28. Januar 2002

Wolfgang Limbert: GTZ verstärkt in Siebenbürgen engagiert

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands mit Rumänien erreicht auch 2002 ein beachtliches Niveau und umfasst Messebeteiligungen, Delegationsreisen, Wirtschaftstagungen, Beratungs- und Fortbildungsprogramme für kleine und mittelständische Unternehmen, Herausgabe von Broschüren u.v.a. mehr. Darauf geht in einem Gespräch mit dieser Zeitung der Münchner Diplom-Kaufmann Wolfgang Limbert ein, der seit 1994 den Integrierten Beratungsdienstes für die Wirtschaft in Rumänien (IBD) in Bukarest koordiniert.
Ziel des Programms, das seit Anfang 2001 unter dem Namen Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung (WBF) läuft, ist Rumänien auf die Mitgliedschaft in die EU im wirtschaftlichen Bereich vorzubereiten. Die zahlreichen Projekte laufen über die Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und werden vom Bundesentwicklungsministerium finanziert.
In Hermannstadt laufen viele Fäden der deutschen Entwicklungshilfe zusammen. Der Stadt am Zibin kommt eine Pionierrolle zu, erläutert Limbert. Im letzten Jahr wurde hier nicht nur ein Tourismusverband gegründet, sondern auch ein Tourismusinformationsbüro eröffnet. Nun wollen auch Bukarest und Suceava nachziehen und Fremdenverkehrsbüros einrichten, die in anderen Ländern schon längst selbstverständlich sind. Ebenfalls in diesem Jahr wolle der IBD/WBF ähnliche Büros in Temeswar und Schäßburg einrichten.
"Wir wollen die einzelnen Städte Siebenbürgens zu einer Dachmarke zusammenfassen", führt der Wirtschaftsexperte aus. "Zunächst haben wir ein Leitbild von Hermannstadt entwickelt, das auch vom Tourismusverband mit entschieden und akzeptiert wurde." Jetzt gelte es Synergieeffekte durch Einbeziehung anderer Städte und Regionen zu erzielen. Mit Klausenburg (Cluj) und Neumarkt (Târgu Mures) sei man bereits im Gespräch, Kronstadt und die Fogarascher Berge wolle man im Auge behalten, aber auch Karlsburg (Alba Iulia), weil dort bereits das Westgebirge (Apuseni)-Projekt zum Thema Agrotourismus läuft. Über vielseitige Aktivitäten wie Tuica-Wettbewerbe, Broschüren und Internet will der IBD/WBF die Sehenswürdigkeiten bekannter machen. So werden 2002 eine Tourismusbroschüre Rumänien mit allen touristischen Regionen des Landes, zudem Broschüren einzelner Regionen (z.B. Bukowina) und schließlich eine Neuauflage des Wein- und Tourismusführers in deutscher und englischer Sprache herausgegeben.
Das Altstadtsanierungsprojekt in Hermannstadt, das umfangreichste Programm dieser Art in ganz Rumänien, führt der IBD unter der Einbeziehung der Bevölkerung und des lokalen Handwerks durch. Das Ganze diene dazu, den Standort Hermannstadt touristisch interessant zu machen, aber auch um Handwerk und Gewerbe im Bereich der Altstadt anzusiedeln und eine nachhaltige Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung zu erzielen. Die Sanierung allein könne das natürlich allein nicht schaffen, und deshalb werden in Hermanstadt verschiedene IBD-Projekte miteinander verknüpft, und zwar die Altstadtsanierung, der Bereich Tourismus und regionale Wirtschaftsförderung. 2002 werden ein so genannter „Industriepark“ und die entsprechenden Unterlagen fertig sein.
Bei der feierlichen Unterzeichnung der Städtepartnerschaft zwischen Landshut und Hermannstadt präsentiert der IBD am 12. April 2002 in der niederbayerischen Großstadt eine Broschüre über Hermannstadt, die deutschen Investoren einen Überblick über die Region und Attraktivität des Wirtschaftsstandortes bietet.

