5. März 2017

Abschied von verdienter Lehrerin Inge Jekeli

Am 17. Februar wurde die verdiente Lehrerin Ingeborg Jekeli unter großer Anteilnahme in Mediasch zu Grabe geleitet. In der Friedhofskapelle fanden sich neben der Familie zahlreiche Sachsen, Rumänen und Ungarn ein, um dankbar Abschied zu nehmen von einem Menschen, der ihnen in der Schule und im täglichen Leben den aufrechten Gang vorgelebt hat. Pfarrer Gerhard Servatius-Depner würdigte die Verstorbene in einer bewegenden zweisprachigen Andacht mit dem folgenden Nachruf.
Ingeborg Jekeli wurde am 3. November 1930 in Mediasch geboren, als Ältestes von sechs Kindern des Arztes Adolf Jekeli und der Ilse, geborene Binder, aus Langenthal. Inge, so wie wir sie alle kannten, hat ihr ganzes Leben in Mediasch verbracht. Inge ist in einem guten, vor allem fröhlichen Elternhaus aufgewachsen. Schon in ihrer Kindheit zeigte sich ihre enorme Energie, ein Vorteil in vielerlei Hinsicht, war sie doch für ihre Brüder und Schwestern die respektierte, manchmal auch gefürchtete große Schwester; ab und zu „Bulibascha” genannt. In einem Interview sagte sie vor 16 Jahren: „Ich war ein schwieriges Kind: ein großer Widerspruchgeist und bestimmt nicht leicht lenkbar. Aber heute denke ich, dass Kinder, die selbst schwierig sind und denen das Erwachsenwerden nicht leicht fällt, in späteren Jahren viel mehr Verständnis für schwierige Kinder aufbringen und mit solchen, die nicht unbedingt in allem konform sind, leichter umgehen können.”

Den 23. August 1944 erlebte sie bei den Großeltern in Langenthal. Als die Erwachsenen vor herannahenden Truppen mit weiteren zehn Kindern ins Pfarrhaus nach Scholten flüchteten, soll Inge den Kindern im Wagen, während es regnete, die Geschichte vom König Drosselbart erzählt haben. Solche Erfahrungen des Lebens haben bewirkt, dass sie in ihrem Herzen darauf vertraute, dass man der Angst nur durch Tätigsein entgegenwirken kann. Sie selbst sagte: „Wenn ich heute spüre, dass ich vor irgendetwas Angst habe, dass mich Angst beschleicht, weiß ich, dass ich durch Tätigkeit dieser Angst entgegenwirken kann.”

Sie besuchte die Grundschule in ihrer Heimatstadt und ging dann nach Schäßburg aufs Lehrerinnenseminar. Dort hat sie der Naturkundelehrer Eckhart Hügel am meisten beeindruckt. Dieser Lehrer war so anders als alle anderen. Er fragte immer: „Warum?”, und „Wieso?” Er war es, der ihren Entschluss reifen ließ, Chemie und Biologie zu studieren. Davor kam sie zuerst als Lehrerin nach Mediasch, zur großen Freude des Direktors Andreas Kloos, der über ihren Entschluss zu studieren gar nicht froh war. Doch Inge, wir alle kennen sie sehr gut, war eine entschlossene Natur. Was sie wollte, verfolgte sie eisern, auch scheute sie nie die Konfrontation, wenn es ihr wichtig erschien. Während des Studiums in Klausenburg hatte sie es nicht leicht, die Zeiten waren anders als heute. Sie selbst erzählte allerdings lieber von den schönen Seiten: „Es war eine so schöne und reiche Zeit, mit Chorarbeit und Literaturtreffen, mit Ausflügen und Freundschaften. Wir haben wahnsinnig intensiv gelebt. Vielleicht gerade deshalb, weil wir so arm waren. Ich bin auch heute der Meinung, dass eine Studentenzeit sehr viel besser ist, wenn das Geld knapp ist.” Um ihr Studium zu finanzieren, gab sie Kindern von Professoren in Deutsch gehaltene Privatstunden.
Inge Jekeli (1930-2017) ...
Inge Jekeli (1930-2017)
Früher, wenn sie mit Freundinnen über die Berufswahl sprach, habe sie gesagt: „Alles, nor net Līrer!” („Alles, nur nicht Lehrer!”) Doch spätestens nach dem Abschluss des Studiums bekannte sie, genau gewusst zu haben, dass sie ins Lehramt wollte. Und dann hat sie unterrichtet – 51 Jahre lang! Mehr als ein halbes Jahrhundert stand sie vor oder mitten unter ihren Schülern und hat unterrichtet, zugleich auch enorm viel gelernt. Sie hat nie Langeweile gespürt – auf diese Idee wäre sie gar nicht gekommen! Nicht der Stoff, sondern das Bestreben, etwas mitzuteilen, damit der andere auch erkennt und somit lernt, war ihr Antrieb. Sie freute sich immer sehr, wenn die Schüler im Unterricht etwas fragten, was sie sich selbst noch nie gefragt hatte. Denn sie meinte und war zugleich überzeugt, dass man in der Schule lernen müsse, die richtigen Fragen zu stellen.

