10. Dezember 2013

Eine Chronologie von Geiz und Gier - Werner Platzner kritisiert die Wohlstandsgesellschaft

Vom Neandertaler bis hin zum modernen Menschen verfolgt der 1955 in Hermannstadt geborene, 1971 in die Bundesrepublik ausgesiedelte Autor Werner Platzner in seinem kürzlich erschienenen Buch „Wir wollen Wohlstand, mehr Wohlstand“ die Entwicklung von Wirtschaft und Wohlstand. Dabei blickt er mit einem kritischen Auge auf die heutige Konsumgesellschaft, denn wo Wohlstand das einzige erklärte Ziel ist, bleibt die Zufriedenheit schnell auf der Strecke.
1957 forderte der damalige Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard mit einem populären Buch „Wohlstand für alle“ und sprach damit einem Großteil der Deutschen aus dem Herzen. In vielerlei Hinsicht wurde seine Forderung seitdem erfüllt – vielleicht sogar übererfüllt. Wie sonst ist es zu erklären, dass ein gewöhnlicher Bürger, der sich selbst weder als Philosoph noch als Politiker noch als Betriebswirtschaftler sieht, ein Buch veröffentlicht, das das Streben nach Besitz und Reichtum scharf verurteilt? „Für mich ist – Wohlstand – das absolute Unwort der Moderne, wobei ich Moderne in diesem Zusammenhang schon als Unwort bezeichnen würde“, schreibt Platzner.
Werner Platzner ...
Werner Platzner
Nicht auf allen Seiten des Buches greift er zu so klaren Worten. Es geht ihm sichtlich darum, seine Gesellschaftskritik in einen historisch weiten Rahmen zu spannen. Wenn man dem Autor glauben darf, begann die Geschichte unseres Wohlstands vor einigen tausend Jahren mit einem findigen Steinzeitmenschen. Dieser Vertreter der Gattung Homo sapiens hatte ein sogenanntes „Aha-Erlebnis“, als er bemerkte, dass man Stöcke und Steine zur Jagd einsetzen kann. Von der Erfindung solcher primitiver Werkzeuge war es – abgesehen von einigen Zwischenschritten wie der Entdeckung der praktischen Eigenschaften von Metallen und der Erfindung des Rades – gar nicht so weit bis zur Epoche der industriellen Revolution. Die Entwicklung der Dampfmaschine und der Elektrizität, die Erfindung immer schnellerer Fortbewegungsmittel und die rasante Veränderung der Kommunikationsmittel führten letztendlich zu der Gesellschaft, in der wir heute leben: Einer Wohlstandsgesellschaft.
Was Platzner kritisiert, ist nicht der Wohlstand an sich. Er beklagt die kompromisslose Ausrichtung der Gesellschaft auf Besitz und Vermögen, die fast schon sprichwörtlich gewordene „Geiz ist geil“-Mentalität, in der das eigentliche Ziel Ludwig Erhards – die Zufriedenheit seiner Landsleute – zusehends an Bedeutung verliert. Ist diese Kritik berechtigt? Oder ist sie selbst vielleicht nur ein Ausdruck dessen, dass wir nie genug kriegen können? Schon Arthur Schopenhauer hat festgestellt: „Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ Kaum haben wir ein Ziel erreicht, streben wir schon wieder das nächste Ziel an.

Auch Werner Platzner nimmt sich wenig Zeit, um innezuhalten und die positiven Aspekte der heutigen Situation zu suchen. Dadurch entsteht leicht der Eindruck einer Idealisierung der Vergangenheit. War früher wirklich alles besser? Für ihn eine berechtigte Frage. Der Wohlstand habe kontinuierlich zugenommen und sei so hoch wie nie zuvor, die Lebensqualität hingegen habe abgenommen, schreibt er. Wie so vieles ist die Beantwortung der Frage also eine Sache der Perspektive. Für Platzner ist auf jeden Fall klar: Besser wird es nicht mehr. „Man muss nicht hellsehen können, um zu wissen, wo das System Marktwirtschaft endet. Es muss im Chaos enden.“

Mit dieser düsteren Vision und fundamentalen Systemkritik endet sein Buch. Der Leser soll sich nun selbst Gedanken darüber machen, wie die heutige Situation zu einem guten Ende geführt werden kann. Mit originellen Lösungsansätzen geht der Autor sparsam um. Hier sieht er Wissenschaftler in der Pflicht, deren Bewusstsein für die Problematik er durch sein Buch zu erwecken hofft. Ob ihm das gelingen wird? Das bleibt abzuwarten. Vielleicht schafft er es allerdings, den ein oder anderen skrupellosen Homo oeconomicus unter seinen Lesern in einen verantwortungsvollen Homo sapiens zurückzuverwandeln.

Angelika Stefan




Werner Platzner: „Wir wollen Wohlstand, mehr Wohlstand: Gedanken über den Anfang von Allem und das menschliche Sein“, Manuela Kinzel Verlag 2013, 96 Seiten, Preis: 7,90 Euro, ISBN: 978-3-937367-93-4.

Schlagwörter: Buchvorstellung, Gesellschaft

Bewerten:

11 Bewertungen: +

Neueste Kommentare

  • 10.12.2013, 07:58 Uhr von orbo: Unter Ingenieueren ist ein Messergebnis mit schlechten Werten auch ein Messergebnis, das zu kennen ... [weiter]
  • 10.12.2013, 06:48 Uhr von bankban: Endlich! Das Buch, auf das die Menschheit so sehnsüchtig gewartet... [weiter]

Artikel wurde 2 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.