11. Juni 2023

„Kinderspiel und Berufung“: Ein Filmporträt über Altbischof Christoph Klein

Beim Heimattag wurde am Pfingstsonntag im Spitalhof die Filmbiografie über den ehemaligen Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) D. Dr. Christoph Klein mit dem Titel „Kinderspiel und Berufung“ der Fernsehjournalistin Christel Ungar gezeigt. Im Anschluss an die Filmvorführung war ein Gespräch mit dem ehemaligen Bischofsvikar und Dozenten am Theologischen Institut in Hermannstadt, dem emeritierten Pfarrer Michael Gross, moderiert von Gustav Binder, anberaumt. Die Bundeskulturreferentin des Verbandes, Dagmar Seck, hatte die Veranstaltung ins Programm des Heimattages aufgenommen und begrüßte die Gäste im bis auf den letzten Platz gefüllten Vortragsaal.
Filmpräsentation beim Heimattag in Dinkelsbühl, ...
Filmpräsentation beim Heimattag in Dinkelsbühl, von links: Pfarrer i.R. Michael Gross, Christel Ungar und Gustav Binder. Foto: Tiberiu Stoichici
Die Filmvorführung reihte sich ein in einen Themenschwerpunkt des diesjährigen Heimattages, das visuelle Erbe Siebenbürgens zu würdigen, welches in der Auswahl der diesjährigen Kulturpreisträger Konrad Klein und Martin Eichler besonders betont wurde. Zum visuellen Erbe gehört auch das moderne Medium Film, insbesondere der Dokumentarfilm. Während sich die Fotografie seit dem ­Zeitalter der Industrialisierung mit stetigen technischen Neuerungen durchsetzte und der Fotoapparat mit Rollfilm zum allgemeinen Besitz bürgerlicher Haushalte auch in Siebenbürgen gehörte, gab es erste bewegte Filmaufnahmen in Siebenbürgen erst in den 1930er Jahren, wo volkskundlich interessierte Filmemacher aus dem Deutschen Reich „Sitte und Brauch“ der Sachsen aufnahmen. Danach folgen lediglich zufällige Filmsequenzen deutscher Wehrmachtsangehöriger auf ihren Etappen. Für das folgende Vierteljahrhundert gibt es so gut wie keine bewegten filmischen Dokumente über die Siebenbürger Sachsen in ihrer Heimat. Die Themen „Sitte und Brauch“ der Sachsen wurden im Zeitalter des Fernsehens wieder aufgenommen, als in Rumänien Ende der 1960er Jahre mit der Einrichtung einer deutschen Redaktion und wöchentlichen Sendung, die allerdings Ende der 1980er Jahre eingestellt und nach der politischen Wende wieder aufgenommen worden ist, die Grundlagen hierfür geschaffen wurden.

Vor der Vorführung des Filmes stellte der Moderator die Filmemacherin Christel Ungar und Michael Gross vor. Christel Ungar wurde 1966 in Hermannstadt geboren, studierte Philologie in Jassy und ist seit 1990 Mitarbeiterin in der Bukarester Redaktion des öffentlich-rechtlichen rumänischen Fernsehens TVR, seit März 2003 Chefredakteurin der deutschen Sendung „Akzente“, derzeit Mitglied im Aufsichtsrat des Senders. Außerdem schreibt sie Gedichte und hat bislang vier Bände veröffentlicht. Sie hat mit namhaften Persönlichkeiten Interviews geführt und zu verschiedensten Themen siebenbürgischer Zeitgeschichte Dokumentarfilme gedreht. Michael Gross wurde 1950 in Burgberg geboren und begann 1969 am Theologischen Institut in Hermannstadt mit dem Studium. Er war Vikar in Neppendorf, Heimleiter, fünf Jahre Pfarrer in Bistritz und von 1983 bis 1995 Dozent für Altes Testament am Theologischen Institut Hermannstadt. In den Jahren 1990 bis 1994 war er Bischofsvikar der EKR. Nach seiner Auswanderung war er über 20 Jahre bis 2016 Pfarrer an der Evangelisch-Lutherischen Christuskirche in München. Seither ist er im Ruhestand.

Der Moderator erwähnte, dass das Bischofsamt in Hermannstadt scherzhaft im Volksmund „Vatikan“ genannt werde, und in der Tat ließe sich das Bischofsamt der EKR als das höchste und angesehenste Amt der Siebenbürger Sachsen überhaupt bezeichnen. Die „Sachsenbischöfe“ seien prägende politische und theologische Persönlichkeiten mit vielfach langer Amtsdauer. So amtierten seit Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart lediglich vier Bischöfe, im Vergleich dazu sieben Päpste der römischen Weltkirche.