1988 ging sie in Rente, um gleich darauf – wegen akutem Lehrermangel – wieder in den Dienst zu treten und weiter zu unterrichten. Inge Jekeli hatte sich von den Ideologen des kommunistischen Rumäniens nicht verbiegen lassen und sie blieb auch standhaft, als die Dämme 1990 brachen und viele, nicht nur aus ihrer Sicht sicherlich allzu viele, dem Land ihrer Väter den Rücken zu kehrten. Sie ist hier geblieben, in ihrer Heimat, in ihrem vielgeliebten Mediasch, und begegnete ungeahnten Herausforderungen mit viel Mut und Zuversicht. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die heutige Gymnasialschule „Hermann Oberth” zu einer Zentrumsschule geworden ist, in der auch Kinder aus den Dörfern der Umgebung unterrichtet werden konnten und können. Es ist auch ihr Verdienst, dass wir weiterhin in Mediasch eine Schule mit deutscher Unterrichtssprache haben, die eine jahrhundertelange Tradition unserer Stadt fortführt. Von 1994-1998 war sie zugleich Leiterin dieser Schule. Energisch und zielstrebig betrieb sie als Bauleiterin des Projekts die Erweiterung um vier moderne Klassenräume in der Mansarde des alten Volksschulgebäudes.

Inge Jekeli hat bis ins hohe Alter in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv gewirkt, immer wieder helfend, ordnend und Mut machend durch Wort oder Tat. So wurde sie für uns alle ein Vorbild für das Leben. Wir können hier nur die wichtigsten Gremien nennen, in denen sie tätig war: das Demokratische Forum der Deutschen, die Evangelische Kirchengemeinde, nicht zuletzt der Kirchenchor, die Evangelische Akademie Siebenbürgen, das Lehrerfortbildungszentrum, die Saxonia-Stiftung, die Rumänienhilfe Wegscheid, der Evangelische Diakonieverein und viele mehr. Für ihre Verdienste wurde sie vielfach geehrt, sie wurde „Verdienter Fachlehrer“ („profesor fruntaș) im Jahr 1963, 1997 wurde ihr das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland verliehen, 1999 die Würde einer Ehrenbürgerin der Stadt Mediasch, 2002 die Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums und schließlich im Rahmen des Großen Mediascher Treffens in Dinkelsbühl 2013 die Stephan-Ludwig-Roth-Medaille des Verbandes der Siebenbürger Sachsen.

