4. April 2022

Gedenkfeier für Hans Bergel: Ein homo politicus, dessen Echo noch lange nachhallen wird

Am 19. März d. J. fand im Sudetendeutschen Haus in München eine von Josef Balazs im Auftrag der Familie Bergel organisierte Trauer- und Gedenkfeier für Dr. h.c. Hans Bergel statt – coronabedingt in reduziertem Rahmen. Anwesend waren die Witwe Elke Raschdorf-Bergel und der jüngere Sohn Volker Bergel. Die Tochter, die Mezzosopranistin Hildegard Bergel-Boettcher, und ihr Mann konnten aus Krankheitsgründen leider nicht teilnehmen. Die Feier wurde musikalisch vom Münchner Klaviertrio mit Musik von Bach, Schubert und zum Ausklang mit dem Siebenbürgenlied in der Bearbeitung von Prof. Heinz Acker in gediegener Weise umrahmt.
Dr. Florian Kührer-Wielach sprach zum Gedenken an ...
Dr. Florian Kührer-Wielach sprach zum Gedenken an Hans Bergel im Sudetendeutschen Haus. Foto: Rainer Lehni
Die Trauerredner beleuchteten Facetten und Wirkbereiche der ungemein vielseitigen Persönlichkeit Bergels. Einführende Worte sprach Josef Balazs (der bereits zu Bergels 95. Geburtstag moderierend in Erscheinung getreten war), danach Rainer Lehni, Bundesvorsitzender des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Literaturhistoriker Dr. Stefan Sienerth (der kurzfristig für Dr. Peter Motzan eingesprungen war), Manfred Kravatzky von der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins sowie Dr. Florian Kührer-Wielach, Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München. Die Feier konnte dank einer Spende des Verbands der Siebenbürger Sachsen und der Kreisgruppe München, deren Ehrenvorsitzender Hans Bergel war, stattfinden. Im Folgenden die Rede Kührer-Wielachs, die die kürzeste war, aber den Verstorbenen wohl am markantesten skizzierte.

Sehr geehrte Frau Raschdorf-Bergel, sehr geehrte Trauerfamilie, sehr geehrte Damen und Herren, ich bin Hans Bergel nur zweimal persönlich begegnet. Das letzte Mal vor einigen Jahren, kurz nachdem ich mein Amt als Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas hier in München angetreten habe. Ich denke, Hans Bergel war neugierig, wer denn da jetzt wirken sollte, wie es denn weiterginge mit dem Haus, dem er über Jahrzehnte verbunden war, das seinen Vorlass beherbergt und verwaltet. Sein Urteil ist mir nicht bekannt. Gewiss aber erschien ich ihm wie ein Wesen aus einer anderen Welt: Geboren und aufgewachsen auf der westlichen Seite des Eisernen Vorhangs, mehr als ein halbes Jahrhundert jünger, vermutlich mit postmodernen Flausen im Kopf und zu allem Überfluss auch noch ganz offensichtlich an einem Mangel an sportlicher Begabung leidend. Wir schrieben uns dennoch im den folgenden Jahren immer wieder; erst vor wenigen Wochen hielt ich eine Karte von ihm in der Hand. Wir planten, ihn in Gröbenzell zu besuchen. Dazu sollte es aber nicht mehr kommen.

Unsere erste Begegnung hatten wir vor über einem Jahrzehnt, auf der Siebenbürgischen Akademiewoche, die damals in der Römerhütte am Schuler stattfand. Das Thema der Akademiewoche lautete „Glorifizierung, Demontage, Selbstreflexion – Personengeschichtliche Zugänge zur Kultur und Geschichte Siebenbürgens“. Hans Bergel war einer von zwei geladenen Zeitzeugen und Ehrengästen. Der andere stammte aus demselben von der Geschichte zersprengten deutschen Karpatenvölkchen, beide gehörten derselben Generation an. Beide lebten seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik. Und trotzdem wirkten sie sehr weit voneinander entfernt, selbst als sie gemeinsam am großen Hüttentisch saßen und uns Rede und Antwort standen.

Ich konnte Hans Bergel also in seinem alten Habitat beobachten, auf dem Berg, im Wald, dort, wo er einst als Schifahrer Erfolge gefeiert hatte, wo in der Nacht tatsächlich noch Wölfe heulten, wo wir um ein Feuer standen, wo er seine Geschichten erzählte. An jenem zumindest für mich bedeutungsschweren Abend begab es sich, dass Hans Bergel über ein Bündel Zweige stolperte und der Länge nach auf den glücklicherweise bemoosten Waldboden schlug. Noch schneller als er seine Briefe zu tippten pflegte, stand er auch schon wieder auf seinen Beinen, klopfte den Staub von seinem Mantel, blickte meiner Kollegin, die die Szene aufmerksam beobachtet hatte, direkt in die Augen und meinte: „Sehen Sie, jetzt haben Sie mich doch noch einmal fallen sehen.“
Mit einer Sarabande von J. S. Bach eröffnete der ...
Mit einer Sarabande von J. S. Bach eröffnete der aus Hermannstadt stammende Cellist Gerhard Zank vom Münchner Staatsorchester die Trauerfeier für Hans Bergel. Coronabedingt blieb die Zahl der Teilnehmer begrenzt und musste einer strengen Sitzordnung folgen. Foto: Konrad Klein
Wenn ich heute an diese Szene zurückdenke, enthält sie wohl alles, was man als aus einer anderen Welt stammender Beobachter über Hans Bergel sagen kann. Das Fallen, das Aufstehen, sein trockener Kommentar – jener Moment erzählt so viel von seiner Geschichte; schlägt dabei so unterschiedliche Töne an:
  • Er war fit an Leib und Seele, nicht zu brechen, fühlte sich ungebrochen, sein starker Wille wie sein reger Geist.
  • Er war schlagfertig – seine Worte konnten zu Waffen werden und er wusste sie einzusetzen.
  • Er hatte Humor, auch wenn sein Blick meist ernst war.
  • Er lag keine Sekunde länger auf dem Boden als nötig, konnte mit diesem Zustand aber offensichtlich umgehen.
  • Er redete mit jedem – wenn er es denn wollte.
  • Er war zu Selbstreflexion fähig – wenn man ihm den Raum dazu ließ.
  • Sein Kommentar war immer aktuell, auch wenn er den Zeitgeist scheute.
  • Und: Er konnte jeder Situation, und war sie noch so unangenehm, Bedeutung abgewinnen. Niemals ging es ihm um weniger als das Ganze.
Halb- und Zwischentöne aber gehören zum Leben wie die getönte Brille zu Hans Bergel. So hören wir die existenzielle Polyphonie der Laute dieses Lebens und wir wissen, dass sie seit Jahrhunderten mit Saitenpaaren bespannt wird. Jeder Ton hat also zwei Seiten – erst gemeinsam bilden sie den Chor, der uns, schlägt man die Laute kundig, die Melodie erkennen lassen.

Hans Bergel stand und steht für eine ganz besondere, gleichzeitig einzigartige und repräsentative Art, Ereignisse, Epochen und Lebensräume zu prägen, zu erinnern und festzuhalten. Sein Echo als homo politicus, als Schriftsteller und historische Persönlichkeit, wird noch lange nachhallen – in den Karpatentälern, in der Literatur und in den Geschichtsbüchern, die noch zu schreiben sind. Dort werden wir Hans Bergel erneut begegnen. Er möge in Frieden ruhen.

Dr. Florian Kührer-Wielach

Schlagwörter: Kultur, Hans Bergel, Schriftsteller, Publizist, Kommunismus, Kührer-Wielach

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