9. November 2020

Interview mit dem Fotografen Martin Eichler, der den ältesten Siebenbürgen-Kalender-Verlag in München betreibt

Seit vier Jahrzehnten bringt Martin Eichler seine Liebe für Siebenbürgen durch Fotografien mit Landschaften, Kirchenburgen und Siebenbürger Sachsen zum Ausdruck. Geboren 1954 in Bützow, wuchs er in Ludwigslust/Mecklenburg auf. Als DDR-Bürger reiste er 1973 erstmals nach Rumänien. Sein anhaltendes Interesse an Siebenbürgen wurde zur Inspirationsquelle und Muse seiner Kunst. Er studierte Theologie in Rostock und, nach der Übersiedlung in den Westen, Kommunikationsdesign-Fotografie in Darmstadt. Seit 1988 arbeitet er als freier Fotograf mit dem Schwerpunkt Architektur-, Museums- und Reisefotografie. Seine Kalender mit Bildern aus Siebenbürgen erfreuen Jahr für Jahr viele treue Kunden. Mit starkem Sinn für Details und das Schöne bieten seine Bilder Einblick in eine Welt, in der die Zeit schier stehengeblieben ist. Sechs Bildbände und zwölf Ausstellungen hat er bisher gestaltet. Victoria Knight führte mit Martin Eichler das folgende Interview über seine Kunst, sein Engagement für Siebenbürgen und seine Vorhaben für die Zukunft.
Deutsch-Kreuz, Kollodiumaufnahme 2016. Foto: ...
Deutsch-Kreuz, Kollodiumaufnahme 2016. Foto: Martin Eichler
Sie sind in Ludwigslust in Mecklenburg aufgewachsen. Wie ist Ihr Interesse an Siebenbürgen entstanden, und wie ist es Ihnen gelungen, die Liebe dazu über die Jahrzehnte zu erhalten?
Mein Interesse galt zunächst nicht Siebenbürgen, sondern es war vielmehr der Wunsch, etwas von der Welt zu sehen, etwas anderes als die DDR. Und da schien mir Rumänien ein exotisches Reiseziel zu sein. Da ich an einem altsprachlichen Gymnasium war, hatte ich in der Schule Latein und das gab mir gleich bei meinem ersten Besuch das Gefühl, nicht ganz fremd zu sein, da ich mir sprachlich vieles erschließen konnte. Zunächst zog es mich aber nicht nach Siebenbürgen, sondern vielmehr in die Dobrudscha zu den Überresten der Römerzeit, nach Histria, Constanța, Mangalia, Adamclisi. Auf dem Weg dorthin hatte ich dann auch meine erste Begegnung mit Siebenbürger Sachsen, von denen ich bisher fast nichts gehört hatte. Das interessierte mich nun auch, und so trampte ich in den nächsten Jahren wieder nach Siebenbürgen.
Die Liebe zu erhalten war eigentlich kein willentlicher Prozess, sondern es waren immer wieder die neuen Landschaften, Städte, Kirchen und Kirchenburgen und vor allem Menschen, die zu Freunden wurden, was meine Beziehung zu Rumänien und speziell zu Siebenbürgen so intensiv und beständig werden ließ. Und wie bei einer wahren Liebe auch, wurde ich blind für Ablenkung und sah nur noch die Schönheit meiner Geliebten.

Sie haben Theologie und später Kommunikationsdesign-Fotografie studiert. Hat Ihr Studium Ihre Begeisterung für die Kirchenburgen-Fotografie zusätzlich beflügelt?
Schon als Student der Theologie galt mein Interesse mehr der Geschichte und Kunstgeschichte als der systematischen Theologie. Es gelang mir, in der Ceaușescu-Zeit ein vierwöchiges Praktikum bei der evangelischen Kirche in Siebenbürgen zu machen, zu der damaligen Zeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Aber Professor Pitters vom Theologischen Institut wusste es trotzdem einzurichten. In diesen Wochen erlebte ich verschiedene Aspekte des Gemeindelebens. Ich lernte auch einige Pfarrer näher kennen und schloss Freundschaften mit Theologiestudenten und Vikaren. Einige Kontakte von damals haben bis in die heutige Zeit gehalten. Als ich dann nach meiner Übersiedlung in den Westen 1982 Fotografie studierte, bekamen meine Reisen eine professionellere Ausrichtung. Technisch begab ich mich in den Profibereich. Ich fotografierte mit einer 9 x12 Linhof und einer 6x7 Bronica GS1. Das sicherte detailreiche Aufnahmen, wie sie mit Amateurkameras technisch nicht möglich waren, und ermöglicht es heute, auf den alten Fotos Dinge zu entdecken, die auf den ersten Blick verborgen blieben.

