8. Januar 2008

Licht und Schatten: Schlattners „Der geköpfte Hahn“ verfilmt

Die Verfilmung von Eginald Schlattners Romanerstling „Der geköpfte Hahn“ wurde am 7. Dezember 2007 im Rheinischen Landesmuseum Bonn gezeigt. Die Bonner Kinemathek hatte die Vorführung initiiert und zusätzlich für einen anregenden Diskussionsrahmen gesorgt. Neben Schlattner waren Wolfgang J. Ruf, der Co-Autor des Drehbuchs, Vlad Vasiliu, der rumänische Generalkonsul in Bonn, und der Journalist Robert Schwartz von der Deutschen Welle eingeladen.
Der Film, eine deutsch-rumänisch-österreichisch-ungarische Koproduktion, die unter der Regie des Bukaresters Radu Gabrea entstanden ist, war nach seiner Hermannstädter Premiere im Juni 2007 auch schon in Wien, Graz, Brüssel sowie, am Abend zuvor, in Jerusalem zu sehen gewesen. Ob der bundesdeutsche Verleih ihn in die Kinos bringen wird, sei noch ungewiss, war aus der Diskussion zu erfahren.

Das Gespräch eröffnete dem interessiert lauschenden und nachfragenden Publikum auch spezielle Aspekte der Filmvermarktung, die ihrerseits tief in Regie- und Schnittentscheidungen einwirkt. Ein Beispiel: Erzählkern des Films – wie seiner literarischen Vorlage – ist die Exitus-Feier einer multiethnisch zusammengesetzten Abgangsklasse des Fogarascher Gymnasiums im August 1944. Rückblenden zeigen einzelne Schüler in Personenkonstellationen, in denen sie sich – das Spezifikum für Siebenbürgen – deutsch, rumänisch, ungarisch oder jiddisch verständigen. Diese Passagen wären für den deutschen Zuschauer natürlich mit Untertiteln zu versehen, um das genaue Verstehen sicherzustellen. Aber gerade dieses Verstehen verweigerte die präsentierte Schnittfassung, indem sie nichtdeutsche Sprecher schlicht ignorierte oder gar mit Erzählerstimme aus dem Off überblendete. Diesen Unfug versuchte W. J. Ruf, mitverantwortlich für das Drehbuch und von den Eingriffen sichtlich genervt, den Anwesenden zu erklären. Es herrsche bei den Zuständigen in diesen Medien nun mal das Vorurteil, deutsche Filmgänger und Fernsehkonsumenten würden vor dem Lesen zurückschrecken; sie seien an die unbedingte Synchronisierung so sehr gewöhnt, dass Fremdsprache gepaart mit deutscher Unterzeile eine Zumutung darstellte. Ein Wesenszug siebenbürgischer Seinsweise, nämlich dass jeder unbefangen und ungestraft bei der eigenen Muttersprache bleiben kann, sich aber bemüht, die Sprache seines Gegenübers zu verstehen und möglichst auch zu sprechen, wird damit freilich verkleistert und eine wichtige Regieintention geht ins Leere.

Die Regie Radu Gabreas bemüht sich – im Anschluss an den Roman – gleichermaßen um eine nuancierte Darstellung ähnlich gelagerter geschichtlicher Eigentümlichkeiten Siebenbürgens, die in wichtigen Zügen von den binnendeutschen Entsprechungen zu unterscheiden sind. Das gilt sowohl für den Umgang mit Juden als auch für das Verhältnis von Kirche und NS-Repräsentanten. Schon allein darum ist dem Film ein breites Publikum zu wünschen, das diesen europäischen Winkel, bei prallen Bildern und historischem Kostüm, hier einmal genauer ins Auge fassen könnte.

Den Postkarten-Effekt dieses Films dürften vor allem die zahlreichen Siebenbürgen-Kenner im Saal genossen haben, wenn auch nicht in Sinne des Regisseurs. Die natürliche Kulisse Fogaraschs mit seiner Schlossanlage wird nachgerade opulent angereichert zu einem siebenbürgischen Bildermosaik. Die Kamera am Set belässt viele vertraute Motive in solchem Maße erkennbar, dass die beabsichtigte Zuschreibung zur Fogarascher Welt des sechzehnjährigen Felix Goldschmidt nicht leicht fällt: die Hermannstädter Lügenbrücke, malerische Mediascher Winkel, Meschen aus der Vogelperspektive, der Innenraum der Agnethler Kirche usw. Nicht vorbelastete Zuschauer mögen es damit leichter haben. Auch manche für die Kamera arrangierte Idylle hätte glaubwürdiger ausfallen können, so etwa das Zigeunerlager oder der court d’amour der Prostituierten.

Eine Stärke dieses ambitionierten Streifens ist es sicherlich, das Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien auf engstem Raum in einem prägnanten geschichtlichen Zeitpunkt erstmals filmisch ernsthaft verarbeitet zu haben. Das erklärt seinen Erfolg in Hermanstadt, von dem Schlattner berichtete. Die Zuschauer dort dürften ihn als Aufhebung eines Tabus und als Linderung für alte Wunden gefeiert haben. Dieses Zusammenleben in Siebenbürgen könnte heute und hier wohl als pars pro toto für das Zusammenleben im grenzenlosen Europa und in der zusammenrückenden Welt schlechthin gelten, jedenfalls als brauchbares Denkmodell. Gerade auch weil sein Ausgang bedenklich ist.

Horst Fabritius

Rezension des Schlattner-Romans "Rote Handschuhe" in der Siebenbürgischen Zeitung

Interview mit Regisseur Radu Gabrea

Schlagwörter: Schlattner, Film

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