15. November 2003

Harald Wester

Ob Phil Collins, Tom Jones, Chris de Burgh, das Deutsche Fernsehballet, Angelika Milster oder Heino. Er durfte sie als Schlagzeuger alle begleiten und seinen Landsmann Peter Maffay kennt der 35-jährige Vollblutmusiker Harald Wester seit Jahren aus nächster Nähe. Der gebürtige Kronstädter ist ein wahres Multitalent. Im Alter von acht Jahren kam er mit seiner Familie nach Deutschland, lebt heute im baden-württembergischen Eningen. Wester ist nicht nur als Drummer und Schlagzeuglehrer tätig, sondern darüber hinaus noch Bandleader und Manager seiner eigenen 14-köpfigen Band "Full House Family". Außerdem betreibt er ein Tonstudio und betätigt sich als Erfinder von patentiertem Drum-Zubehör. Mit dem Tausendsassa sprach Robert Sonnleitner.
Herr Wester, wie soll ich Sie ansprechen, wollen wir uns duzen?

Ja, gerne.

Du bist am 2. März 1968 in Kronstadt geboren. War die Aussiedlung aus Siebenbürgen im Jahre 1976 schwierig?

Meine Eltern hatten den Antrag auf Ausreise schon lange vor meiner Geburt gestellt, doch wer die damaligen Verhältnisse noch kennt, weiß, dass die 12-jährige Wartezeit meiner Eltern auf Ausreise keine Seltenheit war. 1976 dann, nach zahlreichen Vorladungen und Schikanen von Seiten der entsprechenden Ämter, war es endlich so weit, dass die Familie Wester ausreisen durfte; ich war genau 8 Jahre alt, meine Schwester bereits 10.

Du hast eine steile Karriere im Musikbusiness gemacht ...

Na ja, steile Karriere. Ich habe getan, was mir möglich war, habe jede Chance zu nutzen versucht, um weiter zu kommen.

Von wem kamen die Impulse, von den Eltern, den Lehrern?

Die Initialzündung gab mir die Familie, die Großeltern, die alle sehr bedacht darauf waren die Hausmusik zu fördern und zu Geburtstagen und anderen Festen wie Weihnachten stets die musikalische Umrahmung zu ritualisieren. Musik war und ist wichtiger Bestandteil aller unserer Zusammenkünfte und Feste, selbst wenn es sich nur auf das Anhören meiner neuesten Aufnahmen beschränkt. Mein Vater war quasi musikalischer Leiter und übte mit uns Lieder, wie "Wir fahren übern See" oder "Muss i denn, muss i denn" sowie alle bekannten Weihnachtslieder. Ein Opa spielte Klavier und der andere Mundharmonika. Meine Schwester griff in die Tasten der Melodika, mein Onkel in die Saiten der Gitarre und alle anderen Anwesenden quälten ihre Stimmbänder, wenn wir mal versehentlich in einer zu hohen Tonlage intonierten.
Harald Wester am Schlagzeug ...
Harald Wester am Schlagzeug

Du bist Drummer, Schlagzeuglehrer, Bandleader und Manager einer 14-köpfigen Band. War das Schlagzeug dein allererstes Instrument?

Das erste Instrument war die Mundharmonika, wenig später die Blockflöte. Mit 12 dann, als wir schon vier Jahre in Deutschland waren, kauften mir meine Eltern eine Klarinette. Damit spielte ich damals im Pfullinger Musikverein. Auf dem Gymnasium in Pfullingen gab es eine Schul-Big Band, in der ich das Alt-Sax spielte. Die Schule hatte damals verschiedene Instrumente gekauft und die Mitglieder der Band durften diese leihweise benutzen.

Wieso gerade Schlagzeug?

Im Musikverein war die Aufstellung so, dass der Schlagzeuger direkt hinter den Klarinetten positioniert war. Demnach hatte ich den Rhythmus immer direkt am Ohr. Nach einer Probe fragte ich den Schlagzeuger, ob er mir mal etwas beibringen könne und so saß ich zum ersten Mal nicht vor, sondern hinter dem Schlagzeug. Ich konnte relativ schnell nachspielen, was mir der damalige Drummer zeigte; so war ich mit dem Schlagzeugvirus infiziert. Meine Oma hatte damals etwas Geld für meine Schwester und mich angespart. Es sollte der Anschaffung zweier Fahrräder dienen. Da bekam meine Schwester ihr Fahrrad und ich ein Schlagzeug für 350 Mark.

Über viele Jahre hinweg, in denen du Schlagzeugunterricht erhalten hast, hast du jede Menge Schlagzeuglehrer verschlissen.