Was motiviert Sie am meisten in Ihrer Kunst?
Mich motiviert, wenn ich ein gutes Bild zu Stande gebracht habe. Perfekt ist es selten, aber es sollte meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden und da bin ich in gewisser Weise altmodisch. Das Foto soll technisch ohne Mängel sein, also scharf und richtig belichtet, der Ausschnitt und die Bildkomposition sollen stimmen. Und die Aufnahme sollte dem Motiv, dem Sujet, entsprechen. Ich bin ja vor allem als Architekturfotograf unterwegs und da fotografiere ich zum Beispiel ein romanisches Portal ganz anders als einen barocken Altar, wo man mit der Perspektive schon mal gewagter ran gehen kann. Und dann motiviert mich natürlich, wie den Musiker der Beifall, die Anerkennung, die ich mit meinen Fotografien finde. Als Beispiel will ich die Briefe erwähnen, die mich immer mal wieder erreichen und in denen dann rührende Geschichten zu lesen sind von Erinnerungen, die beim Betrachten meiner Fotos wieder hochkamen. Das berührt mich manchmal sehr.
Und es motiviert mich, weiter zu machen, wenn ich sehe, dass Menschen seit 30 Jahren treue Kunden sind und sich jedes Jahr wieder auf meine Kalender freuen. Und es gibt noch so etwas wie einen Kampf mit dem Motiv. Schaffe ich es, es so zu erfassen, dass auch der Betrachter etwas von der Schönheit, dem besonderen Motiv, dem besonderen Moment, von der Magie des Augenblicks, nachempfinden kann?

Martin Eichler ...
Martin Eichler
Seit über dreißig Jahren bieten Sie Kalender zum Thema Siebenbürgen. Wie haben sich Ihre Kalender im Laufe der Jahre entwickelt?
Oh, das hat sich gut entwickelt. Als ich 1986 meinen ersten Kalender mit dem Titel „Bilder aus Siebenbürgen“ herausbrachte, waren ganze vier Fotos in Farbe, der Rest in Schwarz-Weiß, da der Farbdruck damals noch aufwendig und teuer war. Im nächsten Jahr war dann schon jedes zweite Foto in Farbe. Aber ich musste auch lernen, dass einen Kalender zu machen etwas anderes ist, als einen Kalender dann auch zu verkaufen. Da habe ich auch Lehrgeld zahlen müssen, als im ersten Jahr Hunderte von Kalendern im Reißwolf landeten, statt auf dem Weihnachtstisch der Siebenbürger. Das lag nicht an der Qualität, sondern ich war einfach noch nicht bekannt genug. Aber ich habe mich nicht entmutigen lassen und bin drangeblieben. Ich habe mich mit Ingrid von Friedbeburg-Bedeus bei der Motivauswahl beraten. Seitdem ist eigentlich auch immer ein Trachtenbild im Kalender. Und sie hat mir Tipps für den Vertrieb gegeben. Irgendwann in den frühen Neunzigern war es dann notwendig, die Kundenverwaltung auf den Computer zu bringen. Mit dem Vordringen der digitalen Bildbearbeitung und den neuen Drucktechniken war es dann auch möglich, dass ich neue Kalender entwickelte. Seit 2004 gibt es neben dem „Klassiker“ Bilder aus Siebenbürgen immer mal wieder neue Kalenderprojekte. So zum Beispiel drei Jahrgänge „Kirchenräume“ mit großformatigen Innenansichten siebenbürgisch-sächsischer Kirchen. Dann kam der Postkartenkalender dazu, der gleichzeitig auch ein Namenstagskalender ist und wegen seines schmalen Formats beliebt ist, wenn mal nicht so viel Platz für einen Wandkalender ist. Ganz andere Maße hat da der Landschaftskalender mit 50 cm Breite, den ich nun auch schon seit zehn Jahren produziere.
Daneben gibt es seit sieben Jahren den großen Posterkalender mit dem Jahreskalendarium, der mit 100 cm Höhe ein toller Blickfang ist. Und dann mache ich immer mal wieder Kalender zu speziellen Themen, wie zum Beispiel 2013 „Am Rande des Heiligen“ mit untypischen Ansichten aus Kirchen, wie einem alten eisernen Kirchenofen, dem Uhrwerk einer Turmuhr, dem Schloss eines Opferstocks und ähnlichem, was eben in einer Kirche auch noch zu finden ist. 2014 gab es „Alte Technik“ mit Motiven vom Straßenrand, von Höfen und Wiesen und aus Industrieruinen. Daneben machte ich auch verschiedene Auftragsproduktionen für die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien zum Thema Kulturgut, zum Jahr der Bildung, zum Jahr der Diakonie und zur Reformation, für die Evangelische Akademie oder auch ganz kommerziell für Automobile Bavaria und MAN.
Mit einer Prise Selbstironie kann ich sagen, dass ich somit Deutschlands ältesten und größten Siebenbürgen-Kalender-Verlag betreibe.