Einzigartige Kirchenburgen

Auch das Buch „Siebenbürgen im Flug“ mit Luftbildaufnahmen von Georg Gerster will der IBD demnächst in einer preiswerteren, englischen Version anbieten. Kirchenburgen, Moldauklöster und das Donaudelta seien nämlich einzigartige Attraktionen Rumäniens (unique selling propositions - USP), die international hervorgehoben und bekannt gemacht werden müssten, betont Limbert. Menschen der jungen Generation oder die nicht durch ihre Herkunft mit Rumänien verbunden seien, hätten keine Ahnung von den touristischen Höhepunkten Rumäniens, und daher müsse man darüber verstärkt Informationen anbieten.
Nachdem der IBD im letzten Jahr zu einem Programm aufgewertet wurde und wichtige Koordinierungs- und Serviceaufgaben übernommen hat, ist auch seine überregionale Präsenz erforderlich. So wurden eigene Büros in Hermannstadt, das Schwerpunktregion zu den Themen Wirtschaftsförderung und Tourismus ist, und in Suceava, der Anlaufstelle für die touristische Schwerpunktregion Bukowina, eingerichtet. In Kürze soll sich ein Experte des Centrums für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) in Temeswar niederlassen, um auch im Banat, das ebenfalls ein Schwerpunkt der IBD-Wirtschaftsförderung ist, Synergieeffekte zu erzielen.
Das umfangreiche Export- und Messeförderungsprogramme führt der IBD/WBF sowohl auf Wunsch des Rumänischen Ministeriums für Industrie und Ressourcen als auch der neu eingerichteten Außenwirtschaftsabteilung des rumänischen Außenministeriums in sieben Wirtschaftssektoren fort (siehe Kasten). Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Textil- und Bekleidungsindustrie, dem wichtigsten Exportsektor Rumäniens. Das Karpatenland konnte seine Spitzenposition in Mittel- und Osteuropa im letzten Jahr behaupten und den Abstand zum Zweitplatzierten, Polen, sogar ausbauen. „Für uns ist es ganz wichtig und erfreulich, dass rumänische Betriebe nicht nur im Bereich Lohnkonfektion im Wachsen sind, sondern vor allem auch immer mehr Kollektionen für den nationalen Markt und Export entwickeln", betont Limbert. Das habe der IBD/WBF jahrelang durch Messeprogramme, Designer- und Beratungsaktivitäten erzielt. Durch Beratung wolle man nun erreichen, dass die Produktivität der Textilbetriebe entschieden verbessert wird. Nur so könne Rumänien - angesichts der absehbarer Lohnsteigerungen auch in diesem Reformland - seine Spitzenposition behalten.

Postives Investitionsklima

Die wirtschaftliche Entwicklung Rumäniens ist nach Ansicht des IBD-Koordinators im letzten Jahres sehr positiv verlaufen. Die neue Regierung von Adrian Nastase habe wirklich Zeichen gesetzt. Die Arbeit der Ministerien und die konstante Besetzung von Schlüsselpositionen bedeuten einen großen Fortschritt im Vergleich zu früheren Regierungen, die Limbert seit 1994 in Bukarest erlebt hat. Das Investitionsinteresse an Rumänien sei wieder angewachsen, nachdem es im Jahr 2000 auf den absoluten Nullpunkt gesunken war. Auch Investoren, die schon in Rumänien tätig sind, bauen ihr Engagement aus. So will die Metro-Gruppe ihre Märkte von derzeit zehn Märkte in den kommenden zwei bis drei Jahren auf 20 Märkte ausweiten. Auch andere Unternehmen der Metro-Gruppe, wie der Praktiker, kommen nach Rumänien. Ein weiterer deutscher "Schlüsselinvestor", der Reifenhersteller Continental aus Hannover, wolle zusätzliche Produktionsbereiche in Temeswar ansiedeln. Das sei ein klarer Hinweis für die positiven Erfahrungen der Unternehmen.
Im letzten Jahr hat der IBD/WBF eine neue Studie zum Wirtschaftsklima in Rumänien erarbeitet, die der deutsche Botschafter demnächst dem rumänischen Ministerpräsidenten vorstellen wird. Anschließend soll die Studie veröffentlicht werden. Die Ergebnisse seien zwar stark vom Jahr 2000 geprägt, weil die Befragung Mitte 2001 ablief, aber grundsätzlich habe sich einiges ins Positive bewegt, stellt Limbert klar. Die Anreize für Investoren seien attraktiv geworden im osteuropäischen Vergleich, was sehr wichtig sei, damit Rumänien ein wettbewerbsfähiger Standort werde. Der GTZ-Experte befürchtet jedoch, dass unter dem Druck des Internationalen Währungsfonds (IWF) investorenfreundliche Gesetze in Rumänien wieder rückgängig gemacht werden könnten. Das würde Rumänien in einer empfindlichen Stelle treffen, nämlich der Rechtsunsicherheit bezüglich Investitions- und Wirtschaftsförderungsgesetze.