Der Film „Kinderspiel und Berufung“ wurde im Jahr 2007 – als Hermannstadt Europäische Kulturhauptstadt war – gedreht. Christoph Klein stand damals im Zenit seiner Laufbahn, im 70. Lebensjahr und 17. Jahr seines Bischofsamtes, welches er bis 2010 weiterführen sollte. Es handelt sich beim Film überwiegend um Selbstauskünfte des damaligen Bischofs über seine Familie: die Eltern, das einst bürgerliche Elternhaus, in dem Räume requiriert und mit Fremden belegt waren, die gelähmte Mutter, der in politischer Haft einsitzende Vater – ehemaliger Direktor der Hermann­städter Allgemeinen Sparkassa –, der frühe Wunsch des Jungen Pfarrer zu werden, die Entscheidung für das Theologie-Studium in Klausenburg, Vikariat in Zeiden, erste Pfarrstelle in Katzendorf, Berufung zum Stadtpfarrer in Hermannstadt, Promotion, parallele Tätigkeit als Dozent am Theologischen Institut, Aufgabe des Amtes als Stadtpfarrer und Wechsel ans Institut, Berufung zum Bischofsvikar, die politische Wende 1989, der Tod seines Vorgängers im Bischofsamt Albert Klein im Februar 1990. In diesem Jahr wanderten nahezu 100000 evangelische Gemeindeglieder und zahlreiche Pfarrer aus, das radikalste Ereignis in der damals 800-jährigen Geschichte dieser Kirche. Die Lebensstationen Christoph Kleins werden im Film vielfach durch das Aufsuchen der genannten Orte, etwa des Pfarrhauses in Katzendorf, visualisiert und durch anekdotische Berichte über die Lebensumstände dargestellt. Die Kinderjahre des Bischofs, der Freude am „Predigen“ hat – daher der Filmtitel –, werden durch schwarz-weiße Spielfilmszenen mit dem damaligen Schüler und heutigen Kirchenmusiker und Pfarrvikar Maximilian Braisch dargestellt. Parallel gibt es im Film immer wieder eingeschobene Szenen, die den sächsischen Bildhauer Kurtfritz Handel bei der Formung einer Porträtskulptur von Bischof Klein zeigen. Außerdem gibt es Fremdzeugnisse von Weggefährten, so der ehemaligen Stadtpfarrer Mathias Pelger und Wolfgang Rehner sowie des Theologiedozenten Hermann Pitters.

In der Diskussion wurden Christoph Kleins herausragende Leistungen, beharrlicher Fleiß und Zielstrebigkeit betont und gewürdigt. Neben seinen Tätigkeiten im Pfarramt arbeitete er konzentriert auf Promotion und Dozententätigkeit hin. Sein theologisches und kirchengeschichtliches Werk beschäftigt sich insbesondere mit dem Thema Versöhnung. Daneben hat er Werke zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen, theologische Reflexionen zur Zukunft der EKR, zahlreiche Predigtsammlungen, aber auch ein intimes Buch „Am Ende das Licht“ über das lange Abschiednehmen von seiner ersten Ehefrau, die aufgrund einer unheilbaren Krankheit starb, veröffentlicht.

Michael Gross hob in der Diskussion hervor, dass es für Christoph Klein, der schon lange Zeit als „papabile“ und Nachfolger Albert Kleins im Bischofsamt galt, ein unsagbares Glück war, dass sein Vorgänger erst nach der politischen Wende in Rumänien verstarb, dass Christoph Klein sein Amt ohne die zuvor im totalitären Staat auf die Kirchen und deren Amts- und Würdenträger ausgeübten Repressionen antreten konnte, die ihn zuvor wahrscheinlich zu Kompromissen und möglicherweise zu Kompromittierungen gezwungen hätten. Christoph Klein hatte – so Gross – 1990 einen Ruf als Professor an die Evangelische Theologische Fakultät der Universität Wien erhalten, diesen aber zugunsten seines als natürliche Pflicht angesehenen Dienstes in der Heimatkirche abgelehnt. Gross hob noch einmal die im Film von Klein aufgegriffene Szene hervor, die die prophetische Weit- und Klarsicht von Bischof Christoph Klein im Nachhinein bestätigte. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Landesbischof wurde Klein von einem bundesdeutschen Fernsehkorrespondenten gefragt: „Was schätzen Sie, wie lange werden Sie Ihr Amt noch ausüben, wo Ihre Kirche sich doch auflöst?“. Die Antwort Kleins: „Ich bin mir sicher, dass ich in dieser Kirche noch einen Nachfolger haben werde.“ Die Zeitläufte haben Christoph Klein Recht gegeben. Seit 2010 amtiert ein Nachfolger. Die EKR ist erfolgreich von einer Volkskirche zu einer für andere offenen Diasporakirche geworden. Es gibt an die 40 Pfarrerinnen und Pfarrer, eine seelsorgerliche Versorgung aller Gemeindeglieder, ein Jugend-, Frauen- und Diakonisches Werk, eine evangelische Akademie, ein landeskirchliches Museum, kirchliche Erholungsheime, Bachchöre, professionelle Öffentlichkeitsarbeit, Internetgottesdienste und sogar Personal und Räumlichkeiten für die Unterbringung und Versorgung ukrainischer Flüchtlinge. Das kirchliche Leben in der EKR blüht und gedeiht, bei allen äußeren Schwierigkeiten. Es ist einem Pfingstwunder gleichzusetzen. Nicht geringen Verdienst an dieser Blüte hat Altbischof Christoph Klein. Um mit Konrad Klein zu persiflieren: „Trotz dieses Namens ist er ein Großer“.

Zum Schluss wurde die Machart des Filmes, die Zurückhaltung der Regisseurin Christel Ungar, den Zeitzeugen und ihren Sichtweisen Raum zu geben, gewürdigt. Der Film ist damit selbst zu einem ein Leben nachzeichnenden Dokument höchster Güte geworden.

vr

Schlagwörter: Heimattag 2023, Filmvorführung, Bischof, EKR

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