15. Dezember 2021

Luxemburg feiert seine Sprache

Vor 50 Jahren wurde die „Actioun Lëtzebuergesch“ gegründet, die Bürgerinitiative, die der Nationalsprache Luxemburgs zum Durchbruch verhalf. Aber fest etabliert ist das Luxemburgische bis heute noch nicht.
Was die Sprachenpolitik betrifft, ist Luxemburg ein Spätberufener. Obwohl das Land bereits 1839 seine Unabhängigkeit in seiner heutigen Form erkämpfte, dauerte es bis 1984, bis es seine Nationalsprache, das Lëtzebuergesche, auch zur offiziellen Staatssprache erklärte. Das hatte ganz viel mit einer ungeklärten nationalen Identität zu tun, da es ein Luxemburger Nationalbewusstsein bis ins 20. Jahrhundert nicht gab. Die Gründe hierfür liegen in der ungünstigen geographischen Lage des Ländchens zwischen drei überdimensional größeren Nachbarländern, die sich bis 1945 mit einem unabhängigen Luxemburg nicht abfinden wollten. Aber die Gründe waren auch hausgemacht: In Luxemburg, dessen Herrscherdynastie niederländisch und deutsch und dessen Währung deutsch und belgisch und dessen Gesetze französisch waren, konnte man sich lange nicht einigen, wo man eigentlich hingehört. Dazu kommt noch, dass das, was eigentlich eine Nation ausmacht, eine eigene Sprache und Kultur, zwar existierte, aber 150 Jahre lang ein Schattendasein führte. Kultur und Sprache waren in Luxemburg immer nur zweitrangig, die Regierung hatte immer wichtigeres zu tun.

Der Pionier der geschriebenen Luxemburger Sprache war ein Schlesier

Der Bevölkerung in Luxemburg war seine Kultur jedoch immer schon sehr wichtig und das Volk wusste instinktiv, dass es als eigene Nation auch eine eigene Sprache brauchte. So war es kein Wunder, dass erste Tendenzen die Volkssprache, das Luxemburgische zu schreiben, kurz nach der Wiederbegründung der Luxemburger staatlichen Entität im Jahre 1815, als erstmals von einem Großherzogtum im Rahmen des niederländischen Königreiches die Rede war, eine Zeitung erschien, die teilweise in Luxemburgisch veröffentlichte. Es war das „Luxemburger Wochenblatt“, gegründet und redigiert von dem Schlesier Georg Friedrich Weiss aus Breslau. Das erste Sprachdokument war ein Gedicht, das den merkwürdigerweise französischen Titel „Les derniers Voeux d’un Ivrogne. (En patois de Luxembourg)“ trägt, aber der Text selbst ist auf Lëtzebuergesch geschrieben. Weiss, der wohl selbst auch privat dem Alkohol zugesprochen hatte, wurde so ungewollt Mitbegründer der Luxemburger Mehrsprachigkeit, die heute zum Markenkern Luxemburgs geworden ist, denn seine Zeitung war eine deutsche, die Überschrift seines Gedichts eine französische, aber der Inhalt ein Luxemburgischer. Weil Weiß, bevor er die Zeitung gründete, die nur fünf Jahre existierte, Sekretär der unbeliebten deutschen Bundesfestung war, die bis 1867 existierte, hat die Luxemburger Kulturgeschichte ihn weitgehend ausgeblendet. Als Begründer der Luxemburger Dichtung gelten Luxemburger wie Antoine Meyer (1801-1857), Michel Lentz (1820-1893) oder Edmond de la Fontaine (1823-1891) und vor allem Michel Rodange (1827-1876), der mit dem „Reinert“ das Luxemburger Nationalepos schuf. Einen Durchbruch schaffte unter ihnen das Lëtzebuergesche jedoch noch lange nicht, im Parlament wurden die Reden weiterhin auf Französisch gehalten. Erst die Annexion durch Hitler Deutschland im Jahre 1940 und die Germanisierungsbestrebungen der NS-Verwaltung führten zu einem Durchbruch für die Nationalsprache als Sprache des Widerstands. Nach dem Krieg war es das große Verdienst des ersten deutschen Botschaftsrats, Otto Rienermann (1911-1970), der selbst in Luxemburg geboren wurde, dass das Deutsche weiterhin eine offizielle Sprache blieb und nicht wie im benachbarten einst deutschsprachigen Lothringen und im Arelerland in Belgien aus der Öffentlichkeit verdrängt wurde.

Bürgerbewegung mit staatstragender Funktion

Für die Aufwertung des Lëtzebuergeschen zur Nationalsprache hatte sich nicht etwa eine Luxemburger Nachkriegsregierung eingesetzt, sondern seit 1971 die Bürgerinitiative „Actioun Lëtzebuergesch“. Sie schaffte es mit nur 1000 bis 2000 Mitgliedern ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Sprache zu schaffen. Dass es das Gesetz von 1984 gab, dass es heute in Luxemburg überall dreisprachige Ortsschilder oder Straßennamen gibt und dass es in den Schulen ein Fach „Luxemburgisch“ gibt, war ihr Werk. Getragen wurde diese staatstragende Bürgerinitiative zunächst vor allem durch Lehrer, auch der erste Präsident Lex Roth war ein Lehrer. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil hat sich auch die katholische Kirche zu einem Hort der Volkssprache entwickelt. Nirgendwo sonst wie in der Kirche, ist das Luxemburgische heute so präsent. So ist seit 1997 der zweite Präsident der „Actioun Lëtzebuergesch“ ein katholischer Priester, der Dechant von Grevenmacher Claude Bache. Einzige Nicht-Luxemburgerin im Vorstand der „Actioun Letzebuergesch“ ist übrigens die Rumänin Clara Moraru, die an der Lucian Blaga Universität in Hermannstadt studiert hat.

Die Luxemburger Ampelkoalition seit 2013 hat die Bedeutung der Nationalsprache aufgewertet, unter ihr wurde ein Kommissar für die Luxemburger Sprache ernannt und seit 2019 gibt es ein „Zenter fir d’Lëtzebuerger Sprooch“. Zum Jubiläum der „Actioun Lëtzebuergesch“ sprach sogar der Luxemburger Bildungsminister Claude Meisch ein Grußwort, er verließ jedoch vorzeitig die Veranstaltung. Vielleicht auch ein Zeichen dafür, wie wenig das Lëtzebuergesche, trotz fester Verankerung im öffentlichen Leben, immer noch gilt. So ist das Gesetz von 1984, das das Lëtzebuergesche zur Nationalsprache Luxemburgs macht, nur auf Französisch abgefasst. Luxemburg bleibt auch weiterhin das einzige EU-Land, das darauf verzichtet, seine Nationalsprache zu einer offiziellen Sprache der EU zu machen. Sogar das Irische, das nur noch von 70000 Iren als Muttersprache gesprochen wird, ist seit dem Beitritt des Landes eine offizielle EU-Sprache.

Bodo Bost

Schlagwörter: Luxemburg, Sprache, Kultur, Sprachgeschichte, Jubiläum

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