18. Januar 2017

Zum Tod von Altbundespräsident Roman Herzog

"Durch Deutschland muss ein Ruck gehen." - Wie hätte einen dieser leidenschaftliche Appell nicht treffen, diese mit Hoffnung und Zuversicht aufgeladene Botschaft nicht persönlich berühren sollen? Die Kernaussage jenes bald 20 Jahre zurückliegenden Frühlingstages wird den meisten Bundesbürgern noch in lebhafter Erinnerung sein – man schrieb den 26. April 1997, als der damalige Bundespräsident Roman Herzog im Hotel Adlon seine vielbeachtete „Berliner Rede“, seine „Ruck-Rede“ hielt. Altbundespräsident Roman Herzog starb nun am 10. Januar im Alter von 82 Jahren.
Bundespräsident Joachim Gauck erklärte zum Tod des von 1994 bis 1999 amtierenden siebten Bundespräsidenten, die Nachricht erfülle ihn mit tiefer Trauer. „Mit Sachverstand, Klugheit und großer Lebenserfahrung trat er für unser Land und seine freiheitliche Verfassung ein.“ Als Minister, als Präsident des Bundesverfassungsgerichts und als Bundespräsident seien Herzog die Bürger- und Freiheitsrechte niemals nur abstrakte Begriffe gewesen. Er habe Reformbereitschaft angemahnt, als die Bundesrepublik dieser Mahnung in besonderer Weise bedurfte, so Gauck. „Er genoss Vertrauen, weil er eine klare und menschliche Art zu denken hatte und weil er aus tiefster Überzeugung sich für dieses Land und Europa einsetzte – und auch weil er seinen Mitmenschen mit Takt und Umsicht begegnete.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte den verstorbenen Altbundespräsidenten mit den Worten: „Roman Herzog hat sich um unser Land verdient gemacht. Seine unverwechselbare kluge Stimme und seine Fähigkeit, Probleme offen zu benennen und dabei Mut zu machen, wird mir und wird uns allen fehlen“.

"Durch Deutschland muss ein Ruck gehen"


Mit Herzogs Amtszeit nachhaltig verknüpft bleibt seine „Berliner Rede“ mit dem Arbeitstitel „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“. Darin beschwor der überzeugte Demokrat und Föderalist die Zuhörer eindringlich: „Wir können etwas gestalten, ja sogar etwas verändern. Einen neuen Aufbruch schaffen, wie ihn nicht nur Berlin, sondern unser ganzes Land braucht.“ Herzog spricht gesellschaftliche Fehlentwicklungen klar und offen an: „Was sehe ich dagegen in Deutschland? Hier herrscht ganz überwiegend Mutlosigkeit, Krisenszenarien werden gepflegt. Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.“ Dann appelliert Bundespräsident Herzog energisch an eine reformbereite, aktive Bürgergesellschaft: „Die Welt ist im Aufbruch, sie wartet nicht auf Deutschland. Aber es ist auch noch nicht zu spät. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen“.

Spitzenkarriere als Politiker und als Jurist


Roman Herzog wurde 1934 als Sohn eines Archivars im niederbayerischen Landshut geboren. Seine juristische Karriere an der Universität München (Mitautor und -herausgeber des als Standardwerk geltenden Grundsatzkommentars Maunz/Dürig/Herzog/Scholz) ergänzte die politische, in deren Verlauf der CDU-Politiker Kultus- und Innenminister in Baden-Württemberg wurde, ehe er ans Bundesverfassungsgericht wechselte, dessen Präsident er von 1987 bis 1994 war. Nach seiner Amtszeit als Bundespräsident stand Herzog dem Europäischen Konvent vor, der unter seiner Leitung (1999/2000) die Grundrechtecharta der Europäischen Union (EU) erarbeitete. Der kirchlich engagierte Protestant war in erster Ehe mit Christiane Krauß verheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor. Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete Herzog 2001 Alexandra Freifrau von Berlichingen und lebte seitdem auf deren Burg nördlich von Stuttgart.

