30. November 2009
Treffpunkt Langwasser: An Herta Müller führt kein Weg vorbei
Üblicherweise steht im Treffpunkt Langwasser im Haus der Heimat in Nürnberg Aktuelles im Vordergrund: diesmal, am 16. November, trotz 20 Jahre Fall der Berliner Mauer, die heurige Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Am 10. Dezember nimmt sie in Stockholm den hohen Preis in Empfang.
Ob Herta Müller dabei ihre Dankesworte wie am 1. November bei der Verleihung des „Franz-Werfel-Menschenrechtspreises“ der Stiftung gegen Vertreibungen in der Frankfurter Paulskirche dazu nutzt, nochmals kräftig auszuteilen – sie hatte von der Evangelischen Kirchenleitung in Hermannstadt eine Erklärung dafür verlangt, dass sie und ihr damaliger Ehegatte Richard Wagner nach ihrer Meinung auf Veranlassung der Ev. Kirchenleitung vom Forum Rumänien auf dem Ev. Kirchentag 1989 in Berlin „ausgeladen“ worden sei – ist weniger wahrscheinlich. Die Siebenbürgische Zeitung hat auch darüber am 15. November 2009 breit und differenziert berichtet, worüber sich die Runde im Haus der Heimat umfassend und auch mit kritischen Fragen äußerte. Dies umso mehr, als am 16. November die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einem kurzen Beitrag („Weiter Diskussion über Herta Müller“) mitteilte, sie habe „mit ihrem Mann die Teilnahme“ am Kirchentag 1989 selber „abgesagt“. Über die Kür von Herta Müller zur Nobelpreisträgerin dieses Jahres, darüber, wie wertvoll ihr literarisches Werk, besonders ihr letzter Roman „Atemschaukel“ auch für das Beleuchten eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen, ja aller Rumäniendeutschen, nämlich der Zweite Weltkrieg mit seinen grausamen Verstrickungen und die folgende Deportation in die Sowjetunion sei, bestand kein Zweifel. Im Gegenteil: Herta Müller wird dafür und auch für das Denkmal, das sie dem Siebenbürger Sachsen Oskar Pastior mit ihrer „Atemschaukel“ errichtet hat, großer Dank und große Bewunderung entgegengebracht. Die Teilnehmer am Treffpunkt hatten die Gelegenheit, das Geschehen in der Paulskirche mit der vollständigen Erklärung von Herta Müller im Film zu sehen und zu hören, sich dazu zu äußern. Darunter auch drei Anwesende, die am 1. November in der Paulskirche dabei waren: einer der dorthin eingeladenen zehn Deportierten mit seiner Gattin und der Autor dieser Zeilen. In seltener Einmütigkeit wurde sehr lobend festgestellt, dass die Siebenbürgische Zeitung grundsätzlich Herta Müllers Schaffen all die Jahre hinweg positiv begleitet (wer beispielsweise die wunderbare Rezension der „Atemschaukel“ von Michael Markel in dieser Zeitung vom 15. September – also drei Wochen vor der Literaturnobelpreisbekanntgabe 2009 – noch nicht gelesen hat, sollte dies schleunigst nachholen!) und nach dem 8. Oktober so umfassend und differenziert das Thema Herta Müller in den Vordergrund gestellt hat. Der Redaktion ist dies sehr hoch anzurechnen, auch und besonders, wie flott und ausgewogen auch das Thema Vorwürfe gegen die Landeskirche in Siebenbürgen in die Berichterstattung mit einbezogen wurde. Unser vorläufiges Fazit lautet: Man mag über Herta Müller als Person unterschiedlicher Meinung sein, ihren Mut, ihr Vorpreschen, ihre Unerschrockenheit, Diktatur beim Namen zu nennen und auch delikate Fragen öffentlich anzusprechen, so oder so sehen, eines bleibt jedoch klar: Herta Müller und ihr literarisches Werk haben das Nobelpreiskomitee heuer überzeugt und wir alle haben in ihr eine eindeutig würdige Nobelpreisträgerin.
Horst Göbbel
Schlagwörter: Nürnberg, Herta Müller, Literatur
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