Italiener haben die Nase vorn

Für dieses Jahr erwartet Limbert einen Aufwärtstrend der rumänischen Wirtschaft, wenn die Regierung Adrian Nastase die Politik in der bisherigen Konstanz weiterführen werde. 2001 verzeichnete das Karpatenland ein Wachstum von 4 Prozent. Trotz schlechter Konjunktur in Deutschland sei zu hoffen, dass der Handel mit Deutschland zumindest auf dem gleichen Niveau bleibe. Der Abstand zu Italien, dem stärksten Handelspartner Rumäniens, sei im Vorjahr leider gewachsen. „Die Italiener sind einfach schneller und flexibler. 75 Prozent der Exporte in der rumänischen Schuh- und Lederindustrie gehen nach Italien und werden dann auf Umwegen vom deutschen Endverbraucher gekauft. Der gute italienische Schuh, den wir kaufen, wird in Rumänien gefertigt. Wir zahlen dafür ein Vielfaches und hätten die Schuhe vielleicht in direktem Kontakt etwas preiswerter haben können", bedauert Limbert.
Handlungsbedarf für Rumänien sieht Limbert bei der Standortinformation im Ausland. Während Polen, Ungarn u.a. drei- bis viermal im Jahr mit Beilagen im Handelsblatt, der FAZ oder anderen Publikationen präsent sind, hat Rumänien diesbezüglich einen absoluten Nachholbedarf. Es sei ein „Unding“, bedauert Limbert, dass der IBD als einzige Einrichtung einmal im Jahr ein Rumänien-Sonderheft der Zeitschrift Ost-West-Contact herausgibt, so auch 2002, während Rumänien selbst nichts in dieser Richtung unternimmt. Auch die teilweise umfassenden Internetseiten über das Land müssten exakter gepflegt und aktualisiert werden.
Der IBD leistet gerne Lobbyarbeit, wenn es darum geht bürokratische Prozesse für deutsche Investoren zu beschleunigen. Überhaupt sei die Bürokratie eine der größten Bremsen in Rumänien, Arbeitsabläufe und Informationssammlungen müssten daher schrittweise vereinfacht werden, so Limbert. In der erwähnten IBD-Studie zum Wirtschaftsklima wird der Bereich Bürokratie denn auch stark kritisiert. Diesbezüglich arbeitet der IBD/WBF mit dem International Investor Club zusammen, um auf rumänische Institutionen einzuwirken. Der IBD sucht grundsätzlich Themenbereiche, die wichtig für den Standort Rumänien sind, und versucht sie zu verbessern, um das Karpatenland als Investitions- und Wirtschaftsstandort, aber auch vom Image her voranzubringen, so Limbert. Dabei habe das Land durchaus einiges zu bieten, da es etwa von der Mentalität, Tradition und Sprache her mit Deutschland vielseitige Verbindungen habe, die andere Länder Südosteuropas nicht vorweisen könnten.
Einen positiven Effekt hat der IBD erzielt, indem es mit dem rumänischen Ministerium für Prognose und Entwicklung im letzten Jahr ein Verbindungsbüro für deutsche Investoren errichtet hat. Das kleine, deutschsprechende Team wird auf Wunsch deutscher Unternehmer aktiv. Gemeinsam mit dem Deutschen Verbindungsbüro wird der IBD/WBF in diesem Jahr einen neuen Investitionsführer herausgeben, der über die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Investoren informiert und damit die Tradition des inzwischen eingestellten Wirtschaftsinformationsbüros Rumänien (WIR) fortführt. Ebenfalls für 2002 ist eine überarbeitete Broschüre zum Thema Finanzierung geplant - mit aktuellen Informationen über Banken, Institutionen, Fördermittel, die bei Geschäftstätigkeiten in Rumänien zur Verfügung stehen.

