9. Januar 2010

9. Internationales Diplomanden- und Doktorandenkolloquium in Regensburg

Vom 9. bis 11. November 2009 tagte eine Gruppe von Historikern, Politologen, Geographen, Literatur- und Religionswissenschaftlern aus Ungarn, Rumänien, Polen, Großbritannien, Österreich und Deutschland in den Räumen des Wissenschaftszentrums Ost- und Südosteuropa in Regensburg. Aktuelle Projekte zur Geschichte und Gegenwart des Donau-Karpatenraumes standen im Fokus des 9. Internationales Diplomanden- und Doktorandenkolloquiums, wie eine Teilnehmerin im Folgenden berichtet.
Das Ungarische Institut, einer der Mitveranstalter, bereitete uns einen herzlichen Empfang am Montagabend. Wir starteten am Dienstagmorgen mit einem kurzen Rückblick auf den 9. November 1989, „ohne den wir hier alle so nicht zusammen säßen“, so Dr. Zsolt Lengyel, Direktor des Ungarischen Instituts. In der Einführung wiesen Dr. Lengyel und Dr. Gerald Volkmer vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) auf die Zielsetzungen des Kolloquiums hin, das in knapp einem Jahrzehnt bereits mehreren hundert Diplomanden und Doktoranden die Möglichkeit geboten hat, ihre Forschungsthemen zum Donau-Karpatenraum in einem kompetenten Rahmen vorzustellen. Den Anfang machte Károly Goda (Münster) mit seinem kulturhistorischen Dissertationsthema „Buda feriata: Feste und Prozessionen in der spätmittelalterlichen Hauptstadt Ungarns“. Die gesamte erste Hälfte des Tages war Themen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gewidmet. Markus Beham (Wien) sprach über „Die Woiwodschaft Siebenbürgen und die Donaufürstentümer in der osmanischen Gefahr 1389-1541“, Adrian Gheorghe (München) folgte mit der Präsentation seiner Dissertation über die Entstehung leichter berittener Einheiten in der osmanischen Armee des Spätmittelalters.
Doktorandenkolloquium im November 2009 in ...
Doktorandenkolloquium im November 2009 in Regensburg. Foto: Dr. Ralf T. Göllner
Auch der zweite Teil des Vormittags stand im Zeichen der Geschichtswissenschaft. So referierte Julia Derzsi aus Hermannstadt über die „Strafgerichtsbarkeit in den siebenbürgischen Städten des 16. Jahrhunderts“ und wies dabei auf den reichen Quellenbestand in Kronstadt, Hermannstadt und Bistritz hin. Auf die „Beziehung zwischen fürstlicher Macht und autonomer Gemeinde der Stadt Kronstadt unter der Regierung von Gábor Bethlen“ ging Zsuzsanna Cziraki (Szeged) ein, deren Arbeit sich zu einem großen Teil auf die fast vollständig erhaltenen Rechnungsbücher der Kronstädter Stadthannen im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts stützt. Den frühneuzeitlichen Block rundete Szymon Brzezinski (Warschau) mit seinem Vortrag über „Polen und das östliche Königreich Ungarn/Siebenbürgen (1541–1571)“ ab. Sein Dissertationsprojekt schließt eine beträchtliche Forschungslücke, die den Einfluss des Königreichs Polen auf die Herausbildung des eigenständigen Fürstentums Siebenbürgen betrifft.

Die Sektion Literaturwissenschaft leitete Kinga Kurkó (München) mit dem „Beitrag deutscher Aufklärungsgedanken zur Entstehung sowie zum Aufblühen nationaler Kultur und Literatur im Königreich Ungarn anhand der ersten ungarischsprachigen Zeitung (1780)“ ein. Anschließend präsentierte Roland Simonis (München) die Ergebnisse seiner Magisterarbeit „Der Kronstädter Schriftstellerprozess 1959 im historischen Kontext“. Silvia Petzoldt (Jena) setzte in ihrem Dissertationsprojekt „Interethnische Beziehungen und imaginäre Bilder vom Anderen in Werken der deutschsprachigen bzw. ungarischsprachigen Literatur in Rumänien im Vergleich“ Akzente im Bereich der „Minderheitenliteratur“ der Nachkriegszeit. Die Periode der Ceaușescu-Diktatur untersucht Alice Buzdugan (Regensburg) in ihrer Magisterarbeit „Der Künstler und der Diktator als Teilaspekte des Clown-Motivs: Opposition als Methode zur Identitätssuche bei Norman Manea”, die den literaturwissenschaftlichen Block abschloss.

Friederike Mönninghoff beim Doktorandenkolloquium ...
Friederike Mönninghoff beim Doktorandenkolloquium im November 2009 in Regensburg. Foto: Gerald Volkmer
Als letzte Dienstagssektion tagte die Kirchengeschichte. Annegret Dirksen (Hagen) untersucht in ihrer Doktorarbeit „Religionsfreiheit in Ungarn – verfassungsgeschichtliche und religionspolitische Entwicklungen im 20. Jahrhundert am Beispiel kleiner Religionsgemeinschaften“ die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Entfaltung des religiösen Lebens in Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg. Dionisie Arion (Berlin) entführte die Zuhörer in die im Zeichen innerer sächsischer Zerwürfnisse stehende Zwischenkriegszeit, die den zeithistorischen Hintergrund seiner Dissertation „Im Spannungsfeld von Identitätsbewahrung, Identitätsfindung und deutsch-völkischer ‚Erneuerung‘. Die Lage in den siebenbürgisch-sächsischen evangelischen Kirchengemeinden, Körperschaften und kirchennahen Vereinen auf Kronstädter Stadtgebiet 1932-1944“ bildet. Die Folgen von Kommunismus und Aussiedlung thematisierte Lida Froriep (Hannover) in ihrem Vortrag „Die Bedeutung der ‚Heimatkirche‘ in der Identitätsbildung der Siebenbürger Sachsen in postkommunistischer Zeit“, der die kirchenhistorische Sektion abrundete. Im Anschluss daran stellten die Veranstalter ihr Forschungsprofil, Neuerscheinungen zur Geschichte und Kultur des Donau-Karpatenraumes sowie Stipendienprogramme vor. Mit anregenden Gesprächen in kleineren Gruppen in der Regensburger Altstadt klang der Abend aus.

