6. Februar 2020

Morgens die Sonne im Gesicht: Zu Fuß von Heilbronn nach Hermannstadt

Locker und lässig sitzt der frisch gebackene Rentner vor mir und berichtet. Denn wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Daniel Salmen, Jahrgang 1955 und wohnhaft in Erlenbach, hat eine besondere Reise unternommen: Er ist von Erlenbach bei Heilbronn nach Hermannstadt in gewandert. Die 1.423 km hat er in 42 Tagen zurückgelegt. Aber warum tut man das?
Die einen entscheiden sich für den Jakobsweg, die anderen für eine Weltreise, aber Daniel Salmen wollte von seinem jetzigen Zuhause in seine alte Heimat Siebenbürgen wandern. Vor 37 Jahren war er auf abenteuerliche Weise von Ost nach West gekommen und nun wollte er diesen Weg zurückwandern. Seit dem 1. April 2019 ist Salmen Rentner und einen guten Monat später, am 6. Mai, hieß es „Ich bin dann mal weg!“

Anfangs belächelten Familie und Freunde sein Vorhaben. Aber als er sich intensiver mit den Vorbereitungen beschäftigte, habe der heute 64-jährige viel Zuspruch und Unterstützung erfahren. Aber warum zu Fuß? Mit dem Fahrrad haben schon einige die Strecke bewältigt, aber zu Fuß sei seines Wissens noch keiner von Heilbronn nach Hermannstadt gewandert. Außerdem würde man per pedes alles viel intensiver erleben.

Die Idee zu dieser Unternehmung sei vor etwa zwei Jahren entstanden. Er habe sich intensiv mit dem Kartenmaterial beschäftigt, im Internet recherchiert, Touren geplant und an seiner Fitness gearbeitet. Als Hausmeister einer mehrgeschossigen Einrichtung in Heilbronn sei er nie Aufzug gefahren und die über 150 Stufen vom Untergeschoss bis ins oberste Stockwerk mehrmals täglich gelaufen. Diese Grundkondition kam ihm sehr entgegen. Zusätzlich hat Salmen in den Erlenbacher Weinbergen Nordic Walking betrieben und beim TSV Erlenbach geturnt.
Die Kirschen waren für Daniel Salmen eine ...
Die Kirschen waren für Daniel Salmen eine willkommene Stärkung auf der langen Wanderung nach Hermannstadt. Foto: privat
In seinem 15 kg schweren Rucksack hatte Salmen nur das Nötigste dabei und eine Notration Verpflegung, bestehend aus Konserven, Äpfeln, Bananen und zwei Litern Wasser. Wichtig sei vor allem gutes Schuhwerk gewesen sowie passgenaue Unterwäsche und Socken. Wenn man dann noch regelmäßig die Füße eincremt, kann man Blasen vermeiden. Und seinen Wanderstab hat er selbst geschnitzt.

Die Strecke führte den gebürtigen Mediascher von Erlenbach über Wüstenrot und Schwäbisch Hall nach Bad Füssing, Wels Linz, Nickelsdorf, Győr, Budapest, Kecskemet, Turnu (bei Arad), Lippa (Lipova), Diemrich (Deva), Broos (Orăștie), Geoagiu Băi, Mühlbach, Reußmarkt, Großau und schließlich Hermannstadt – um nur einige der Stationen zu nennen. Und eigentlich sei es von der Orientierung her einfach von West nach Ost zu wandern: „Morgens hast du die Sonne im Gesicht und abends im Nacken“.

Er war täglich zwölf bis 14 Stunden unterwegs und legte je nach Lust und Laune 22 bis 47 Kilometer pro Tag zurück. Und vor allem hatte er Zeit und musste nur eines: gesund bleiben und am 28. September zur Hochzeit seines Sohnes wieder daheim sein. Er übernachtete in Pensionen, Hotels und auf Bauernhöfen, aber auch 18 Mal im Freien. Sein Handy hatte er zwar dabei und schickte auch regelmäßig Nachrichten, wo er sich gerade befindet und welche Tour ansteht, aber tagsüber war das Gerät ausgeschaltet. Aufgeben kam für ihn nie in Frage, aber die ersten zwei bis drei Tage beschäftigte er sich schon intensiv mit der Frage, warum er sich das antut. Die folgenden Tage hatte er mit der Einsamkeit zu kämpfen, aber nach der ersten Woche fand er dann seinen Rhythmus und marschierte zielstrebig Richtung Hermannstadt. Diese Wanderung hat ihm vor allem gezeigt, wie genügsam der Mensch sein kann und wie wenig man zum Leben eigentlich braucht. Er persönlich sei viel lockerer geworden, rege sich nicht mehr auf und sei in seiner Sichtweise, die Dinge positiv zu sehen, nur bestärkt worden. Und er könne jedem empfehlen, sich eine Auszeit zu gönnen.

Auf seinem Weg machte Salmen, der als Kind in Scharosch an der Kokel naturverbunden aufgewachsen ist, viele positive Erfahrungen: er traf Gleichgesinnte, die auch zu Fuß unterwegs waren, und vor allem Menschen, die an seinem Vorhaben interessiert waren. Einmal, er war schon weit hinter der rumänischen Grenze, habe er ein altes Mütterchen getroffen. Als sie von seinem Vorhaben erfuhr, habe sie ihm einen Beutel Kirschen geschenkt und für ihn gebetet. Ein anderes Mal wollte eine Autofahrerin ihn mitnehmen, da es draußen so heiß sei. Als er dankend ablehnte und ihr erzählte, dass der Weg eigentlich sein Ziel sei, fuhr sie weiter und kam mit Eis und zwei Flaschen Wasser zurück. Aber es gab auch brenzlige Situationen: Bei Großpold kam ihm eine Bärin mit ihren Jungen verdammt nahe, ein weiteres Mal hatte ein Schafhirt seine Hütehunde nicht im Griff. Und um die große Hitze tagsüber zu vermeiden, sei er ein paar Mal auch nachts gewandert.
Ankunft in Hermannstadt auf dem Großen Ring am ...
Ankunft in Hermannstadt auf dem Großen Ring am 15. Juni 2019. Foto: privat
In Hermannstadt bereiteten Familie und Freunde ihm einen netten Empfang, aber der ganze Trubel war ihm fast schon zu viel, so dass er am liebsten weiter gewandert wäre.

Ausruhen will sich der rüstige Rentner noch lange nicht. Neben seinem ehrenamtlichen Engagement im Sportverein und in der Kreisgruppe Heilbronn im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland will er vor allem gesund und fit bleiben. Und für die kommende Zeit plant er weitere Touren in Siebenbürgen und den Fogarascher Bergen und könnte sich auch einen Fernwanderweg in den USA vorstellen.

Jürgen Binder

Schlagwörter: Wanderung, Hermannstadt, Heilbronn

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