Verschlissen wäre übertrieben, genervt wäre passender. Nun, ich war hungrig und wollte möglichst viel über das Trommeln lernen. Es ist nicht die Regel, so viele verschiedene Lehrer zu haben, wenn jedoch die Möglichkeit besteht den Stil und die Specials verschiedener Lehrer zu entdecken, spricht nichts dagegen. Jeder Lehrer hat einem etwas Neues zu bieten.

Ich bitte um einen kurzen Abriss deiner verschiedenen Stationen. Im Stakkato.

Mein erster Lehrer war Antonio Giliberti, der mir die Grundlagen vermittelte. Er schickte mich dann nach einem Jahr zu Joachim Fuchs-Charrier, bei dem ich sieben Jahre war und auch bei "Jugend musiziert" einen ersten Preis erreichen konnte. Ein Jahr studierte ich bei Hans-Peter Becker an der "Modern Drum School" in Idar Oberstein. Joachim wiederum schickte mich nach München an das DRUMMERS FOCUS, eine Schule für Schlagzeuger und Schlagzeuglehrer. Da war ich etwa drei Jahre, bin dann aus eigener Initiative nach Hamburg an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst gegangen, wo ich einen Popularmusik-Studiengang belegte. Da war Udo Dahmen mein "Hero". Er räumte all das, was ich bereits zu wissen glaubte, nochmals gründlich auf. Da ging es mehr um die Musik als Ganzes und nicht ausschließlich um das Schlagzeugspiel selbst. Vor drei Jahren war ich schließlich noch an der Musikakademie in Trossingen, wo die verschiedenen Bereiche, wie Percussion, Pauken,Vibraphon, Musiktheorie, Didaktik speziell unterrichtet und geprüft wurden.

Du hast zwischenzeitlich eine bürgerliche Karriere eingeschlagen (1990 Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann). Wieso diese "Inkonsequenz", hattest du zeitweilig die Lust am Musizieren verloren?

Es ist eher so, dass eine kaufmännische Ausbildung die notwendige solide Basis für das Leben als Musiker für mich darstellt. Inkonsequent musste ich deshalb nicht sein, denn ich habe jede freie Minute geübt, abends unterrichtet und bin an den Wochenenden mit diversen Bands aufgetreten.

Seit 1990 arbeitest du als Schlagzeuglehrer an verschiedenen Musikschulen, seit 1996 betreibst du deine eigene Schlagzeugschule, seit sechs Jahren bist du obendrein Produzent im eigenen Tonstudio. Dafür sind sicherlich einige Diplome nötig?

Am wichtigsten überhaupt ist Know-how, ganz egal wie viele Diplome an der Wand hängen. Wenn man eine Sache wirklich gut macht, dann sind die Diplome völlig unwichtig. Empfehlungen sind wie eine Lebensversicherung. Man muss sich trotz aller Zeugnisse erst einmal bewähren.

Du warst als Drummer schon mit vielen bekannten Künstlern auf Tournee. Wie viel Energie musstest du vertrommeln, um als Drummer in der deutschen Drummer-Szene bekannt zu werden?

(Lachend) Etwa 650 000 Kilojoule.
Es ist einfach wichtig sich zu bewähren. Zuerst spielt man kleinere Konzerte und gibt 100 Prozent. Dann kommen Anfragen für größere Shows. Da ist es wichtig, mit seiner Power und vor allem Gesundheit sorgfältig hauszuhalten. Wer nach einer Woche Tournee schon in den Seilen hängt, wird für die nächste gar nicht mehr angefragt.

Und das geht ohne szeneübliche Aufputschmittel?

Zigaretten und Alkohol sind oft verantwortlich für Leistungseinbrüche. Bei 72 Shows mit Tourneeblöcken von bis zu 14 Shows ohne "off-day" ist eine möglichst gesunde Lebensweise sehr wichtig. Abgesehen davon ist es ebenfalls sehr wichtig, ein umgänglicher Kollege zu sein. Wer beispielsweise im Tourbus herumnörgelt und die Stimmung mies macht, wird trotz guter musikalischer Leistungen nicht mehr gebucht.

Vor einigen Jahren hast du die "Full House Family Band" gegründet. Wo und bei welchen Gelegenheiten tretet ihr auf?

Am 17. Oktober waren wir z. B. eine der beiden Bands auf der Hauptbühne der Stuttgarter Liederhalle beim 44. Landespresseball. Die Gründungsidee dieser Band war, eine möglichst omnikompatible Band zu haben, mit der ich von 4-14 Musikern agieren kann. Die Band kann auf unterschiedliche Events reagieren, vom Standard-Tanzrepertoire über Oldies, Schlager, Jazz, Rock'n Roll, Rock, Funk, Pop, Latin bis hin zu volkstümlichen Klängen alles bedienen. Die Band verfügt in der großen "Ball-Besetzung" über 4 Frontacts (2 Sängerinnen und 2 Sänger), eine knackige Rhythmusgruppe mit Perkussionist und natürlich eine Brass-Connection, bestehend aus Trompeten und Saxophonen. Je nach Veranstaltung wird die Besetzung abgestimmt. Oft spielen wir z. B. nur zu viert in Hotels zum Dinner. Die Anlässe sind sehr verschieden: Firmenfeste, Galas, Autopräsentationen, Geburtstage, Hochzeiten, Wirtschaftsbälle, Ärztekongresse. Im November und Dezember haben wir die Ehre, Phil Collins bei zwei TV-Auftritten zu begleiten. Sendetermin von "Wahre Helden" ist der 16. November auf SAT 1.

