12. Oktober 2006

Kulturelle Brücken nach Brasilien geschlagen

Was treibt 17 begeisterte Tänzer und Musiker aus Baden-Württemberg dazu, das beinahe 40 Grad warme Deutschland Anfang August zu verlassen und für drei Wochen in die kälteste Jahreszeit Brasiliens zu pilgern? Die Antwort liegt auf der Hand: Das tun, was wir sehr gerne und mit großem Erfolg in Brasilien getan haben: tanzen, singen, gemeinsame Begegnungen erleben, Freundschaften schließen, kulturelle Brücken schlagen und unser Kulturgut im Ausland präsentieren, Deutschland repräsentieren.
Ute Borger, Mitglied der Siebenbürgisch-Sächsischen Volkstanzgruppe Stuttgart, erhielt im Herbst 2005 eine Einladung aus Brasilien zur Teilnahme am internationalen „Fest in Folk“ Folklorefestival. Veranstalter und Gastgeber des Festivals war die brasilianische Gesellschaft für Folklore und Volkskunst (ABRASOFFA) in Santos, der größten Hafenstadt Südamerikas, südlich von Sao Paolo gelegen. Begeistert von dieser Idee schickte Ute Borger die Einladung an die siebenbürgisch-sächsischen Volkstanzgruppen in Baden-Württemberg weiter.

So präsentierten sich ausgewählte Mitglieder der siebenbürgischen Tanzgruppen Stuttgart, Böblingen, Tuttlingen und Biberach als „DonauDanceFolks“ an der Atlantikküste in Brasilien. Foto: Hilda Brenndörfer
So präsentierten sich ausgewählte Mitglieder der siebenbürgischen Tanzgruppen Stuttgart, Böblingen, Tuttlingen und Biberach als „DonauDanceFolks“ an der Atlantikküste in Brasilien. Foto: Hilda Brenndörfer

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. 15 Tanzgruppenmitglieder der Tanzgruppen Stuttgart, Böblingen, Tuttlingen und Biberach sowie zwei Ostelsheimer Musikanten schlossen sich zu den „DonauDanceFolks“ zusammen und machten sich unter der Leitung von Ute Borger vom 2. bis 24. August auf den Weg nach Brasilien, um beim Folklorefestival ABRASOFFA Deutschland zu repräsentieren. Die Mehrheit der Gruppenmitglieder waren Siebenbürger Sachsen, doch wurde die Gruppe durch drei männliche Teilnehmer schwäbischer Herkunft hervorragend ergänzt, die nicht nur tänzerisch und musikalisch bestens in die Gruppe passten, sondern u.a. auch in ihren schwäbischen Trachten einen markanten Punkt in unserer Mitte bildeten. Der Name „DonauDanceFolks“ drückt einerseits die Heimatverbundenheit aus und betont andererseits das Bestreben, eine musikalisch-tänzerische Brücke zu schlagen in einer Welt, die kulturelle Vielfalt als Reichtum anerkennt.

Allerdings mussten, bevor die Reise losging, viele Vorbereitungen erledigt werden: Tanzgruppenmitglieder zur Teilnahme motivieren, Finanzierungsmöglichkeiten suchen, gemeinsame Tanzproben in Stuttgart, Bad Urach und Erpfingen abhalten, einen Stamm an Tänzen erarbeiten, einheitliche T-Shirts mit dem Aufdruck „DonauDanceFolks“ drucken, ein Plakat mit dem Gruppennamen und der Aufschrift „Brasilien 06“ erstellen, die üblichen Reisevorbereitungen (Impfungen usw.) treffen, die Vollständigkeit der Trachten kontrollieren, Gastgeschenke organisieren und vieles mehr.

Dann endlich war es soweit. Nach elfstündigem Flug wurde „DonauDanceFolks“ in Porto Alegre von der Vertreterin der Gruppe „Tanz mit uns“ vom Verein „25. Juli“ begrüßt, über die Stadt informiert und auf die deutschen Gastfamilien verteilt. Da wir uns in einer Gegend Brasiliens mit breitem Einwandererhintergrund befanden, stießen wir in den nächsten 12 Tagen auf viele Sympathien und wurden als Deutsche überall mit großer Herzlichkeit empfangen.

