24. November 2016

Nachruf auf Dietrich Brandsch-Böhm

Dietrich Brandsch-Böhm, langjähriger Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Landesgruppe Berlin/Neue Bundesländer, ist im 83. Lebensjahr am 25. Oktober 2016 in Berlin verstorben. Seine drei Kinder haben die Todesanzeige für ihren Vater so überschrieben: „Ein zufriedenes Leben ist zu Ende gegangen.“ Das passt sehr gut zum unten stehenden Foto. Weiter geht es im Text der Todesanzeige dann, auch sehr treffend, so: „In Dankbarkeit für seine beständige Liebe und Fürsorge nehmen wir Abschied von unserem Vater, Bruder, Großvater, Urgroßvater und Onkel Dietrich Brandsch-Böhm ...“
Geboren wurde Dietrich Brandsch-Böhm am 19. Januar 1934 als ältestes Kind von Emmi und Hans Brandsch-Böhm in Heltau in Siebenbürgen. Die ersten sieben Jahre seines Lebens verbrachte er wohlbehütet in seinem Geburtsort. Dort wurde er auch noch eingeschult. 1941 übersiedelten seine Eltern mit ihm und den inzwischen drei weiteren Geschwistern im Zuge der Aktion „Heim ins Reich“ nach Deutschland. Vater Hans Brandsch-Böhm hatte in Deutschland sein Ingenieurstudium absolviert und wollte seiner Familie Berlin zeigen. Eine Arbeitsstelle hatte er sich schon von Siebenbürgen aus besorgt und auch eine schöne große Wohnung in Berlin-Schöneberg. Der Auslandsaufenthalt war für etwa drei Jahre geplant.

Hier in Berlin wurde dann bald das fünfte Kind der Familie geboren. Aber das schöne Familienleben dauerte nicht lange, denn 1943 wurde der Vater zum Deutschen Militärdienst eingezogen. Es war Krieg und wegen der vielen Bomben, die auf Berlin abgeworfen wurden, evakurierte die Verwaltung die kinderreiche Familie in das damals noch ruhige Ostpreußen. 1944 schon musste die Familie vor der herannahenden russischen Armee westwärts nach Oberschlesien flüchten. Aber auch hier war kein Bleiben, denn die Front rückte näher. Und 1945 flüchtete die Familie, immer noch ohne den Vater, weiter nach Thüringen.

Als der Krieg zu Ende war, und der Vater aus der amerikanischen Gefangenschaft nach Bayern entlassen wurde, also in die amerikanische Zone, schlug sich die Familie bis dorthin durch. Der Vater durfte auf keinen Fall zu seiner Familie nach Thüringen, denn die lag in der russischen Besatzungszone. Allen Auslandsdeutschen wurde in die Achselhöhle ein A (für Ausland) eingebrannt, weil das Hitlerregime den Deutschen, die im Ausland lebten, nicht getraut hatte. Für die Russen aber galten alle diese Soldaten als SS-Leute und der Befehl lautete „Erschießen“!
Dietrich Brandsch-Böhm an seinem 80. Geburtstag ...
Dietrich Brandsch-Böhm an seinem 80. Geburtstag mit drei seiner fünf Urenkel. Foto: Klaus Brandsch-Böhm
1947 gelang es der nun wieder vereinten Familie nach Berlin zurückzukehren, da ihre Wohnung nicht zerbombt war und zum Glück im amerikanischen Sektor Berlins lag. Damit ihre Kinder sich bei den vielen Wohnortwechseln nicht heimatlos, also nirgendwo hin gehörig, fühlen sollten, hatte ihre Mutter ihnen fest eingeprägt: „Ganz gleich, wo wir gerade leben, unsere Heimat ist und bleibt Siebenbürgen!“ So wuchsen ihre Kinder bewusst als Siebenbürger Sachsen auf und nahmen seelisch keinen Schaden.

Die Eltern, Hans und Emmi Brandsch-Böhm, wurden in Berlin zur Anlaufstelle für entlassene siebenbürgische Soldaten und für nach Russland zur Zwangsarbeit verschleppte Landsleute, die nach Deutschland entlassen worden waren. Es gab nur ein ganz kurzes Zeitfenster für die Rückkehr in die Heimat. So sammelten sich die Siebenbürger in Berlin, pflegten den Kontakt untereinander und die Erinnerung an die Heimat. Sie ersetzten sich gegenseitig ein wenig die verlorene Großfamilie.

Mit vielerlei kulturellen Aktivitäten und Auftritten in der Öffentlichkeit in Tracht, machten sie Siebenbürgen in Berlin bekannt. Natürlich machten die Kinder überall mit. So wuchsen die fünf Geschwister zwar fern der Heimat, aber doch in einem siebenbürgischen Umfeld auf, waren natürlich auch in der Landsmannschaft aktiv und redeten in der Familie sowie mit Landsleuten den siebenbürgisch-sächsischen Dialekt. So haben von fünf Brandsch-Böhm Geschwistern vier einen siebenbürgischen Ehepartner. Und die eine angeheiratete waschechte Berlinerin, Christa Brandsch-Böhm geb. Peters, hat sich so in das Siebenbürgersein hineingelebt und all die Jahre darin gearbeitet, dass sie 2014 die hohe siebenbürgische Auszeichnung „Pro Meritis“,also für besondere Verdienste für die Siebenbürger, erhalten hat.

Dietrich Brandsch-Böhm studierte nach dem Abitur Sozialpädagogik und wurde Amtsleiter der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge in einem Westberliner Bezirk. Er blieb aber mit seiner Frau Kathi immer bei den Siebenbürgern aktiv. Von 1984 bis 1997, also 13 Jahre lang, war er Vorsitzender der Landesgruppe Berlin/Neue Bundesländer des Verbandes der Siebenbürger Sachsen und danach noch etliche Jahre stellvertretender Vorsitzender bei den Banater Schwaben. Er und seine Frau haben viele hundert Pakete mit Hilfsgütern, nicht nur nach Siebenbürgen, sondern auch in die damalige DDR geschickt. Und viele Jahre lang waren sie Ehrengäste beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl.

Auch im Turnverein und in der Kirchengemeinde war Dieter Brandsch-Böhm ehrenamtlich aktiv. Für ihre langjährigen, mit großem Engagement durchgeführten ehrenamtlichen sozialen und landsmannschaftlichen Tätigkeiten erhielten beide, er und seine Frau, das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.

Zu seiner Beerdigung waren natürlich viele Verwandten, aber auch ehemalige Kollegen und Landsleute gekommen, darunter die Vorsitzende des Landesverbandes Berlin/Neue Bundesländer, Gizela Wentrup.

Dietrich Brandsch-Böhm war zeitlebens bereit, Verantwortung zu übernehmen und für andere da zu sein. Er hatte wirklich ein zufriedenes und erfülltes Leben.

Dr. Roswita Guist

Schlagwörter: Verbandsleben, Nachruf, Berlin

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