6. Februar 2011

Rudolf Hollingers "Feuerkrone": Im Kampf gegen die Türken

Eine der herausragenden Persönlichkeiten, die das Banat im 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, war Dr. Rudolf Hollinger. Im vergangenen Jahr wurde seiner in vielfacher Weise gedacht. Anlass war der 100. Geburtstag des in Temeswar geborenen und 1997 im süddeutschen Langenau verstorbenen Literatur- und Sprachwissenschaftlers, Hochschullehrers, Dichters und Dramatikers, der, wie die Ulmer „Südwest-Presse“ nach einem Lyrikabend mit Hollinger 1986 notierte, „mit seiner Lyrik, aber auch der Dramatik und Kurzprosa einen kleinen, wenn auch hier unbemerkten Glanzpunkt deutschsprachiger Literatur gesetzt“ hat.
Dank der Bemühungen von Dr. Hans Dama aus Wien um das Werk seines hochverehrten einstigen Lehrers fanden im Jubiläumsjahr 2010 zwei Theaterstücke Hollingers zum ersten Mal den Weg in die Öffentlichkeit. Zum einen nahm das Wiener „Pygmalion“-Theater das Künstlerdrama „Wenn sich die Wege nur kreuzen“ in seinen Spielplan auf und brachte es unter der Regie von Dan Stoica zur „Welturaufführung“ am 24. September 2010 in Reschitza, am Rande des zehnten Volksgruppensymposiums der deutschen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa, einer Tagung des Verbandes der Volksdeutschen Landsmannschaften in Österreich. Die Wiener Premiere fand dann drei Tage später statt. Zum anderen ist es Hans Dama gelungen, mit der „Feuerkrone“ erstmals ein dramatisches Werk Hollingers zu verlegen.

Bemerkenswert ist, dass dieses Vorhaben nicht in Deutschland Mitstreiter fand, sondern im Banat, wo nur noch eine kleine deutsche Minderheit lebt. Der Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“, der unter seinem rührigen Vorsitzenden Erwin Josef Țigla eine beachtliche, hierzulande leider viel zu wenig wahrgenommene Tätigkeit entfaltet, erkannte nämlich die kulturhistorische Tragweite des Unterfangens und brachte Hollingers Trauerspiel „Die Feuerkrone. Dózsas Kampf und Verklärung“ als 46. Band seiner Schriftenreihe heraus. Herausgeber des im Reschitzaer Verlag „Banatul Montan“ erschienenen Buches sind Hans Dama und Erwin Josef Țigla.

„Ich hätte Großes vollbringen können, aber die Umstände haben mich zum Verzicht gezwungen und in ein Zwergdasein gedrängt“, schreibt Rudolf Hollinger in seinen Aufzeichnungen. Gemeint sind die Umstände im kommunistischen Rumänien, die ihm in der Tat alles andere als gewogen waren. Nach dem Krieg war er zunächst stellenlos. Seine 1948 begonnene und 1971 beendete Hochschulkarriere erfuhr mit der Entlassung aus dem Schuldienst 1948 und abermals zehn Jahre später zwei folgenschwere Brüche. Dazwischen, von 1948 bis 1956 bzw. von 1958 bis 1962, musste der Intellektuelle sein Auskommen in einem Temeswarer Betrieb suchen. Genau diese Jahre der „inneren Emigration“ zeichnen sich durch ein äußerst produktives literarisches Schaffen aus. So entstand vieles an Schubladenliteratur: Gedichte, Kurzprosa, drei Künstler- und zwei historische Dramen. Als Dichter im eigenen Land totgeschwiegen, konnte erst nach Hollingers Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1980 ein ganz geringer Teil seines umfangreichen literarischen Oeuvres dank der Bemühungen von Hans Dama einem breiteren Leserpublikum zugänglich gemacht werden. Sämtliche Dramen mussten aber bisher die Regale der Österreichischen Nationalbibliothek hüten.

Der Stoff des historischen Trauerspiels „Die Feuerkrone“ ist der ungarische Bauernkrieg von 1514 unter der Führung des Reiteroffiziers Dózsa György (in der rumänischen Geschichtsschreibung: Gheorghe Doja), einem aus dem siebenbürgischen Dálnok (Dayla, rumänisch Dalnic) stammenden Szekler, der wegen seiner Verdienste im Kampf gegen die Türken vom ungarischen König in den Ritterstand erhoben worden war. Rudolf Hollinger berücksichtigt in hohem Maße den geschichtlich belegten Ablauf der Ereignisse in dem Zeitraum vom 16. April 1514, als der päpstliche Aufruf zum Kreuzzug gegen die Türken erstmals in Ofen (Buda) verkündet wurde, bis zu Dózsas Hinrichtung in Temeswar am 20. Juli 1514. Das Bühnengeschehen spielt in Gran (ungarisch Esztergom), dem Sitz des Primas von Ungarn, sowie – im 4. und 5. Aufzug – vor und in Temeswar. Einen guten Überblick über das historische Geschehen vermittelt Dr. Herbert Bockel in seiner Einleitung, welche die Gestalt des heute in Ungarn als Nationalheld verehrten Dózsa (der auch in der siebenbürgischen Geschichte eine wichtige Rolle gespielt hat), die Gründe des Bauernaufstandes und dessen Verlauf, die soziale Tragweite der Erhebung und deren Auswirkungen auf das ungarische Königreich und – vor dem Hintergrund der türkischen Expansion – auf ganz Europa verständlich beleuchtet. In einer kurzen Werkanalyse weist Bockel auf die „Pluspunkte“ des sich einer gewählten Sprache und des Blankverses bedienenden Stückes hin, die Hollingers dramaturgisches Talent unter Beweis stellen. Da jedes Drama seine wahre Bestimmung erst auf der Bühne findet, hätte man sich „die Vollendung der ‚Feuerkrone’ durch szenische, optische und akustische Darbietung und Wahrnehmung gewünscht“, schreibt Bockel. Doch dazu ist es bis heute leider nicht gekommen. Wünschenswert wäre es allemal, wenn das Deutsche Staatstheater in Temeswar, wofür Hollinger das Stück 1959 geschrieben und 1963 überarbeitet hatte, diesem zu seiner vollen Entfaltung verhelfen würde. Eine günstige Gelegenheit bietet sich 2014, wenn sich der von Dózsa angeführte Bauernaufstand zum 500. Mal jährt.

Walter Tonta

Rudolf Hollinger: Die Feuerkrone. Dózsas Kampf und Verklärung. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Hrsg. von Hans Dama und Erwin Josef Țigla. Mit einem Vorwort des Herausgebers Hans Dama. Einleitung von Herbert Bockel. Reschitza: Verlag „Banatul Montan“ (Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“; Bd. 46), 2010, 175 Seiten, ISBN 978-973-1929-36-1. Preis: 12,00 Euro, zuzüglich Versandkosten. Bestellungen in Deutschland bei: Dr. Herbert Bockel, Fuchsbauerweg 13, 94036 Passau, E-Mail: herbert.bockel[ät]t-online.de; in Österreich bei: Dr. Hans Dama, Starkenburggasse 8/15, 1160 Wien, E-Mail hans.dama[ät]gmx.at

Schlagwörter: Rezension, Theater, Banat

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