswanderer. Die Arbeit am Urkundenbuch wird unter der Leitung von Dr. Ulrich A. Wien durch den Projektmitarbeiter Dr. Martin Armgart am Universitäts-Campus Landau fortgeführt. Seit Ende 2012 sind 200 neue Urkunden hinzugekommen, darunter ein am 15. April 1499 in Bayern ausgefertigtes und heute im Hermannstädter Staatsarchiv liegendes Dokument, das einem Erdinger helfen sollte, Fuß zu fassen in Siebenbürgen.
Kämmerer und Rat der Stadt Erding hatten das schöne Pergamentstück ausfertigen lassen und mit dem großen Stadtsiegel beglaubigt. In Siebenbürgen wurde es schon sehnlich erwartet: Der aus Erding stammende „Wolfganngen Miltzel, wonend zu Slatna“ wollte im Bergbauort Schlatt (rumänisch Zlagna) sesshaft werden und hatte seine Freunde und Verwandte in der bayerischen Heimat mobilisiert, um ein „Führungszeugnis“ zu erhalten. Der Erdinger Rat berichtet, in seiner Sitzung seien „ettlich vnnser mitburger vnd annder“, fleißig bittend an ihn herangetreten, „irem frundt Wolfganngen Miltzel ... von seiner geburd wegen konntschafftbrief zu geben“. Der Stadtrat bestätigt in der Urkunde, dass Wolfgang der Sohn ihres verstorbenen Mitbürgers Hans und seiner noch lebenden Ehefrau Agnes sei. Von diesen Eheleuten wurde er „also eelich vnd fromicklich geborn“, habe sich „von jugent auf“ stets „fromicklich erzaiget“ und genieße also einen guten Leumund.
Kämmerer und Rat von Erding bestätigen dem in ...
Kämmerer und Rat von Erding bestätigen dem in Schlatt wohnenden Wolfgang Miltzel guten Leumund, 1499, Staatsarchiv Hermannstadt, U II Nr. 635. Foto: Thomas Șindilariu
Schlatt ist heute, zusammen mit den Nachbardörfern Abtsdorf, Rumänisch-Eibesdorf, Magarei und Bußthart (Wetscherd), Teil der Großgemeinde Bürgesch (Bârghiș).

Die Urkunde der alten bayerischen Stadt Erding, etwa 40 km nördlich von München gelegen, verweist auf den Stadtherrn Georg „den Reichen“, der von 1479 bis zu seinem Tod 1503 letzter Herzog der Linie Bayern-Landshut war. Er war wohlhabend und hatte die polnische Königstochter Hedwig geheiratet (bekannt durch „Landshuter Hochzeit“), starb aber ohne männlichen Erben und gab dadurch Anlass für den Landshuter Erbfolgekrieg. Sein Schwager, Hedwigs Bruder Wladislaw, war seit 1490 König von Ungarn und damit Landesherr Siebenbürgens.
Großes Stadtsiegel von Erding mit dem Stadtwappen ...
Großes Stadtsiegel von Erding mit dem Stadtwappen (Pflugschar), Umschrift in gotischer Minuskel: „sigillum opidum Arding“. Foto: Thomas Șindilariu
Erding, bekannt durch das Erdinger Weißbräu, den Flughafen im „Erdinger Moos“ und seit einigen Jahren durch Europas größte Therme, wurde zum 1. Januar 2013 zur großen Kreisstadt erhoben. Die Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist, 1464 geweiht, hat auch schon die Taufe des Auswanderers von 1499 gesehen.

Das Leumundszeugnis des bayerischen Auswanderers ist unter Nr. 5906, auch mit vollem deutschem Text, auf der Webseite des Siebenbürgen-Instituts unter http://siebenbuergen-institut.de/special-menu/e-transylvanica/urkundenbuch-zur-geschichte-der-deutschen-in-siebenbuergen-online/ zu finden.

S. B.

Schlagwörter: Geschichte, Siebenbürgen, Urkundenbuch

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