23. Juli 2006

Adolf Hartmut Gärtner: Mit Witz und unnachahmlicher Erzählkunst

Am 3. Juni 2006 sind es 90 Jahre geworden, dass Kirchenmusikdirektor Adolf Hartmut Gärtner in Kronstadt geboren wurde. Grund und Anlass für eine Vielzahl von Glückwünschen und Feierlichkeiten. Auch „sein“ Paul-Gerhardt-Chor und „seine“ Kreisgruppe München der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen wollten da mit einer gebührenden Würdigung im Rahmen einer Feierstunde nicht zurückstehen.
Des großen Gratulantenandrangs wegen wurde die Feierstunde um gut dreieinhalb Wochen hinausgeschoben, wollte man den Jubilar doch auch etwas schonen, obwohl diese Fürsorglichkeit von ihm selbst durch seine Vitalität, seinen Esprit und seine Standfestigkeit als rein vorsorgliche Maßnahme klassifiziert wurde. Am 28. Juni fand er dann doch statt, der Festakt zum 90. Geburtstag in seiner langjährigen Wirkungsstätte, dem voll besetzten Gemeindesaal der Paul-Gerhardt-Kirche in München-Laim.

Adolf-Hartmut Gärtner. Foto: Hans-Werner Schuster
Adolf-Hartmut Gärtner. Foto: Hans-Werner Schuster
Pfarrer Carsten Klingenberg von der Paul-Gerhardt-Kirche, der Adolf Hartmut Gärtner viele Jahre begleitet hatte, sprach einleitende Begrüßungsworte, bevor der Paul-Gerhardt-Chor unter der Leitung von Ilse Krügler-Kreile die Feierstunde mit „Du meine Seele singe“ eröffnete. Nach Begrüßungsworten von Ilse Krügler-Kreile und dem Vorsitzenden der Kreisgruppe München, Rolf-Dieter Happe, überreichte, Heidemarie Schmidt, die stellvertretende Vorsitzende, dem Jubilar als Geburtstagsgeschenk der Kreisgruppe zwei Karten für Mozartkonzerte in der Wieskirche nebst Hin- und Rückfahrmöglichkeit. Danach kam der erste Laudator, Pfarrer i.R. Harald Siegmund, zu Wort, dem nach der Motette „Ich bin ein rechter Weinstock“ der – wie könnte es bei großen Persönlichkeiten anders sein – zweite Laudator, Guido von Trentini, folgte. Beide würdigten den Menschen Adolf Hartmut Gärtner und das Werk des Organisten, Chorleiters und Kirchenmusikdirektors.
Nachfolgend seien – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einige Stationen aus seinem Leben herausgegriffen: Seinen ersten Klavierunterricht bekam Adolf Hartmut Gärtner von seiner Mutter. Nach dem Besuch des Honterus-Gymnasiums nahm er bei Victor Bickerich Klavier- und Orgelunterricht zur Vorbereitung für das Studium an der Berliner Musikhochschule, das er mit Staatsprüfungen für das höhere Lehramt sowie für Organisten und Chorleiter abschloss.
1939 kehrte Gärtner in die Heimat zurück, wo er nach dem Militärdienst als Musikprofessor am Hermannstädter Landeskirchenseminar tätig war und seine Frau Erika Ballmann heiratete, eine – wie könnte es anders sein – ebenfalls Musikprofessorin, wenn auch am Schäßburger Lehrerinnenseminar. Krieg und Kriegsgefangenschaft ließen ihn Frau und Sohn erst 1949 in München wiedersehen, wo er nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft am Münchner Theresien-Gymnasium als Musiklehrer wirkte, ab 1950 auch als Seminarleiter. Neben dieser Tätigkeit war der Jubilar als Organist in der Paul-Gerhardt-Kirche tätig und gründete den Paul-Gerhardt-Chor. Bevor er 1978 als Studiendirektor in den wohlverdienten Ruhestand trat, war er zeitweise auch als Musikreferent am Bayerischen Staatsinstitut für Schulpädagogik und als Bundeskulturreferent der Siebenbürger Landsmannschaft tätig.
In seiner konzertanten Tätigkeit hat er mit dem Paul-Gerhardt-Chor die bekanntesten Oratorienwerke aufgeführt, darunter die Passionen von Schütz und Bach sowie die Requien von Mozart, Schumann, Brahms und Dvorák. Siebenbürgische Künstler wie Martha Kessler, Anton Schlesak, Helge von Bömches und Eckardt Schlandt wirkten bei einigen Aufführungen mit. 1979 gab Herr Gärtner zum Gedenken an die drei verstorbenen Kronstädter Musiker Paul Richter, Victor Bickerich und Walter Schlandt ein Sonderkonzert in der Paul-Gerhardt-Kirche und führte in München erstmals das Requiem von Robert Schumann sowie das Orgelkonzert und die Trauerkantate von Paul Richter auf.
Bei einem derart bewegten, reichhaltigen Musikschaffen blieben Ehrungen nicht aus. Gärtner wurde vom Evangelischen Landeskirchenrat zum Kirchenmusikdirektor ernannt, die Landeshauptstadt München zeichnete ihn mit der Medaille „München leuchtet“ aus, der Bayerische Philologenverband verlieh ihm das Ehrenzeichen und die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen ihr Ehrenwappen. Seit letztem Jahr ist Adolf Hartmut Gärtner auch Träger des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises.

