15. März 2022

Sein Platz wird leer bleiben: Schriftstellerin und Verlegerin erinnern an Hans Bergel

Die Schriftstellerin Ana Blandiana und Verlegerin Karin Timme gedenken Hans Bergel, der am 26. Februar 2022 im Alter von 96 Jahren in Starnberg gestorben ist.
Hans Bergel mit Ana Blandiana (2001). Foto: Ion ...
Hans Bergel mit Ana Blandiana (2001). Foto: Ion Gavrilă Ogoranu / Bildarchiv Konrad Klein
Es ist nicht das erste Mal, dass ich über Hans Bergel schreibe, und ich glaube, es ist auch nicht zum letzten Mal. Wahrlich habe ich aber noch nie aus einem so feierlichen Anlass geschrieben. Was kann feierlicher sein, als dieser Schritt des Hiatus zwischen zwei Welten, lediglich drei Jahre vor der Jahrhundertfeier, dieser Schritt von einer Biographie zur Biblioraphie, vom Leben ins Jenseits als letzte Vollendung eines außergewöhnlichen Schicksals.

Meine Beziehung zu Hans Bergel hatte verschiedene Seiten, so dass sie schon fast holographisch zu sein scheint. Einerseits waren wir beide zwei Schriftsteller, die sich gegenseitig gelesen haben (was nicht häufig passiert bei zwei Autoren der Gegenwart). Andererseits war er für mich eine Person, die gleichermaßen der Literatur und der Geschichte angehört – ein literarischer Held (weil „sein Leben ein Roman ist“) – und einfach nur ein Held, da dieser „Roman“ gerade die Geschichte des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Romancier, Erzähler, Poet, Essayist, Musiker, Redner, Leistungssportler, Polemiker, „Grenzgänger“, Kämpfer in den Bergen, politischer Häftling – Bergel ist eine poliandrische Persönlichkeit, deren viele Facetten in dem Sinne strahlen, von welcher Seite des Lebens oder der Geschichte sie gerade betrachtet wird.

Unsere Traurigkeit, mit der wir seinen Weggang von uns begleiten, gehört nicht zum Abschluss eines Schicksals – majestätisch, würde ich sagen –, sondern zur Gewissheit, dass er niemals ersetzt werden kann mit jemanden gleichen Wertes, Ausstrahlung und Komplexität. Sein Platz wird leer bleiben!

Ana Blandiana, Bukarest

(Der Text „Locul lui va rămâne gol“ wurde von Katharina Kilzer ins Deutsche übersetzt)

Über die verlegerische Arbeit mit Hans Bergel

Kurz vor dem Weihnachtsfest 2009 schrieb ich zum ersten Mal an Hans Bergel. Ich sandte ihm ein druckfrisches Exemplar der Biographie „Der Mann ohne Vaterland. Hans Bergel – Leben und Werk“ von Renate Windisch-Middendorf, die kurz zuvor im Verlag Frank & Timme erschienen war. Aus diesem ersten Kontakt entspann sich ein Briefwechsel, begleitet von zahlreichen Telefonaten, persönlichen Treffen und vertrauensvollen Gesprächen. Bereits im Oktober 2010 veröffentlichten wir seinen Erzählband „Am Vorabend des Taifuns“ in der noch jungen Edition Noack & Block. Es folgten 18 weitere Bücher. Neben den großen Romanen, wunderbaren Erzählungen und pointierten Essays, dem Tagebuch (1995-2000) und dem beeindruckenden Briefwechsel mit dem Lyriker und Freund Manfred Winkler sind es auch Hans Bergels Gedichte, die mich besonders berühren. Er war ein fulminanter Lyriker, ein Umstand, der in all seinen Texten anklingt. Wortgewaltig und stilistisch virtuos formulierte er – mal laut, mal leise, mal heiter-beschwingt, mal mit erbarmungsloser Härte – stets so, wie es der jeweilige Gegenstand verlangte. Seine Texte nehmen mich bei jeder Lektüre aufs Neue für sich ein.

Ganz zu Beginn unserer Zusammenarbeit fragte Hans Bergel mich einmal, ob es problematisch sei, dass er nach wie vor auf seiner Schreibmaschine und nicht am Computer schriebe. Er wäre durchaus bereit, noch einmal umzulernen, scheue aber doch davor zurück. Uns war beiden klar, dass die Auseinandersetzung mit der für ihn neuen Technik seinen Schreibprozess stark beeinflussen würde. Er blieb bei der Schreibmaschine. Neue Manuskripte schickte er uns in dicken Mappen. Die Arbeit am Manuskript selbst war jedes Mal intensiv. Auf die Digitalisierung der Schreibmaschinenseiten folgten etliche Korrekturläufe. Oft war Hans Bergel dabei kritischer als die Lektorin. Bis zur letzten Minute gingen Briefe, Faxe und Anrufe hin und her. Bis zur Druckfreigabe feilte er an einzelnen Formulierungen.

Ich bin unendlich dankbar für die Begegnung mit Hans Bergel. Mit ihm arbeiten zu dürfen, sein Vertrauen und seine Wertschätzung zu genießen, seine Bücher zu verlegen – all das ist ein großes Geschenk. Uns ist bewusst, dass damit die Verantwortung für die Pflege seines grandiosen Werkes verbunden ist. Hans Bergel ist ein Autor von Weltrang – sein Werk wird bleiben.

Karin Timme

Die Autorin ist Verlegerin der Edition Noack & Block und des Verlags Frank & Timme in Berlin.

Schlagwörter: Kultur, Hans Bergel, Schriftsteller, Publizist, Siebenbürgische Zeitung, Rosenau, Blandiana

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