Es folgte ein straff organisiertes Programm mit Auftritten in fünf verschiedenen Städten: Porto Alegre, Nova Petropolis, Dois Irmaos, Sao Jose/Florianopolis, Joinville. Überall wurde die Gruppe herzlich begrüßt, es wurde die deutsche Fahne gehisst, dem Bus und aus dem Bus gewunken und endlos viele Fotos gemacht. Das Bewerbungsfoto der Tanzgruppe Biberach lachte uns auf großen Plakaten entgegen, und regionale Zeitungen berichteten mit Fotos über die DonauDanceFolks-Auftritte sowie über den Besuch beim Bürgermeister in Dois Irmaos. Selbst große Radio- und Fernsehsender interviewten und filmten die Teilnehmer. Die Tanzgruppenmitglieder verbrachten die knappe Freizeit bei den örtlichen deutschen Tanzgruppen zum gemeinsamen Tanzen und Austauschen.

Dabei gab es auch Gelegenheit für Stadtbesichtigungen, Besuche und Auftritte mit gemeinsamem Tanzen in mehreren Schulen, Fernsehaufnahmen im Studio, Besuch der Bolshoi-Ballettschule Joinville und einer Schnapsbrennerei sowie Fahrt zu den längsten Wasserfällen der Welt in Foz do Iguacu. So konnten die Teilnehmer in eindrucksvoller Weise Land und Leben der Brasilianer kennen lernen. Freundschaften wurden geschlossen, Adressen ausgetauscht und zum Abschied auch manch eine Tränen vergossen.

Am 14. August, nach einer 18-stündigen Busfahrt (1.500 km), erreichte die Gruppe die Stadt Santos, in der das eigentliche Folklorefestival stattfand. Tanzgruppen aus Kolumbien, Frankreich, Paraguay, Brasilien und Deutschland fanden sich in einem Ausbildungs-Camp für Lehrer und Pädagogen in Sao Bernardo do Campo ein. Zum ersten Mal nahm eine Gruppe aus Deutschland, erstrecht Siebenbürger, an diesem Festival teil. Es folgten zehn erlebnisreiche Tage. Täglich standen mehrere Auftritte in Tracht auf Marktplätzen, in Schulen, riesigen Einkaufszentren, Sportschulen, Parkanlagen, Universitäten und Festhallen sowie die Teilnahme an einem großen Festumzug auf dem Programm. Jeder Abend im Camp stand unter dem Motto: „Jede Gruppe präsentiert ihr Land mit typischem Kulturgut“. Zum Abschluss präsentierte die Gruppe aus Brasilien im Rahmen eines Festabends ihr Können, faszinierte mit ihren Sambatänzen und riss die Zuschauer mit ihrem Temperament mit. Nicht nur Kultur wurde gelebt, sondern auch ein Beitrag zur Völkerverständigung geleistet.

Bevor es wieder auf die Heimreise ging, wurde die letzte freie Zeit genutzt, um die Sehenswürdigkeiten von Rio de Janeiro zu besichtigen: ein Besuch des Zuckerhuts, der Jesusstatue, der berühmten Copacabana und des Hard Rock Cafés Rio durfte nicht fehlen.

Trotz des sehr straffen Programms, des ständigen Hin- und Herreisens und der vielen Eindrücke hat die Gruppe „DonauDanceFolks“ aufgrund ihres guten Zusammenhalts und ihres positiven Auftretens einen guten Eindruck hinterlassen, so dass mit weiteren Einladungen zu rechnen ist. Das schönste Kompliment machte uns unser Camp-Betreuer André am Vorabend unserer Abreise, als er im Hinblick auf die Zeit mit uns sagte: „Ihr habt unsere Sichtweise auf Deutschland und die Deutschen verändert. Wir sehen sie jetzt mit anderen Augen.“ Wenn wir mit unserer Präsenz in Brasilien die Grenzen dieser Welt zumindest in kultureller Hinsicht etwas durchlässiger gemacht haben, so haben wir nicht nur einen wichtigen Schritt zur Völkerverständigung geleistet, sondern sind als Freunde in eine äußerst gastfreundliche Welt gereist.

Ein herzliches Dankeschön geht an Ute Borger für die tolle Organisation sowie ihren außergewöhnlichen Einsatz. Ebenso bedankt sich die Gruppe beim Land Baden-Württemberg für das Bereitstellen ausgewählter Gastgeschenke sowie bei der Landesgruppe Baden-Württemberg und der Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft für die finanzielle Unterstützung.

Astrid Göddert

(Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 20. Oktober 2006, Seite 5)

Schlagwörter: Tanzgruppen, Reise

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