Welche Schwerpunkte setzten Sie in Ihren druckfrischen Kalendern 2021?
Der Schwerpunkt ist wie immer mein Motto, die schönen Seiten Sieben­bürgens zu zeigen. Es gibt in diesem Jahr sechs verschiedene Kalender. An erster Stelle steht unser Klassiker „Bilder aus Siebenbürgen“ mit einer Reise quer durchs Land vom Schuler im Winter über Tartlau, Katzendorf, Schäßburg, Taterloch, Henndorf, Agnetheln, Thalheim und Michelsberg bis hin zum Weihnachtsmarkt in Hermannstadt – und natürlich einem Trachtenbild vom Maifest. Dann gibt es den Landschaftskalender, unser Prachtstück. In diesem Jahr überwiegen die Gebirgsaufnahmen, erstmalig sind auch die Westkarpaten mit dabei. Da ich wegen meiner Dialyse nicht mehr so unabhängig reisen kann wie in früheren Jahren, habe ich mich entschlossen, zum ersten Mal auch Fotos von anderen Fotografen zu veröffentlichen. Ich denke, das kann die Vielfalt und Qualität der Kalender noch steigern. Sie fragten nach den Kalendern für dieses Jahr. Neben dem Postkartenkalender mit den Namenstagen und dem großen Poster (100 x 70 cm) gibt es noch den Kunstkalender und erstmalig einen neuen Kalender mit dem Titel „Buntes Siebenbürgen“, der die Vielfalt Siebenbürgens aus eher touristischer Sicht widerspiegelt, also nicht nur Kirchen und Burgen, sondern auch mal ein Hoftor oder den typischen Pferdewagen.

Durch Ihre Fotos tragen Sie zum Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes bei. Gibt es einen Tag, einen Ort oder ein Fotomotiv, die Ihnen besonders stark in Erinnerung geblieben sind?
Im Laufe von mehr als 40 Jahren habe ich tatsächlich viel erlebt. Ein besonderes Erlebnis war es, bei der Restaurierung der Bergkirche in Schäßburg hoch oben auf dem Gerüst unter dem Gewölbe auf dem Rücken zu liegen und die Fresken zu fotografieren. Oder die Aufnahmen der goldenen Abendmahlsgeräte für das Buch „Das Burzenland“. Dazu hatte ich ein richtiges Fotostudio in einem Pfarrhaus eingerichtet, mit Hintergrundkartons von der Rolle und einer Studioblitzanlage, mit Spiegelchen und Aufhellschirmen. Das war schon eine größere Aktion. Aber so waren die Kelche optimal ausgeleuchtet und die Details kamen gut zur Geltung.

Mit Ihren Fotos und Kalendern wollen Sie „Den Menschen die Augen für die schönen Seiten öffnen“, wie Sie einmal sagten. Ist das Prinzip der Schönheit in Zeiten von Corona wichtiger als sonst?
Das Prinzip „Schönheit“ ist mir immer wichtig. Die Schönheit von Gottes Schöpfung können wir jeden Tag sehen, und wenn es die Regentropfen auf einem herbstlich gefärbten Blatt sind. Und dann gibt es noch die Schönheit all dessen, was Menschen im Laufe der Jahrhunderte geschaffen haben. Manche haben nicht die Kraft oder den Willen, das zu sehen. Da will ich mit meinen Fotos einen Anstoß geben, die Augen und das Herz zu öffnen, die Schönheit auch wahrzunehmen. Die schönen Seiten kann und sollte man gerade auch in dieser Corona-Zeit sehen, sehen wollen, denn das kann helfen, die Schwernisse dieser Zeit besser zu ertragen. Schönheit zu entdecken und wahrzunehmen, stärkt die Seele in Zeiten der Anfechtung, das ist meine Überzeugung.

Was planen Sie für die Zukunft?
Ich habe keinen Fünf-Jahres-Plan. Aber für Zukunft bin ich immer offen. Natürlich gibt es ein paar Ideen, die ich gerne in Angriff nehmen würde. Vor ein paar Jahren habe ich mich mit einer alten Fototechnik beschäftigt, mit der Kollodium-Fotografie. Da fotografiert man mit einer Plattenkamera unter dem schwarzen Tuch auf Glasplatten, die man in einer mobilen Dunkelkammer vor Ort erst direkt vor der Aufnahme mit einer lichtempfindlichen silberhaltigen Emulsion beschichtet und dann auch sofort entwickelt. Ich finde es faszinierend, wie man mit dieser alten Technik der Ausstrahlung der jahrhundertealten Kirchenburgen gerecht werden kann. Es sieht aus, wie aus der Zeit gefallen. Man kann das natürlich heute mit geeigneten Programmen auch künstlich am Computer erzielen, aber das ist nicht authentisch. Für mich liegt der Reiz gerade in der „Echtheit“ des Verfahrens. Und dann würde ich für 2022 gerne einen Künstlerkalender herausbringen, in dem verschiedene Künstler mit siebenbürgisch-sächsischen Wurzeln mit ihren Werken präsentiert werden. Also die Zukunft kann kommen – ich bin gespannt!

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Ihren Vorhaben!

Schlagwörter: Kultur, Fotograf, Martin Eichler, München, Kalender

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