Du hast kürzlich mit selbst entwickeltem Schlagzeugzubehör für Aufsehen gesorgt. Was muss man sich als Laie darunter vorstellen?

Nun, der Laie kennt zumindest den Klang einer Marschtrommel, der sich dadurch auszeichnet, dass am unteren Resonanzfell der Trommel ein aus Metall bestehender Spiralsaiten-Teppich mitschwingt. Dieser ist üblicherweise über Schnüre am Trommelkessel befestigt. Meine Erfindung sieht nun vor, diesen Teppich über Rollen so zu lagern, dass er optimal und ohne sich zu verdehnen auf jeden Trommelschlag reagieren kann. Wer's nicht versteht, kann ja die Patentschrift auf dem Patentamt in München studieren.

Du kennst Peter Maffay persönlich?

Eines Tages hab ich einen Freund in Olching (den Ralf Göllner) besucht. Wir hatten jeder ein Motorrad und fuhren einfach nach Tutzing zu Peter ins Studio. Er lud uns gleich zu einem Kaffee ein und wir sprachen über Heimat, Musik und Motorräder. Das war die erste persönliche Begegnung und heute weiß ich, was das für ein glücklicher Zufall war. Normalerweise erreicht man ihn kaum in seinem Studio und selbst wenn, ist er meist sehr beschäftigt. Er ist übrigens ein unglaublich strebsamer, fleißiger und ehrgeiziger Mann, von dem ich viel abgucken konnte, wenn ich bei Proben, Soundchecks und ähnlichen Gelegenheiten hinter die Kulissen schauen durfte. Erst neulich am 7.11. konnte ich in der Stuttgarter Schleyerhalle eine 5-stündige Probe und den Soundcheck für das Tabaluga-Programm miterleben. Die Show "Tabaluga und das verschenkte Glück" ist absolut beeindruckend und ohne Zweifel ein wahres Meisterstück der über 120 Beteiligten.
Mittlerweile bin ich seit etwa 12 Jahren mit Maffays Drummer Bertram Engel befreundet und wir sehen uns regelmäßig bei den Maffay-Konzerten, zu welchen mich Bertram immer einlädt. Übrigens spielt Bertram eine Trommel, und promotet somit meiner Erfindung, das SRS (Snare `n` Roll System).

Hast du Kontakt zu anderen siebenbürgischen Bands?

Leider nein. Vielleicht und hoffentlich ist das die Initialzündung für einen solchen Kontakt.

Warst du schon mal beim Heimattag in Dinkelsbühl?

Ja, ein Mal, aber das ist mindestens schon 10 Jahre her. Meist finden diese Events an den Wochenenden statt, an denen ich arbeite. Das ist das Los des Musikers.

Hast du noch Verbindungen zu Siebenbürger Sachsen?

Leider wenig. Meine Eltern jedoch pflegen solche Kontakte mit großer Freude und auf diese Weise kann ich daran teilhaben.

Zu deinen Hobbys gehören nicht nur schnelle Autos, Motorräder und Motorboote, sondern auch die Fliegerei. Du bietest sogar Rundflüge an.

Ja. Da ich Privatpilot bin und keine gewerbliche Lizenz habe, biete ich diese Flüge über meine Homepage (www.harrydrum.de) bzw. E-Mail-Adresse (harrydrum@t-online.de) gegen Erstattung der Selbstkosten an. Dadurch bin ich genug an und in der frischen Luft unterwegs.

Bei all diesem Arbeitspensum ist es ja erstaunlich, dass dir überhaupt noch Zeit für deine Hobbys bleibt.

Zeit ist ein kostbares Gut und ich versuche damit sorgsam umzugehen. Als Musikschullehrer habe ich ja auch eine Menge Ferientage, an denen ich wieder mehr Zeit für meine Hobbys investieren kann. Das größte Hobby jedoch kann ich beinahe täglich betreiben. Nein, nicht das Trommeln. Es ist mein Sohn Lewin und natürlich meine Frau Carina, die mir die Energie geben, die ich für dieses Leben brauche.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Danke dir für dein Interesse!

Schlagwörter: Interview, Musik

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