Herzog besuchte 1995 Siebenbürgen und Drabenderhöhe

In seiner Amtszeit als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland zeigte sich Roman Herzog sehr aufgeschlossen und interessiert gegenüber den Belangen der deutschen Minderheit in Rumänien wie auch der von dort nach Deutschland ausgesiedelten Landsleute. Mehr noch, Roman Herzog war der erste Bundespräsident, der Rumänien nach dem Sturz von Diktator Ceaușescu im Dezember 1989 offiziell besuchte.
Bundespräsident Herzog, neben ihm Gattin ...
Bundespräsident Herzog, neben ihm Gattin Christiane, im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, Paul Philippi, in Hermannstadt. Foto: Reinhold Gutt
Bei seinem dreitägigen Staatsbesuch in Rumänien vom 15. bis 17. Mai 1995 erörterte Herzog in Gesprächen mit der rumänischen Regierung in Bukarest die bilateralen Beziehungen und versicherte, Deutschland werde Rumänien tatkräftig unterstützen auf seinem Weg in die euro-atlantischen Strukturen. Der Bundespräsident besuchte auch Hermannstadt, wo er sich mit Vertretern der deutschen Minderheit traf, die Herzog laut einem Bericht der Siebenbürgischen Zeitung vom 20. Juni 1995, Seite 5, als „eine mögliche Keimzelle für die deutsch-rumänischen Beziehungen heute und für die europäische Einigung morgen“ beurteilte. Bei einem Gottesdienst in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche bestätigte Herzog die deutsche Aufnahmepolitik, man habe nach wie vor „die Tore für diejenigen offengehalten, die aufgrund ihrer persönlichen Entscheidung auswandern wollen“. In seiner Ansprache ließ Bundespräsident Herzog Siebenbürgen und den Siebenbürger Sachsen hohe Anerkennung zuteilwerden mit seiner Feststellung: „Keine deutsche Kulturlandschaft verfügt über eine längere Tradition des republikanischen Gemeindewesens, eines geordneten Schulwesens und der praktizierten religiösen Toleranz“ (Hermannstädter Zeitung vom 19. Mai 1995).

Noch im selben Jahr, am 2. November 1995, besuchte Roman Herzog auch die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe. Wie die Siebenbürgische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15. November 1995, Seite 1, berichtete, rief der Bundespräsident zu Toleranz auf; jeder solle die Eigenart des anderen respektieren, dann könnten aus der „Kraft der Vielfalt Freiheit und Sicherheit erwachsen“. Drabenderhöhe sei hierfür ein Vorbild.
Bundespräsident Roman Herzog bei seiner Ansprache ...
Bundespräsident Roman Herzog bei seiner Ansprache am 2. November 1995 in Drabenderhöhe, im Hintergrund der Honterus-Chor. Foto: Wolfgang Röhrich
Auch diese Begegnung zeigte, dass Bundespräsident Roman Herzog seinen Landsleuten aus Siebenbürgen freundlich, ja warmherzig zugewandt war. Dessen eingedenk erklärt Verbandspräsident Dr. Bernd Fabritius MdB: „Mit Roman Herzog verlieren Deutschland einen herausragenden Staatsmann und die Siebenbürger Sachsen einen guten Freund aus Überzeugung. Herzog kannte uns und unsere Geschichte. Er bescheinigte den Siebenbürger Sachsen hinsichtlich ihres Gemeinde- und des Schulwesens sowie ihrer gelebten religiösen Toleranz Pionierleistungen innerhalb der deutschen Kulturlandschaft. Durch seine Siebenbürgenreise und nicht zuletzt seinen Besuch unserer Siebenbürger-Sachsen-Siedlung Drabenderhöhe, beide Ereignisse im Jahr 1995, hat Herzog seine Verbundenheit mit uns nachdrücklich bezeugt. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.“

Christian Schoger

Schlagwörter: Roman Herzog, Bundespräsident, Deutschland, Nachruf, Jurist, CDU, Fabritius, Gauck, Merkel

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