16. April 2008

Begeisternde Matinee mit Werken von Carl Filtsch

Harmonischer hätte eine heutige schöpferische Würdigung des „Siebenbürgischen Wun­der­kindes“ Carl Filtsch, Lieblingsschüler Cho­pins, auch in unmittelbarer, wohl auch kongenialer Gegenüberstellung mit seinen beiden Freunden und Komponisten-Virtuosen Thalberg und Liszt nicht ausfallen können.
Den strahlenden Frühlingssonntag des 30. März 2008 ergänzte die einladende Atmosphäre des Stadt­museums München mit seiner einmaligen Mu­sikinstrumenten-Sammlung zu einem glanzvollen Veranstaltungsrahmen, der durch die Zu- sam­menarbeit des Münchner Musikseminars mit der Direktion des Münchner Stadtmuseums zustande gekommen war: Man erlebte ein be­glückendes, hochrangiges musikalisch-literarisches Kunstereignis.

Im Zentrum dieser beinahe an einen pianistisch-virtuosen Parforceritt grenzenden Ausei­nan­der­setzung mit romantischer Klavier­literatur des 19. Jahrhunderts standen erstmals, neben vier Werken der damaligen virtuosen Klavier-Titanen Thalberg, Chopin und Liszt, sechs repräsentative Kompositionen Carl Filtschs. Eingeleitet wurde die musikalische Re­zeption durch die einfühlsame, akribisch do­ku­mentierte Moderation von Dr. Gunther Jop­pig, der, neben einem kurzen Lebenslauf von Carl Filtsch und einigen Charakteristiken seiner phänomenalen pianistischen Karriere, mit viel Esprit und Humor das damalige Ge­sellschafts­bild durch treffliche Episoden und literarische Dokumente in den Raum stellte und ein lebendiges Portrait jener Epoche nachzeichnete.

Sicher blieb auch der Hauptakteur dieser Ma­tinee, der – wie auch Carl Filtsch – aus Sie­ben­bürgen stammende Pianist Boldizsár Csiky vom Ambiente des Stadtmuseums nicht unbeeinflusst. In einer von Temperament und brillant-virtuoser Spielfreudigkeit geprägten Verfassung gelang es ihm vor allem in den Filtsch-Werken, diesen ihnen eigenen überkonventionellen, spontanen, mit männlich-pointiertem Zugriff ver­sehenen, ausdrucksintensiven Charakter auf­zudrängen, wobei er auch in den sensiblen Abschnitten ihrer Kantabilität die reichhaltige Empfindungsskala des jugendlich-intensiven Er­lebnispotenzials optimal auslotete mittels ver­haltener Agogik und verinnerlichter Dyna­mik. Dies gelang Boldizsár Csiky in zunehmendem Maße in der Mazurka, den beiden Im­promptus in Ges-Dur und b-moll bis hin zu der Lisztisch anmutenden Einleitung und Thema mit Variationen über eine Arie von Vincenzo Bellini, dem Adagio (Abschied von Venedig) in c-moll, bis hin zu der fulminanten, erst vor kurzem aufgefundenen Kadenz des Klavier­kon­zer­tes in h-moll, die sich – als monumentaler Hö­he­punkt des ersten Teils – auch als reifste künstlerisch-schöpferische Aussage Filtschs, des erst 13-jährigen Knaben (!), auch innerhalb der über­ragenden Interpretation Boldizsár Csikys ab­zeichnete.

Gleich im Anschluss erklangen im zweiten Teil der Matinee die Etüde fis-moll opus 26 Nr. 1 von Sigismund Thalberg, der Walzer a-moll und die Ballade Nr.2, F-Dur opus 38 von Frédéric Chopin sowie die Tarantella aus Venezia e Na­po­li von Franz Liszt. Verstärkt konnte hier ein verblüffender Ein­druck Gestalt annehmen: dass die geballte, von jugendlichem Elan und unverbrauchter Schöp­ferkraft genährte Energie die traditionelle pianistische Kompositionsstruktur und Klang­kultur mit ihren vorrangig technisch-virtuosen, eher auf Effekthascherei und extrovertiertem Gehabe ausgerichteten Inhalte quasi in den Schatten stellt und aufgrund ihres tiefer verankerten Musikantentums und einer noch im kind­lich-naiven Bereich verhafteten Gestal­tungskraft die Oberhand zu gewinnen scheint. Begeisterter Applaus belohnte diese außergewöhnliche Leistung des Pianisten Boldizsár Csi­ky, der sich noch zu einer brillanten Zugabe ei­nes Chopin-Walzers bewegen ließ.

Eine außergewöhnliche Matinee fand so ei­nen nachhaltig beeindruckenden Abschluss, wo­bei ein einziges Thema die Zuhörer noch besonders beschäftigen dürfte: der verblüffende als auch faszinierende Vergleich des zu jener Zeit die pianistisch-virtuose Welt beherrschenden Dreigestirns Thalberg, Chopin und Liszt mit einem noch kindlich-naiven Geschöpf einer völlig anderen Generation, das als geniale Inkar­nation innerhalb eines allzu kurzatmigen Le­bensabschnittes von nur 15 Jahren nicht nur ei­nem Vergleich standhält, sondern das „Drei­ge­stirn“ aus heutiger Sicht sogar zu einem „Vier­gestirn“ erweitert! Wesentliches dazu beigetragen haben dürfte die der schöpferischen Idee und Intuition dienende Virtuosität Boldiszár Csi­kys, auch kraft der klanglich subtil-objektiven Interpretation eindringlich-verbindender We­sensverwandtschaften.

Peter Szaunig

Schlagwörter: Carl Filtsch, Musik

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