29. August 2008

Vorzeige- und Gebrauchsgegenstand in Siebenbürgen: Das hohe Bett

Das „hohe Bett“ und die „gute Stube“ sind wahrscheinlich für jüngere Siebenbürger Sachsen kaum noch bekannte Begriffe. Seit wann und bis wann es beide gab oder noch gibt, soll im Folgenden anhand von Publikationen, Zeugenaussagen und Feldforschung beleuchtet werden.
Die gute Stube ist in Siebenbürgen eine Be­zeichnung für einen Raum, der zum Wohnen kaum benutzt wurde, in dem jedoch repräsentative Einrichtungsgegenstände (bemaltes Bett, Schüsselrahmen mit Krügen und Tellern, Tisch, Kleidertruhe, Schlafbank u. a. m.) ihren Platz hatten. Schmucktextilien trugen über weite Zeit­räume hinweg zur festlichen Ausstattung der guten Stube bei.

Bis etwa 1945 pflegte man in Siebenbürgen noch in vielen sächsischen Bauernhäusern die größte Stube der Wohnung als gute Stube beson­ders festlich herzurichten. An Hochfesten, Sonn- und Feiertagen, bei Familienfesten, Taufe, Ver­lobung und Hochzeit, in Trauerfällen holte man die wertvollsten, meist selbst gefertigten oder geerbten Bett- und Tischdecken hervor. Auf­grund ihrer Verzierung mit überlieferten sieben­bürgisch-sächsischen Mustern waren sie eine Augenweide für den Eintretenden. In Nordsie­benbürgen gleicht die gestickte Verzierung des Wohnschmucks, mit Rosetten und Rosengirlan­den, einem farbigen Gemälde. Darauf genähte Sinnsprüche widerspiegeln Gottvertrauen, Hei­matliebe und Lebensweisheiten. Viele Bäuerin­nen stickten oder webten ihrem Wohnschmuck vor allem überlieferte Muster ein. Doch auch die von den Vorfahren geerbten, wertvollen Handar­beiten wurden benützt und in Ehren gehalten.
Hohes Bett aus Draas: Schrift am Fußende: ...
Hohes Bett aus Draas: Schrift am Fußende: „Sara * Mathias * Fernolend, Anno * 1870“. Foto: Werner Förderreuther
Selbst gewebte Fetzenteppiche („Zodderde­cken“) oder farbige Hanfteppiche (Läufer) legte man vor Weihnachten, Ostern und anderen Fest­tagen auf den frisch gescheuerten Fußboden. Wandbehänge mit Sinnsprüchen, welche die Ge­sinnung der Familie widerspiegelten, und frisch gewaschene und gebügelte Wohnungs­ziertücher schmückten den Raum. Doch das mit bäuerlicher Textilkunst ausgestattete hohe Bett war meist das Vorzeigestück des Bauernhauses. Durch seinen Aufputz zeigte es dem Eintretenden die Tüchtigkeit der Bäuerin und den Wohlstand des Hauses an. Es wurde kaum oder nur selten für Gäste zum Schlafen hergerichtet. Es kam vor, dass sich Kinder der Gäste und die des Hauses das Bett zum Schlafen teilten. In ärmeren Ge­genden hatten kinderreiche oder ärmere Fami­lien kaum eine „Parade-Stube“ oder ein reich geschmücktes Parade-Bett im Haus.

Hohes Bett als Vorzeigestück

Das bemalte Bett („ein gemalt bethspan“) wird u. a. 1572 in Teilungsurkunden erwähnt (Roswi­tha Capesius, „Das siebenbürgisch-sächsische Bauernhaus. Wohnkultur“, Seite 95). Das Ge­stell des bemalten Bettes für sich ist schon ein Schmuckstück. Die „Bett­häupter“ wurden meist analog angefertigt. Ihr ornamental ausgeschnittener Aufsatz wurde mit geschwungenen, kunst­voll ausgefertigten Konturen und flächenfüllender Bemalung versehen. Datum und Namen wurden auf eines oder beide dieser Betthäupter aufgemalt. Mit bunter, in Felder symmetrisch angeordneter Blumen­motiv-Malerei wurde auch die Längsseite (Vorderseite) mancher Betten ver­sehen. Sogar das darunter geschweifte Sockel­brett erhielt bei einigen diagonal laufende farbi­ge Streifen angemalt. Bemaltes Mobiliar wurde in Siebenbürgen Jahrhunderte lang mit siebenbürgisch-sächsischen Motiven verziert. Viele Belegstücke von bemalten Möbeln – „Almerei“, Bett, Truhe, Truhenbank, Türe, Schüsselkorb – sind aus der Repser Gegend erhalten geblieben.

