23. April 2020

Nachruf auf Anselm Roth: Seiner geliebten Heimat Siebenbürgen ein Denkmal gesetzt

Am 2. April 2020 ist der bekannte Verleger, Publizist und Buchautor Anselm Roth im Alter von 62 Jahren in seinem Haus in Michelsberg verstorben. Die Trauer und Bestürzung über diesen Verlust werden begleitet von der hohen Wertschätzung, die Weggefährten, Autoren, Freunde und Verwandte zum Ausdruck gebracht haben, für einen Menschen, der „für seine Bücher und den Schiller-Verlag gelebt hat“ (Jürgen Henkel).
Anselm Roth wurde am 16. Juni 1957 in Hermannstadt geboren, verließ Siebenbürgen jedoch mit seiner Familie bereits im Kindesalter und kehrte später, seiner Tante Maria Luise Roth-Höppner folgend, in seine Vaterstadt zurück. Sein langjähriger Partner und Mitbegründer des Schiller Verlags, Jens Kielhorn, erinnert sich: „Ich lernte ihn kurz nach meinem Umzug aus Deutschland nach Hermannstadt im Jahre 2005 kennen. Als Journalist und ehemaliger Lokalredakteur der Süddeutschen Zeitung in München war Anselm ein Mann des Wortes und des Buches. Dazu kam seine Begeisterung für die Fotografie und für seine Heimat, die er aufgrund der Flucht seiner Eltern bereits als Kind verlassen musste, aber nie vergessen hat. Er brachte sich in den Hora Verlag mit eigenen Buchprojekten ein, wie dem Fahrradführer für Südsiebenbürgen – war er doch selber ein begeisterter Fahrrad-, Motorrad- und Porschefahrer – oder den Stadtführern für Hermannstadt, Heltau und Schäßburg. Zusammen gründeten wir im Jahre 2007 den Schiller Verlag Hermannstadt/Bonn. Diesen Verlag, der in 13 Jahren knapp 300 Titel mit Schwerpunkt Siebenbürgen herausgegeben hat, hätte es ohne Anselm Roth nie gegeben. Ohne ihn wären wir gar nicht auf die Idee gekommen. Denn Anselm hatte das nötige Fachwissen und die Begeisterung.“
Gemüts- und Genussmensch in einer Person: Anselm ...
Gemüts- und Genussmensch in einer Person: Anselm Roth, hier in seinem mit Jens Kielhorn 2006 gegründeten Büchercafé Erasmus in Hermannstadt (Juni 2012). Foto: Konrad Klein
Ursula Philippi würdigte seine verlegerische Leistung in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ): „Vom Kochbuch, das zehn Auflagen erlebte, bis zu historischen Beiträgen, von literarischen Werken für Erwachsene und Kinder bis zu Bildbänden – er hat uns damit die Heimat richtig interessant gemacht, sie von ihrer schönsten Seite ausgeleuchtet. Anselm Roth, der Junggeselle, hinterlässt mit den vielen Büchern, Bildbänden, Noten, Ansichtskarten, seine Kinderschar. Sie legen Zeugnis ab von einem liebevollen und zugleich strengen Vater und einem großzügigen Förderer.“

