27. Februar 2024

Urzeln in Sachsenheim: Ein Ongniethler Pfarrer aus dem Remstal

Am Samstag, dem 10. Februar, war es endlich wieder so weit: Mit lautem Hirräi!, Peitschengeknalle, Glockengebimmle wie beim Almabtrieb, mit allerlei Mummenschanz, Schabernack und Schmetcherien zogen wir Urzeln los in die Stadtteile Sachsenheims.
Stadtpfarrer Dieter Hofmann (2. von links) ...
Stadtpfarrer Dieter Hofmann (2. von links) spricht zur den Urzeln in Sachsenheim, flankiert von Thomas Lutsch (links) und Holger Albrich: Foto: Frau Motter Hofmann
Im Bus wurden die alten Klassiker wie „Rote Rosen“, „Westerwald“, „Ich ging einst am Ufer der Donau entlang“ und „Polenstädtchen“ geschmettert und erstmals auch aus aktuellem Anlass „Gute Freunde kann niemand trennen, gute Freunde sind nie allein, weil sie eines im Leben können: Füreinander da zu sein“ andächtig gesungen.

Hauptstation auf den Dörfern war diesmal das vom Sachsenheimer Bürgermeister Holger Albrich so genannte „gallische Dorf“ Ochsenbach, umrahmt von Häfnerhaslach, Spielberg und Hohenhaslach und Kleinsachsenheim respektive Kleinbonum, also das kleine Gute. Bürgermeister Albrich lobte den Zusammenhalt der Ochsenbacher, stellte aber auch deren Eigensinn im Posiviten heraus, gemäß dem Buch obstinación – Eigensinn des großen Württembergers Hermann Hesse.

Selbstredend wurde auf den Dörfern wie immer anständig Hochprozentiges getankt, damit der Motor läuft. In Ochsenbach jedoch gab es den vom Autor dieser Zeilen so geliebten Sachsenheimer Stadtwein „Muskat-Trollinger“ mit dem Attribut „fruchtig“. Die Stadt Sachsenheim ließ sich nicht lumpen: Die zum Wein kredenzten herrlichen schwäbischen Brezeln waren dieses Mal sogar mit Butter bestrichen.

Weiter ging‘s per Bus nach Großsachsenheim, wo am Bahnhof wieder viele hundert Menschen auf uns warteten und es viele freudige Hallos gab mit Menschen, die man das ganze Jahr oder länger nicht mehr gesehen hat.

Vor dem Wasserschloss sprach der Schultes Holger Albrich dann zum Volke und schwor seine Bürger zum Zusammenhalt ein. In diesen schweren Zeiten sei, so seine Rede an Heiligabend 2023 an selber Stelle, eine besondere Medizin notwendig, und diese koste keinen Pfennig respektive Cent: Zusammenhalten. Und er fragte rhetorisch: „Darf man in diesen Zeiten Fasching feiern und froh sein“? Seine Antwort: „Ja, denn das schweißt uns noch mehr zusammen.“

Zu den Brauchtumsvorführungen spielten die „Alten Kameraden“ des Verfassers dieser Zeilen, die Stadtkapelle Sachsenheim, wie gewohnt gekonnt auf und man merkte, dass die junge Dirigentin Celina Walter aus Walheim an unserem schönen schwäbischen Fluss Neckar ihre alten Haudegen und Musikantinnen im Griff hat. Man spürt ihre Handschrift.

Weiter ging‘s zum langjährigen Stadtpfarrer Dieter Hofmann, bei dem wir unsere heimliche Hymne „Af deser Ierd“ singen durften, bei dessen letzter Strophe jeder an seine jeweilige Holde denkt. Pfarrer Dieter Hofmann aus dem Remstal jedoch überraschte uns mit einem dermaßen tollen Gedicht, das kein Ongniethler Pfarrer besser hinbekommen hätte:

Meine lieben Narren, horcht herbei,
der Fasching ist da, seid fröhlich und frei!
In Siebenbürgen und hier, wo die Blüten erwachen,
beginnt das Fest, mit bunten Mummerl, Bär und solchen Sachen.

Durch die Gassen und Straßen ziehen Urzeln in Schar,
mit bunten Gewändern, dem Häs, Jahr für Jahr.
Der Zunftmeister Thomas Lutsch führt mit stolzem Blick,
durch die Straßen, voller Strenge, Schnauzer und Glück.

Die Zünfte versammelt, in prächtigem Schein,
mit Kostümen und Tänzen, ein wahrer Verein.
Sie erzählen Geschichten aus fernen Zeiten,
bringen Freude und Jubel zu den Leuten.

Die Häs‘ aus Pelzen und Stoff, so kunstvoll gemacht,
hunderte Läppchen habt ihr daran angebracht,
sie verkörpern die Tradition, die die Zeit überdauert,
auch wenn mancher der alten Heimat nachgetrauert.

Sie tanzen und springen, bis die Nacht vergeht,
weil Freundschaft und Liebe ewig besteht,
und lassen uns eintauchen, in ihre bunte Welt,
niemand will tauschen, nicht für viel Geld.

Doch vergessen wir nicht den Zunftmeister klug,
er lenkt die Narrenschar mit sicherem Zug.
Symbol der Ordnung und Führung zugleich,
führt er uns durch den Fasching, weit und gleich.
Eine richtige Predigt wollt ich euch halten, so richtig lang,
aber dann dacht ich, da wird den Urzeln ganz bang,
in der Halle oben, da wartet das Essen, Musik und Peitschenschwingen,
da wird es mir sicher viel besser gelingen,
wenn ich als Pfarrer einfach an Eurer Seite steh,
und gleich mit zum Fest in die Turnhalle geh.

So lasst uns feiern, den ganzen Tag und auch die Nacht,
als Siebenbürger und Schwaben, weil in uns Freude erwacht.
Mit Häs‘, Zunftmeister und fröhlichem Sinn,
feiern wir ausgelassen, im Narrengewinn!

Heute soll die Freude uns alle begleiten,
die Faschingszeit soll uns alle erheitern und leiten.
Dieser Tag ist nur den Urzeln geweiht,
lasst uns jubeln und tanzen, in unbeschwerter Freud'!

Und eines sei Euch noch mitgegeben,
ohne Reim und umso wichtiger, Gottes Segen,
wenn ihr heute feiert, tanzt und lacht,
wenn ihr die ganze Nacht durchmacht,

dann wisst ihr, dass einer immer bei euch sei,
er ist bei allem Feiern heute dabei,
es ist der Herr Jesu Christ,
der jeden Augenblick bei Euch ist.

Er segne und behüte Euch,
er lasse sein Angesicht leuchten über Euch,
er schenke Euch seine Gnade und seinen Frieden,
heute und zu jeder Zeit. Amen.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Alles in allem hatten wir trotz trüben Wetters wieder einmal den ganzen Tag die Sonne im Herzen. „Führt Euch Gott“ grüßt Euch aus Brackenheim

Hans-Jürgen Albrich

Schlagwörter: Sachsenheim, Urzeln, Traditionspflege

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