Der zweite Konferenztag stand im Zeichen der Neueren Geschichte und Zeitgeschichte. Albert Weber (München) stellte sein Dissertationsprojekt „Genese und Zirkulation der Dracula-Mythen: Europäische Erinnerungskultur und Mythologie vom Bosporus bis Novgorod, vom Spätmittelalter bis zur Postmoderne” vor, das den Bogen von den ersten europaweiten Rezeptionen des walachischen Woiwoden Vlad Țepeș im 15. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert schlug. Balint Varga-Kuna (Budapest) präsentierte sein Forschungsvorhaben zu den Reaktionen der deutschen Stadtbevölkerung auf die ungarischen Millenniumsfeierlichkeiten 1896 am Beispiel der Errichtung des Arpaddenkmals in Kronstadt. Die Zwischenkriegszeit behandelte Ferenc Laczo (Budapest) in seinem Vortrag über das jüdische Kulturleben in Ungarn in den 1930er und frühen 1940er Jahren am Beispiel der Kulturzeitschrift Libanon. Nils Müller (Berlin) referierte über „Altes Europa – Neues Europa. ‚Europäizität‘ und die Konstruktion nationaler Identitäten in Ungarn und Jugoslawien 1920–1944“.
Drei rumänische Doktoranden in Regensburg, ...
Drei rumänische Doktoranden in Regensburg, v.l.n.r.: Irina Nastasa, Petre Matei und Cristian Cercel; Foto: Gerald Volkmer
Sodann wandten wir uns Rumänien zu. „Roma in Rumänien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Identität und Alterität“ lautete das Dissertationsprojekt von Petre Matei (Bukarest). Neue Quellenbestände, insbesondere in Deutschland, erschloss Irina Nastasa (Klausenburg/München) zu ihrem Dissertationsthema „Studenten aus Rumänien im Dritten Reich 1933-1945“. Im Zentrum ihres Forschungsvorhabens stehen neben ethnischen Rumänen auch die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, die damals in Deutschland studierten. Die Referentin zeigte sich sehr interessiert an geeigneten Interviewpartnern, die über ihre Studienzeit berichten könnten (den Kontakt zur Doktorandin kann das IKGS München vermitteln). Das Phänomen „Philogermanismus ohne Deutsche“ untersucht Cristian Cercel (Durham/UK) in seiner Dissertation über das Bild der deutschen Minderheit in der rumänischen Gesellschaft nach 1989. Die postkommunistische Zeit thematisierte auch Friederike Mönninghoff (Bremen) in ihrem Dissertationsprojekt „1989 – Die rumänische Revolution und die Siebenbürger Sachsen: Zur Krise individueller Erinnerung und kollektiven Gedächtnisses. Eine empirische Forschung aus biographischer Perspektive“.

Im Rahmen der politikwissenschaftlichen und geographischen Sektion sprachen Peter Bagoly-Simo (Tübingen) über „Umlandprozesse: Bevölkerungssuburbanisierung und Migrationen am Beispiel siebenbürgischer Städte“ und Gergely Kiss (Szeged), der sein Magisterarbeitsprojekt „Die institutionellen Bedingungen funktionierender regionaler Autonomien – Südtirol und Vojvodina im Vergleich“ vorstellte.

Die Diskussionen, die auf die einzelnen Vortragsblöcke folgten, waren sehr lebhaft und für die Referenten eine gute Chance, ihre Arbeiten durch die konstruktive Kritik und die Anregungen der Zuhörer aus einer anderen Perspektive zu betrachten und weiter voranzubringen. Wir haben einen Einblick in die methodischen und inhaltlichen Fragestellungen aktueller Forschungsarbeiten zum Donau-Karpatenraum erhalten und hatten die Möglichkeit, uns mit anderen Jungakademikern auszutauschen. Außerdem bekamen wir von den „alten Hasen“ wertvolle Tipps etwa zu Stipendien, und Veröffentlichungsmöglichkeiten.

Im Namen aller Teilnehmer danke ich den Veranstaltern des Kolloquiums: der Akademie Mitteleuropa Bad Kissingen, dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS), dem Siebenbürgen-Institut an der Universität Heidelberg (SI) sowie dem Ungarischen Institut (UIM). Gefördert wurde die Veranstaltung durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen über das Haus des Deutschen Ostens München. Ein besonderer Dank gilt den Tagungsleitern Prof. h. c. Dr. Stefan Sienerth, Dr. Juliane Brandt und Dr. Gerald Volkmer vom IKGS, Dr. Ulrich A. Wien und Dr. Annemarie Weber vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde sowie Dr. Zsolt Lengyel und Dr. Ralf T. Göllner vom Ungarischen Institut.

Friederike Mönninghoff

Schlagwörter: Doktoranden, Forschung

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