11. Juli 2023

Gottes Geist „Mitten in der Welt“ an Pfingsten in Pruden

Grau, staubig und mit kraterhaften Schlaglöchern bestimmt die harte Straße unsere Fahrgeschwindigkeit. Die zerschrottete Straße hinter Halvelagen führt uns auf fünf abenteuerlichen Kilometern nach Pruden.
Der unter der Regie von Margit Stoelzel-Appel ...
Der unter der Regie von Margit Stoelzel-Appel (aus Wilkau-Haßlau bei Zwickau) ­geschmückte Kirchenraum in Pruden am Pfingstmontag 2023. Foto: Angelika Beer
Wir wollen in diesem kleinen Dorf Pfingstgottesdienst und den Bezirksgemeindetag des Schäßburger Kirchenbezirks der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien mitfeiern. Wir, das sind meine beiden Freundinnen Manuela Drechsler aus Schäßburg, Katharina Müller aus Schaas sowie Gottfried Kullnik-Szasz aus Ludasch am Mieresch. Wir sind aus Deutschland und Österreich zu Besuch in Siebenbürgen anlässlich unseres 40-jährigen Abitur-Klassentreffens. 1983 haben wir das Sanitätslyzeum in Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș) absolviert.

Wie es früher Brauch war, ziehen wir für den Gottesdienstbesuch die siebenbürgische Tracht an. Katharina und ich tragen die Schaaser Frauentracht: einen langen dunkelblauen Wollrock, eine genetzte weiße Schürze, ein besticktes „Schoin Hemd“, darüber ein schwarzes Samtleibchen. Katharina trägt auf dem Kopf Bänder und ich trage eine bestickte Frauenhaube, die ihrer Großmutter gehört hat. Manuela trägt ein „Schoin Hemd“, gehalten von einem sächsischen Gürtel und dazu eine schwarze Hose. Die modische Verbindung von Tradition und Moderne ist ihr mit dieser Kombination perfekt gelungen. Gottfried trägt einen sächsischen Kirchenpelz.

Wir fahren in das Dorf hinein. Der hohe Kirchturm ragt richtungsweisend in den blauen Himmel und zeigt uns den Weg. Die Glocken läuten und wir gehen im Eilschritt die paar Meter zum Kirchenportal. Mächtig, strahlend weiß und majestätisch thront dieses Gotteshaus vor uns. Kein zerfallenes Gebäude, wie manch andere Kirchen in Siebenbürgen. Die schweren Türen stehen weit offen und wir treten ein. Im imposanten Torbogen werden wir von der für Pruden zuständigen Pfarrerin strahlend begrüßt und willkommen geheißen.

Ich bin so erfreut, hier eine Frau als Pfarrerin zu sehen, dass ich in die Kirche „hineinsturkele“. Katharina hält mich am Ellenbogen fest, und gesittet schreite ich den Mittelgang entlang. Andächtig stehe ich kurz still und bitte Gott um einen reinen Geist für diesen Pfingstgottesdienst. Vom „Glater“, der Empore, erklingt Blechblasmusik. Die Kirchengemeinde lauscht. Ich höre gespannt hin, aber bevor mir der Titel des Liedes einfällt, versinke ich in die Musik und spüre mit dem Herzen, dass ich das Lied kenne.

Pfarrerin Angelika Beer begrüßt die Gottesdienstbesucher auf Deutsch und Rumänisch. Sie berichtet, dass der Bezirksgemeindetag heuer zum 20. Mal in Pruden gefeiert wird und seit 25 Jahren die sogenannten „Neuprudener“ aus dem Raum Zwickau im Freistaat Sachsen sich um das Pfarrhaus und die Kirche kümmern. „Silberhochzeit“, sagt die Pfarrerin lächelnd. Die Floristik in der Kirche ist umwerfend schön. Bunte, wunderschöne Blumengebinde schmücken die Kirche und lassen mich die ganze Herrlichkeit des Frühlings spüren. Diese Herrlichkeit, die uns Gott einfach so schenkt.