Die Gepflogenheiten im Herrichten und Schmücken des hohen Bettes und der guten Stube sind ortsabhängig unterschiedlich. Um das hohe Bett herzurichten legte man drei bis vier prall gefüllte Federbetten oder Strohsäcke mit Überzügen darauf. Darüber zog man von Hand gewebte, reich verzierte kurze Überzüge, „Stroh­sackstulpen“, auch „Hiedelleist“ oder „Stälp­chen“ genannt. Je nach Ort und Familie, ja sogar von Frau zu Frau unterschiedlich richtete man das Bett an. Die Bettdecke wird als das augenfälligste Schmuckstück des Parade-Bettes angesehen und entsprechend verziert auf das Bett zur Schau gelegt. Darauf stapelte man die Kis­sen, Polster („Pill“). In manchen Orten türmte man drei bis vier Reihen der rundum verzierten Kissen zwei- bis dreischichtig aufs Bett. Andere stapelten ihre Kissen an ein oder beide Bett­häupter (z. B. in Neppendorf). Sie wurden so getürmt, dass ihre Musterung voll zur Geltung kam. Die Kissenbezüge („Pillzächen“, „-ziechen“) selbst wurden wie die übrigen Schmucktextilien des Wohnraums in einer ausgewogenen Hand­arbeitstechnik gefertigt. Zu besonderen Festlich­keiten zog man über die „Polsterbezüge“ noch einen mit reicherer Verzierung bedachten kurzen Überzug („Stälpchen“). Auch die prunkvoll verzierten Bezüge und Stulpen hatten festliches Gepräge, sie trugen zur Repräsentation der guten Stube bei.

Gebrauchsgegenstand

Das hohe Bett wurde nicht nur als Vorzeige­stück in die Stube gestellt, sondern auch als Liegestatt. Dazu benutzte man meist die an der Längsseite eingebaute ausziehbare „Bettlade“, die dem Fertigen nach in der Repser Gegend Auszugbett, Bettkasten mit Lade oder Sonntags­bett hieß. Sie stand vorne auf zwei niederen Füßen oder auf ihrem bemalten „Sockelbrett“.

Es gibt z. B. in Draas, Meeburg, Rosenau, Sei­burg auch die Rollbank („Scheppelbunk“) mit Rädchen an den Füßen, die tagsüber unter das Bett gerollt und abends hervorgezogen („ge­scheppelt“) wurde, oder andere Bettypen. Zum Ausruhen besaß manche Familie zusätzlich eine bemalte Schlafbank. Auch sie war ein Schmuck­stück des Raumes und diente gelegentlich als Nachtlager für bis zu zwei Personen.

Bei kinderreichen Familien standen oft zwei Auszugbetten mit acht Schlafplätzen in der Wohnstube. Neben dem Ofen befand sich gelegentlich eine bemalte Schlafbank oder ein Kanapee als Sitzplatz und nachts als Liegestatt. Kleinere Kinder kuschelten bei den Eltern oder schliefen am Fußende größerer Geschwister, Säuglinge in der Wiege. Bis 1945 und Jahre später schliefen gelegentlich bis zu drei Gene­rationen in einem Raum. In einigen Orten der Repser Gegend (Deutsch-Weißkirch, Katzendorf, Seiburg) wurden dem hohen Bett an der Vor­derseite ein bis zwei Schubladen übereinander eingebaut. Die obere war meist schmäler und diente zur Aufbewah­rung von Bettzeug oder Kirchenkleidung („Kirchengedois“) und Trach­tenstücken, die untere zum Schlafen.

Als Schlaflager wurden auf das Bett von Hand gewebte Strohsäcke prall mit Stroh oder geriffelten Maisblättern (Lieschen) gefüllt. Darüber breitete man ein von Hand gewebtes Leintuch. Sommers benutzte man an heißen Tagen ein Leintuch oder eine dünne Sommerdecke zum Zudecken beim Schlafen, im Winter eine von Hand gewebte, gewalkte Wolldecke, den „Los­lenk“ (2,12 x 1,60 cm; Deutsch-Weißkirch) der jüngeren Generation oder den „Kotzen“ (Wurm­loch). Manche schafften sich auch Steppdecken mit gekämmter Schafwolle an, und überzogen sie mit einem leinenen Überzug („Kappenleintuch“). Die Kissen füllte man mit Gänse- oder Hühner­federn und überzog sie mit einer von Hand gewebten Kissenhülle. Nach 1945 hielt die Ver­städterung Einzug in den Dörfern, die Vorzei­geschau der guten Stube erlosch, die hohen Bet­ten und bemalten Möbel verschwanden.

Das hohe Bett und die gute Stube zeugen von Fleiß, Traditionsbewusstsein und Wohlstand. Großartig bemalt, kunstvoll gefertigt und ge­schmückt finden wir heute noch einige bemalte Betten in Privathaushalten, bei Volkskunst-Lieb­habern sowie in Museen im In- und Ausland, daneben erfreulicherweise noch viele unschätzbare Haustextilien, die einst als Wohnschmuck gefertigt worden waren.

Rose Schmidt

Schlagwörter: Brauchtum, Volkskunde

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