25. Februar 2012

Tandembuch der Universitäten Regensburg und Klausenburg

Ein Tandembuch? Nie gehört, den Ausdruck. Was ein Tandem ist, weiß man ja: ein Fahrrad für zwei Leute. Der Duden hat zwei weitere Bedeutungen im Angebot: „Wagen mit zwei hintereinandergespannten Pferden“ und „zwei hintereinandergeschachtelte Antriebe“. Aha. Der Einfachheit halber bleiben wir mal beim Fahrrad. Aber ein Tandembuch? Ein Buch für zwei Leute? Die womöglich gleichzeitig darin lesen? Wer hat sich das ausgedacht?
Das Tandembuch „Studierende in Deutschland schreiben über Rumänien – Studierende in Rumänien schreiben über Deutschland“ ist tatsächlich ein Buch, das viel mit der Zahl zwei zu tun hat. Es hat „zwei Gesichter“, was bedeutet, dass man es von zwei Seiten lesen kann – man muss es nur um- und auf den Kopf drehen. Es hat zwei Herausgeber: die Universität Regensburg und die Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg. Geschrieben wurde es in zwei Sprachen (Deutsch und Rumänisch); pro Text sind jeweils zwei junge Leute verantwortlich – Studenten der genannten Unis, deren Standorte sich in den zwei unterschiedlichen Titelbildern im wahrsten Sinne des Wortes widerspiegeln. Ausgedacht hat sich das Ganze das Europaeum, das Ost-West-Zentrum der Universität ­Regensburg. Das Europaeum wurde 2000 gegründet und „hat die Aufgabe, als zentrale Einrichtung den fächerübergreifenden Dialog zwischen dem östlichen und westlichen Europa in den Bereichen Forschung und Lehre anzuregen und zu fördern“, wie es auf der Homepage www.europaeum.de heißt. Ausdruck dieses Selbstverständnisses ist das vorliegende Tandembuch, Ergebnis eines deutsch-rumänischen landeskundlichen Tandemprojekts, das neben vorbereitenden Seminaren vor allem einen einwöchigen Rechercheaufenthalt in der Partnerstadt beinhaltete. Studenten der Universitäten Regensburg und Klausenburg fanden sich in Zweierteams zusammen, um gemeinsam jeweils ein landeskundliches Thema aus dem Herkunftsland des Partners zu bearbeiten und einen Essay darüber zu verfassen. Damit das Buch in Deutschland und Rumänien gelesen werden kann, wurden die Texte ins Deutsche bzw. Rumänische übersetzt und nebeneinander abgedruckt.
Die Themen sind vielfältig und aktuell. Die Regensburger Studenten haben sich unter anderem mit Klausenburg als Wirtschaftsstandort, seiner Kunst- und Kulturszene, der Einwohnerstruktur und der Situation der dort ansässigen Roma beschäftigt. Die durch den EU-Beitritt Rumäniens eingetretenen Veränderungen werden ebenso behandelt wie das rumänische Gesundheitssystem, die Stadtentwicklung und die Sicht der heutigen Bevölkerung Siebenbürgens auf die Siebenbürger Sachsen.

Die Studenten aus Klausenburg haben sich der traditionellen bayerischen Küche gewidmet, Religionsgemeinschaften, studentisches Engagement, die alternative Kunstszene und die Wirtschaftsförderung in Regensburg analysiert, über die Rolle des Tourismus und das Studenten-Theater geschrieben und – sehr speziell – die Regensburger Jugendpresse auf Anglizismen hin untersucht.

Prof. Dr. Rudolf Gräf, Leiter des Instituts für deutschsprachige Lehre und Forschung an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg, schreibt in seinem Vorwort zum Tandembuch begeistert über die 32 Kurztexte, dass sie „nicht nur durch ihre Informationsdichte auffallen, sondern auch durch ihren subjektiven Ton und leserfreundlichen Stil, der manchmal provokativ, aber jedenfalls konstruktiv zum Denken und Weiterdenken anregt“. Er konstatiert die „Etablierung einer neuen oder mindestens ,anderen‘ Reisekultur und gleichzeitig auch Reiseliteratur in Europa“.

Prof. Dr. Walter Koschmal zeigt sich ähnlich begeistert. Der Leiter des Europaeums fordert in seinem einleitenden Text „Wir brauchen viel mehr Tandembücher!“ und preist das Tandembuch als „Buchgattung der Gegenwart und Zukunft“, als „Buch des Vergleichs“ und „Grenzgänger“, als „Buch der ganz persönlichen Wahrnehmungen“ und „Modellbuch“ – kurz: als „europäischen Länder- und Reisebegleiter der Zukunft“. Ob es so weit kommt, bleibt abzuwarten. Was die Texte im Tandembuch aber so anders, so außergewöhnlich und darum so interessant macht, ist die Perspektive: der neue Blick auf das Vertraute durch die Augen eines „Fremden“. Die Studenten konnten Bekanntes mit dem Blick ihres Tandempartners neu betrachten und erfahren. Diese unmittelbare Erfahrungs- und Erlebnisebene spiegelt sich in ihren Texten und hinterlässt einen besonderen Eindruck beim Leser.

Wer Interesse am Tandembuch hat, kann am 6. März 2012 um 17.00 Uhr die Lesung im Festsaal des Deutschen Forums in Klausenburg besuchen oder es in der Geschäftsstelle des Europaeums, Telefon: (0941) 943-3896, Fax: (0941) 943-1764, E-Mail: mbox.kontakt [ät] europaeum.uni-regensburg.de, gegen einen Unkostenbeitrag von 7 Euro anfordern. Auf der Homepage www.europaeum.de steht es als pdf-Datei zur Verfügung.

Doris Roth

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