Tagungen und Delegationsreisen

2002 sind mehrere Delegationsreisen deutscher Unternehmer nach Rumänien geplant, z.B. im September eine zur Exportmesse Exposib in Hermannstadt, die traditionell gemeinsam mit dem Deutsch-Rumänischen Wirtschaftskreis (DRW) organisiert wird. Ebenfalls mit dem DRW ist die Teilnahme an der Exporeal-Messe in München mit einem Rumänientag für den 28. Oktober vorgesehen. Die Messe befasst sich mit der Vermarktung von Standorten, Büros/Produktionsbereichen und Gewerbezentren. Eine Delegation des Bayerischen Wirtschaftsministeriums wird noch in diesem Jahr Bukarest und voraussichtlich Hermannstadt besuchen.
Wirtschaftstagungen werden oft in Zusammenhang mit Messen in Deutschland organisiert. Ein erstes Rumänien-Heimtextil-Forum organisierte der IBD/WBF gemeinsam mit der Schweizer Entwicklungsfördergesellschaft Sippo bereits am 10. Januar auf der Heimtextilmesse in Frankfurt, eine zweite Rumänien-Veranstaltung ist für den 1. Februar auf der Herrenmodewoche in Köln geplant. Neu ist auch ein Rumänien-Forum auf der ProWein, ein großer rumänischer Wirtschaftstag findet traditionell auf der Hannover Messe Industrie statt, wobei als wichtiger Partner der BDI-Ostausschuss gewonnen wurde. Neu sind zwei Veranstaltungen auf der CeBIT: eine Osteuropa-Veranstaltung, zusammen mit dem großen IT- und Softwareverband in Deutschland, BITOKM, ferner einen Wirtschaftstag auf der der Partnerveranstaltung am 12. April in Landshut sowie die traditionelle Wirtschaftstagung Rumänien zum Thema Investitionsgüterindustrie am 21. Juni in Würzburg. Zudem sind Aktivitäten auf der Tourismusmesse in Berlin sowie zwei Delegationsreisen aus Rumänien zur Zulieferermesse „Z“ in Leipzig und Automechanika in Frankfurt geplant.

Kooperationspartner gesucht

Als eine besondere Bereicherung empfindet Limbert die Zusammenarbeit des IBD mit anderen Organisationen, die sich für eine Intensivierung der deutsch-rumänischen Beziehungen einsetzen. So flankiere man beispielsweise die Partnerschaften zwischen Hermannstadt und Landshut sowie Klausenburg und Köln. Auch flankierende Maßnahmen für die angestrebte Städtepartnerschaft zwischen Schäßburg und Dinkelsbühl kann sich der GTZ-Experte durchaus vorstellen. "Wenn in Städten und Kommunen schon engagierte Menschen tätig sind, sollte man dieses Potential nutzen. Denn: wer einen zusätzlichen Wagen an einen fahrenden Zug anhängt, macht den Zug um so länger und attraktiver", meint Limbert.
Eng arbeitet der IBD/WBF bereits mit dem Verbindungsbüro der L-Bank in Stuttgart, das viele Investoren aus Baden-Württemberg nach Rumänien beratend begleitet hat. Auch mit dem Deutsch-Rumänischen Forum in Berlin, das von der engagierten SPD-Bundestagsabgeordneten Susanne Kastner geleitet wird, will der IBD die Zusammenarbeit im Bereich Umweltschutz und durch Delegationsreisen nach Rumänien ausbauen. Schließlich plant der IBD demnächst einen eigenen Internetauftritt, um auch auf elektronischem Wege deutsch-rumänische Termine und Informationen anzubieten.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 4)

Weitere Infos: GTZ-Programm für die Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung (IBD/WBF), Wolfgang Limbert, Complexul Expozitional Romexpo, Bulevardul Marasti nr. 65-67, Pavilion 34, RO-Bucuresti, Telefon: +40-1-224 -3753 oder +40-1-224-1752 oder +40-1-224-1753, Fax: +40 1 / 224 3273, E-Mail: ibd@softnet.ro.

Schlagwörter: Wirtschaft, Rumänien, Entwicklungshilfe, deutsch-rumänische Beziehungen

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