In dem Haus, in dem sie ihre Kindheit und ihr ganzes Leben verbracht hat, widmete sie viel Zeit ihrem Garten, auf den sie sehr stolz war und den sie gerne den Besuchern zeigte. Sie war eine unermüdliche Gastgeberin. Im Gespräch mit ihr konnte man Raum und Zeit vergessen. Auf die Frage, was ihr lebenswichtig sei, antwortete sie: „Zeit meines Lebens waren mir Freundschaften sehr wichtig.” Mit großer Freude erinnerte sie sich an die Fahrten, die sie in der Jugend zu den Kirchenburgen führte, an die menschliche Solidarität, die sie in der nicht selten schwierigen Zeit erfahren hat. Eine Begebenheit hatte sich ihr besonders tief eingeprägt. In der Nähe von Almen sahen sie einen Baum, den sie „unseren Symbolbaum” nannten: halb vertrocknet, halb in Blüte stand er da. Er stand für Inge und ihre Freunde für unsere sächsische Gemeinschaft: eigentlich tot, leben wir dennoch weiter!

Inges Jekelis Bescheidenheit, ja ihre Demut wurde im Laufe der Jahre, im Alter, immer tiefer. Sie konnte sich wie ein Kind über jede schöne Erfahrung, über jede Veranstaltung freuen. Sie hat das Schöne überaus geliebt – sie freute sich an Konzerten, sie kam gerne zu den Gottesdiensten und zu den Gemeindefesten, weil sie die Gemeinschaft liebte. Sie hat in der Musik, in der bildenden Kunst das Schöne gefunden, aus dem sie ihre Zuversicht schöpfte. Sie sagte einmal: „Die Zeit, in der ich ruhig vor einem Blatt Papier sitze, um Dinge, die mir wichtig sind, aufzuschreiben, wird nie kommen. Ich schreibe auch kein Tagebuch. Mein Tagebuch ist ein Tu-Buch.”

Einige von uns kennen ihre Antwort auf die Frage: „Woher schöpfst Du die Kraft für dein vielschichtiges Engagement?“ Sie lautet: „Aus der Tatsache, dass ich hier gebraucht werde. Dass mein Tun sinnvoll ist, gibt mir Mut und Kraft weiterzumachen, den nächsten Tag, die nächste Woche, das nächste Jahr mit Vertrauen zu beginnen. Ich harre hier nicht aus nach dem Motto ‚et vergiht jo‘ (‚es vergeht ja‘), sondern ich lebe hier! Alle Schwierigkeiten sind mir eine Herausforderung, der ich mich stelle. In jeder Krisenzeit stirbt Altes und es wächst Neues. Diesem Neuen zum Durchbruch zu verhelfen, gibt meinem Leben Sinn.“ Diesem „Credo” ist Inge Jekeli Zeit ihres Lebens treu geblieben. Wir wissen es zu gut: oft konnte sie die Hände zusammenschlagen und „Joj! Joi!” ausrufen – doch ist sie nie bei diesem „Joi” stehen geblieben!

Am 10. Februar 2017 ist Inge Jekeli im Alter von 86 Jahren nach kurzer Krankheit in Mediasch verstorben. Ihr letztes Wort war „Danke!“, nachdem ein Schüler sie von seinem Mobiltelefon den Eingangschor aus der „Matthäuspassion” von Johann Sebastian Bach hatte hören lassen. Die Liebe zu den Blumen bescherte ihr jenen Spitznamen, unter dem viele sie auch kannten – „de Blom“. Bei Jesaja lesen wir: „Alles Fleisch ist Gras, und all seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ „De Blom“ ist nicht mehr! Das Wort Gottes, das auch ihr immer wieder Kraft geschenkt hat, bleibt aber weiter und wird auch uns Kraft geben, aus dem Vorbild von Inge Jekeli und aus seiner Gnade, unser Leben zu führen. Sie hat Generationen von Kindern begleitet und geformt; dafür danken wir ihr zutiefst.

Gerhard Servatius-Depner

Schlagwörter: Nachruf, Lehrerin, Mediasch

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