Soweit im Telegrammstil Gärtners Vita. Nach den Laudationes ging der Festakt mit der Motette „Himmelfahrt – Ihr Männer von Galiläa“ weiter und kam dann zum von vielen erwarteten Höhepunkt des Abends: „Nichtalltägliches aus neun Jahrzehnten“. Originell, wie es seine Art ist, hat der Jubilar Episoden aus seinem Leben in Form von vier Essays oder Kurzgeschichten zusammengestellt, die er in seiner kurzweilig-witzigen Art zum Besten gab. Die „Nichtalltäglichen“ machten ihrem Namen wirklich alle Ehre und offenbarten existentielle Ängste um seine eigene Identität ob einer möglichen Kindsverwechslung im Krankenhaus, erzählten von einer ungewöhnlichen Bahnfahrt der Liebe wegen im Freien auf der Front einer Lokomotive zwischen Puffern und Lampen, berichteten von einem im Kindesalter als Folge der Neugierde und der Unachtsamkeit seines Kindermädchens erlittenen Sturz in eine Friedhofsgruft, bei der ihn ein Stein am Kopf verletzte, was ihm fortan als Entschuldigung für mancherlei Torheiten zupass kam und enthüllte schließlich seine Graviditätsinfektionsphobie, derenthalber er – eine schwangere Sängerin fürchtend – seiner Frau lange Zeit den Besuch der „Gärtnerin aus Liebe“ im Gärtnerplatztheater zu ersparen versuchte.
Sämtliche Zuhörer hingen gebannt an seinen Lippen und waren vom Witz seiner Geschichten ebenso gefangen wie von seiner unnachahmlichen Erzählkunst. Wenn nach dem Willen der Zuhörer auch viel zu früh beendet; die „Nichtalltäglichen“ waren – wie schon gesagt – der Höhepunkt des Abends und viele werden sich noch lange gerne schmunzelnd daran zurückerinnern.
Nach dem „Gloria sei Dir gesungen“, das den offiziellen Teil der Feierstunde abschloss, ließ es sich ein älteres Ehepaar, das sich auf einem Singabend in Siebenbürgen kennen gelernt hatte, nicht nehmen, dem Jubilar auf seine Art zu danken, indem es auf einer selbst gebauten Gambe und einer selbst gebauten Flöte Eigenkompositionen vortrug.
Das gesellige Beisammensein, wie es im Programm ausgewiesen war, gestaltete sich – wie nicht anders zu erwarten – für den Jubilar nahezu strapaziös gesellig; permanent war er in Gesprächen gebunden, so dass ihm Imbiss und Getränke fast zwangsweise zugeführt werden mussten. Er selbst nahm all dies jedoch mit geradezu stoischer Gelassenheit, hatte für jeden Ohr und Zeit und bewies so eindrucksvoll, was er zu Beginn seiner Erzählungen mit verschmitztem Trotz feststellte: „Ich fühle mich aber nicht wie ein Neunzigjähriger!“
Die Gäste taten sich derweilen an dem von der Frauengruppe München liebevoll und köstlich zubereiteten reichlichen Imbiss gütlich bzw. ließen sich von Vorstandsherren mit flüssiger Nahrung versorgen. All diesen Helfern an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön! Dank vor allem an den Altvorsitzenden Otto Deppner, der sich unermüdlich für das Zustandekommen und die Organisation dieses Festakts eingesetzt hat.
Fazit: Eine wahrhaft gelungene Feierstunde in einem dem Jubilar würdigen Rahmen. Für das Gelingen sei allen Mitwirkenden nochmals gedankt, insbesondere den Mitgliedern des Paul-Gerhardt-Chores, vor allem aber dem Jubilar selbst, der uns hoffentlich noch oft mit „Nichtalltäglichem“ beglücken wird. Auch an dieser Stelle im Nachhinein nochmals die herzlichsten Geburtstagswünsche.

Rolf-Dieter Happe

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2006, Seite 8)

Schlagwörter: Musik, Porträt

Bewerten:

1 Bewertung: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.