Die Orgel ertönt. Laut und klar singt die Gemeinde zur Orgelbegleitung. Nichts von unklarem Gemurmelmitgesang, den man oft in der Kirche beim Singen hört. Vorne im Kirchenschiff sitzen fünf (!) Pfarrer und eine Pfarrerin. Die Pfarrerin beginnt mit dem Eingangsspruch. Der Schäßburger Bezirksdechant Bruno Fröhlich hält die Lesung aus dem 1. Korintherbrief 12, 4-11 in rumänischer Sprache und auf Deutsch hören wir Matthäus 16,13-19. Nach dem Glaubensbekenntnis erklingt von der Empore die Sonata in F-Dur für Flöte und Orgel von Arcangelo Corelli. Erika Klemm (Flöte) und Hans Bruno Roth (Orgel) spielen. Mich begeistert, wie sinnlich sie dieses Stück mit ihren unterschiedlichen Instrumenten interpretieren.

Die Predigt wird vom Hermannstädter Bezirksdechanten Dietrich Galter gehalten. Zum Schluss fasst er den Inhalt seiner Predigt in rumänischer Sprache zusammen. Das Hauptgebet wird von Pfarrer Uwe Seidner gesprochen. Die Abendmahl-Liturgie hält Pfarrer Johannes Halmen.

Als Überraschung für die Gottesdienstbesucher kam ein Chor von jungen Leuten in die Kirche und sang auf Englisch und Spanisch ein Loblied auf Gott. Wir erfuhren, dass die Chormitglieder aus der Schweiz, aus Chile, Norwegen, Frankreich und Indonesien in Pruden zu Gast waren.

Es war schon etwas sehr Besonderes, den Pfingstgottesdienst mehrsprachig zu erleben. Jede Sprache beeinflusst unsere Wahrnehmung anders und berührt andere Saiten in uns. Das war in diesem multilingualen Gottesdienst tatsächlich spürbar.

Nach dem Motto „kostenlos und draußen“ wurde anschließend im Pfarrgarten gefeiert. Die Tische waren mit Wiesenblumen dekoriert, dazwischen standen Krüge mit frischem „Holundersekt“ und Kännchen mit Wein. Hanklich und Gebäck wurden herumgereicht. Kaffee stand auch bereit und jeder konnte sich bedienen. Stolz informierte uns Pfarrerin Angelika Beer, dass Jugendliche, die im April konfirmiert wurden, bei der Bedienung der Gäste mithelfen. Das ist in der Tat beeindruckend. Die Blasmusik spielte unter dem Lindenbaum.

„Wessen Herz voll ist, dem geht der Mund über.“ Dieses Sprichwort bewahrheitete sich an diesem herrlichen Pfingstmontag im Pfarrgarten in Pruden. Die Menschen unterhielten sich gut gelaunt auf Deutsch, Rumänisch, Sächsisch, Landlerisch, Englisch und Spanisch. Die duftende Frühlingsluft, die Blasmusik, die Frühlingswärme, der kornblaue Himmel, das Vogelgezwitscher verwandelten den Pfarrgarten in einen mystischen Ort.

Zugegebenermaßen habe ich „Dinkelsbühl“ an diesem Pfingstfest keine Sekunde vermisst. Der zweisprachige Gottesdienst, die sechs Pfarrer, die phantastischen Gastgeber und Gäste haben es geschafft, in Pruden ein frohes, bereicherndes und unbekümmertes Pfingstfest zu feiern. Auch wenn nur zwei Trachtenträgerinnen und ein Mann im Kirchenpelz anwesend waren, quasi drei Trachtenträger gegen fast 3.000 in Dinkelsbühl, haben wir in Pruden ein herrliches Pfingstfest gefeiert.

Zum späten Nachmittag lichteten sich die Reihen der Gäste. Beim Verabschieden hörte man, dass die Gäste aus Kronstadt, Wolkendorf, Hermannstadt, Mediasch, Malmkrog, Halvelagen, Dunesdorf, Schäßburg, Neppendorf, Sächsisch-Regen, aus Österreich und Deutschland angereist waren, um hier gemeinsam Pfingsten zu feiern. Nicht zu vergessen die Gastgeber, die aus dem Freistaat Sachsen da waren.

Mit viel Freude im Herzen verabschieden wir uns von den Gastgebern und starten unsere Heimfahrt. In der Abenddämmerung bohrt sich der löchrige Asphalt der Straße sorglos durch krudes Grün und der Wald spielt für uns zum Abschied eine sattgrüne Frühlingssinfonie.

Claudia Benkö aus Reußdorf

Schlagwörter: Pruden, Gottesdienst, Pfingsten

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