Jürgen Henkel ergänzt, ebenfalls in der ADZ: „Anselm Roth war nie gefangen im manchmal etwas engen siebenbürgischen Horizont. Der studierte Religionswissenschaftler übernahm 2011 ohne zu zögern die Verantwortung für die Buchreihe ‚Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek‘, die er als feste Buchreihe und ‚Institution‘ im Schiller Verlag etablierte, so wie vorher schon die Buchreihe ‚ACADEMIA – Veröffentlichungen der Evangelischen Akademie Siebenbürgen‘. Und so produzierten wir gemeinsam ganz besondere Titel wie etwa ‚Halbmond über der Dobrudscha. Der Islam in Rumänien‘ und andere theologische Werke. Er liebte auch solche Nischenthemen und stürzte sich in die Arbeit an diesen Büchern mit gleicher Freude und Begeisterung wie bei den Büchern, Alben und Sonderdrucken über sein geliebtes Siebenbürgen.“
Anselm Roth an seinem Arbeitstisch in ...
Anselm Roth an seinem Arbeitstisch in Michelsberg, aufgenommen im November 2010. Mit seinem unerwarteten Tod verliert Siebenbürgen seinen produktivsten Büchermacher seit langem. Foto: Konrad Klein
Anselm zog in ein Ferienhaus des Campingplatzes in Michelsberg, welches für einige Jahre zum Hauptquartier des Schiller Verlages wurde, bis er dort das runde Haus erwarb, ein Domizil, das zu ihm passte. Er erfüllte sich den Wunsch nach einem eigenen Swimmingpool und schaffte sich mehrere Rassehunde an. Ich glaube, er war in dieser Zeit glücklich. Sein treuer Hausmeister und Freund Doru Stîrcea hielt Haus und Hof instand, so dass Anselm sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren konnte. Der Schiller Verlag, der mit dahin umzog, wurde bekannter und erhielt mehr und mehr Aufträge. Zu seiner Entlastung stellte Anselm eine Mitarbeiterin ein, zunächst Claudia Egiyed und danach Petra Henning.

„Sein Haus und die märchenhafte Landschaft, in die Michelsberg eingebettet ist“, schreibt Jürgen Henkel, „waren der nötige beflügelnde Lebensraum, in dem er mit dem Blick nach draußen und gleichzeitig den Augen am Monitor und den Fingern an der Tastatur seine Bücher produziert hat. Und das mit einem Fleiß, einer Ausdauer und einer Leidenschaft, einer Professionalität und Präzision und gleichzeitig einer Geschwindigkeit, die ihresgleichen suchen. Wobei Quantität bei ihm nie zu Lasten von Qualität ging und Tempo nie auf Kosten der Tiefenschärfe.“
Er lebte für seine Bücher und wird durch sie ...
Er lebte für seine Bücher und wird durch sie weiterleben: Anselm Roth mit einer Neuerscheinung auf seinem Michelsberger Anwesen (2010). Foto: Konrad Klein
„Zart, empfindsam, kindlich in vielen Äußerungen des Lebens, dabei konsequent er selbst, koste es, was es wolle“ – treffender als Ursula und Kurt Philippi in der ADZ formulieren, kann man den Menschen Anselm Roth wohl kaum würdigen.

Jens Kielhorn schreibt: „Wenn auch kein Kirchgänger, so war er doch durchdrungen von christlicher Nächstenliebe. Wildfremden Menschen bestellte er in Deutschland einen Rollstuhl, Eginald Schlattner besorgte er eine Gehhilfe, halb Michelsberg wurde von ihm regelmäßig beschenkt, wir bekamen Nüsse und Cozonac. Er lud uns und andere zum Schwimmen ein in sein Pool. Hinter der rauen Fassade steckte ein sensibler Mensch mit einem schwachen, aber sehr großen Herzen. Leider ließ in Anselms letzten Jahren die Kraft seines Herzens nach. Er verlor zwar nicht den Mut, aber zeitweise wurde ihm alles zu viel. In den letzten Monaten jedoch schien er wieder zu neuer Schaffenskraft gelangt zu sein. Mehrere Buchprojekte waren zum Zeitpunkt seines Todes in Arbeit, neue Projekte geplant. Mitten aus diesem Schaffen ist er nun herausgerissen worden.

