8. September 2012

Wiederholungstäter: das Festival "Muzica Suprimata" in vier siebenbürgischen Städten

Vom 11. bis zum 30. September zieht das Festival „Muzica Suprimata“ wieder durch Siebenbürgen. Vier Städte sind es: Hermannstadt, Mediasch, Schässburg und Kronstadt, vier Programme ebenfalls: ein Klavierrezital, eine Lyrik+Musik-Collage, ein Liederabend und ein Violine+Klavier-Duo.
Das Konzept für „Muzica Suprimata“ heißt, verdrängte Musik europäischer Provenienz aufzuspüren und dasjenige für die gesamteuropäische Kultur präsent zu halten, was aus der durch deutschen Hochmut unseligen Zwischenkriegszeit wieder verfügbar geworden ist. Die Veranstalter möchten damit das nach Siebenbürgen bringen, was teilweise seine Heimat hier hatte und was sie der Aufmerksamkeit und des Bewahrens wert fanden. Das ist möglich dank der Unterstützung mit deutschem und österreichischem Geld, das heißt also auch in deutschem und österreichischem gesellschaftlichem Auftrag.

Ständiger Bestandteil der Programme noch für Jahre wird die Musik des Hermannstädters Norbert von Hannenheim sein. Neu hinzu kommt in diesem Jahr Philipp Herschkowitsch, der in Jassy geboren wurde.

In zwei Konzerten kann das Publikum den Pianisten Moritz Ernst wieder erleben. Er wird weitere Sonaten von Hannenheim und Viktor Ullmann spielen, eingebunden in den musikgeschichtlichen Zusammenhang der „Hohen Kunst der Fuge“, vom frühen Barock - Samuel Scheidt - über Johann Sebastian Bach bis zur beginnenden Moderne - Ferruccio Busoni - und schließlich, inspiriert von Busoni, der sich hinwiederum inspirieren ließ von Bach, über den Beginn hinaus zu Viktor Ullmann und Norbert von Hannenheim, hinter denen die Entwicklung für lange Zeit stecken blieb.

Und im Lyrik+Musik-Programm „Verse in Dur und Moll“. Hierbei geht es nicht allein um unterdrückte Musik, es geht auch um unterdrückte Literatur, weil sie von Dichtern geschrieben wurde, die ebenfalls mit Leben und Werk unterdrückt wurden, manchmal verfolgt bis in den Tod. Mit dieser Veranstaltung soll Wolf von Aichelburg gewürdigt werden, dessen 100. Geburtstag sich in diesem Januar jährte. Dafür ist das Thema des Verlustes von Heimat ausgeweitet worden auf Dichter, die unter dem Nationalsozialismus litten, bis hin zu denen, die den realen Sozialismus verließen, um nicht den Lebensatem, ihre Dichtung, abdrücken zu lassen. Lyrik lebt davon, dass jedes Wort verstanden wird, weil nur so jedem Gedicht in seiner Befindlichkeit nachgespürt werden kann. Es geht um jedes Wort, um jedes, das gesprochen wird, und um das, was zwischen den Zeilen mitschwingt. Vermitteln wird die Gedichte der Rezitator Oskar Ansull, Autor und Herausgeber von Lyrik, der die Worte der Dichter so frisch spricht, als hätte er sie selbst im Beisein des Publikums soeben gefunden.

Die Gedichte werden nicht übersetzt. Sie sind also auf „deutsche Ohren“ angewiesen. Jedoch wird das gesamte Publikum Genuss und Freude an den Musikstücken haben, die paritätisch das Programm ausmachen. Ein Liederabend ist Kammermusik. Hier wollen nicht große Gefühle stimmgewaltig mit großer Geste ein Panorama malen, hier werden Linien mit dem Silberstift gezogen. Die Lieder dieses Abends kommen aus der Zeit des Expressionismus, der mit dem Innenleben nicht Versteck spielen wollte, sondern aus sich heraus gehen, möglicherweise geradewegs bis in den Kosmos hinein. Und so ist es vielleicht auch kein Zufall, dass die Tonsprache sich in enormen Intervallsprüngen auslebt und in höchsten Höhen bewegt, die wohl zum ersten Mal Beethoven in der Ode an die Freude den Sängern abverlangt hat, wenn „der Cherub vor Gott steht“, der „über den Sternen wohnen muss“.

Von den gewohnten Melodiebögen kann man oft nur noch fragmentarisch etwas wahrnehmen. Es sind eher exaltierte seismographische Ausschläge, so wie man Gedanken, Gefühle innerlich vor sich hin schreit, ohne an die physikalischen Grenzen der Stimme einen Gedanken zu verschwenden.

„Wenn je ein Schönes mir zu bilden glückte“. Dass es gelang, das zu zeigen, ist der wohlgeübten Stimmdisziplin der Sängerin Irena Troupová und ihrem unbedingten Willen zum Nachvollzug zu danken, mitschöpferisch begleitet von dem Pianisten Jan Dušek.

Die Lieder werden in Textskizzen eingeführt; das Herz lässt sich nur dann berühren, wenn es eine Botschaft auffangen kann.

Das Violine+Klavier-Programm „Ein Hauch von Jazz“ bringt Musik aus der Zeit, als der gerade eben aus Amerika herübergeschwappte Jazz nicht nur „salonfähig“, sondern sogar konzertfähig gemacht wurde, nicht mehr nur zum Gliederschmeißen auf der Tanzfläche gut sein sollte, sondern zum höchstens zehenwippenden und schulterzuckenden im-Sessel-sitzen gedacht war. Also zivilisiertes Chaos.

Dieses veranstalten die in Bukarest geborene Pianistin Monica Gutman und der aus Kiew stammende Geiger Marat Dickermann. In Frankfurt am Main lebend, finden sie sich seit nunmehr über zwanzig Jahren zusammen, um ehemals verfemte Musik auf die Bühnen zu bringen. Verfemt nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Sowjetunion, wie die Russisch-Jüdische Nationale Schule.

Für sämtliche Konzerte ist der Eintritt frei. Weitere Informationen über E-Mail h.t.ambros [ät] gmx.net.

Heidemarie T. Ambros

Schlagwörter: Musik, Konzertreise

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