So bleibt auch jenes Projekt, das er als sein ‚ganz persönliches Lieblingsprojekt und als seinen Lebenstraum‘ bezeichnet hat, die Reihe ‚Über Siebenbürgen‘, unvollendet. Seit 2015 erschienen acht Bände seiner Bestandsaufnahme mit Luftbildern und Innenaufnahmen der noch vorhandenen Kirchenburgen. Mit seinem ganz eigenen ästhetischen Empfinden und unter zugleich bravourösem Einsatz moderner Technik in der Fotografie und Bildbearbeitung hat er damit seiner geliebten sächsischen Heimat ein Denkmal gesetzt. Wir hoffen, die Reihe ihm zu Ehren zu Ende führen zu können, so sehr wir uns dessen bewusst sind, dass dies nur epigonenhaft möglich sein wird.“

„Ein Ästhet sagt leise ‚Adieu‘“, formuliert Jürgen Henkel und fügt hinzu: „Nun mach’s gut, lieber Anselm, im Reich der Erlösten, wo es weder Krankheit noch Schmerz gibt. Es war eine Freude, mit Dir zu arbeiten. Wir werden Dich nie vergessen. Du warst als Freund für uns ein Geschenk des Himmels.“
Anselm Roth bei einer Arbeitsbesprechung mit der ...
Anselm Roth bei einer Arbeitsbesprechung mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Michaela Nowotnick, hinten Restaurator Christian Lindhorst (2012). Foto: Konrad Klein
Meine Gedanken gehen zurück in den Sommer 2009, als ich Anselm Roth zur Vorstellung des Mediasch-Bildbands in München zum ersten Mal persönlich begegnet bin. Wir kannten uns schon über ein halbes Jahr, jeder hatte dem Anderen hunderte E-Mails geschrieben und wir hatten oft telefoniert, um das aufwendige Buch fertigzustellen. Bei dessen Vorstellung plauderte Anselm aus dem Nähkästchen und meinte, anders als im Verlagsgeschäft üblich, wo ein Autor ein Manuskript abliefere und irgendwann das Buch zur Endkorrektur bekomme, hätten Autor und Verleger diesmal, so seine Worte, eine „Ehe auf Zeit“ geschlossen, in der zumindest der Autor gefühlt mehr mit dem Verleger kommuniziert habe als mit der eigenen Familie. Die „Ehe auf Zeit“, die Anselm hier in seiner typisch bildreichen Ausdrucksweise beschrieben hat, endete mit der Herausgabe des Buches; sie ging aber nahtlos in eine Freundschaft über, die all diese Jahre gehalten und die mich – und hoffentlich auch ihn – in ganz besonderer Weise bereichert hat.

Dankbar bin ich dem Freund, dass er mich an seiner Arbeit hat teilnehmen lassen, auch immer wieder nach einer Meinung gefragt hat, wenn er im Zweifel war. Dankbar bin ich für einen regen Austausch von Gedanken, über viele Ratschläge zur Technik der Text- und Bildbearbeitung, die er gerne erteilte, und viel Hilfe bei der Lösung konkreter Aufgaben. Froh erinnere ich mich an gemeinsame Stunden in seinem Garten, in seinem gläsernen Haus, an lange Gespräche, in denen nie Zeit für Belangloses war, an gegrillten Thunfisch oder Lammkeule, die er meisterlich zubereitete und zu servieren liebte, und an siebenbürgischen Wein, der die Zunge löste und das Herz öffnete.

Das Mediasch-Buch sollte nicht das einzige Projekt bleiben, das uns in diesen Jahren verband. Seit Dezember 2012, sieben Jahre lang, gestaltete Anselm Roth für die Heimatgemeinschaft Mediasch unser Infoblatt, das zwei Mal jährlich erscheint und das er mit seiner Kreativität und seinen gestalterischen Ideen bereichert, ja, ihm eine neue Qualität gegeben hat. Die Erfahrungen aus der erwähnten „Ehe auf Zeit“ bewährten sich hier aufs Neue, und die beiden Monate, in denen er das Layout eines Heftes fertigstellte, waren immer geprägt durch intensiven Austausch im Hin und Her der Gedanken und Gefühle. Die Heimatgemeinschaft Mediasch verdankt Anselm Roth viel, er wird mir, er wird uns allen fehlen.

Hansotto Drotloff

Schlagwörter: Kultur, Anselm Roth, Nachruf, Verlag, Hermannstadt, Michelsberg

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