19. Oktober 2010

Rainer Lehni: „Guter Boden“ für die nächsten Jahre

Seit 1993 engagiert sich Rainer Lehni vielseitig für die Siebenbürger Sachsen in Deutschland. 1998 gründete er die Jugendtanzgruppe Stuttgart, die er bis 2006 auch leitete. 2001 wurde er zum Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) gewählt, seit 2004 ist er Stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes. 2008 wurde Lehni als Beisitzer für Jugendfragen in das Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV) und im April 2010 zum Vorsitzenden der Landesgruppe NRW des Verbandes gewählt. In der Zeidner Nachbarschaft in Deutschland ist Rainer Lehni seit 1998 aktiv, seit 2003 ist er Stellvertretender Nachbarvater. Geboren wurde er am 13. Juli 1972 in Zeiden, 1989 siedelte er nach Deutschland aus, zurzeit wohnt er mit seiner Frau Heike Mai-Lehni in Köln. Bei der nächsten Wahl der SJD-Bundesjugendleitung beim Jungsachsentag am 30. Oktober 2010 tritt Rainer Lehni nicht mehr zur Wahl des Bundesjugendleiters an. Auskunft über seine Erfahrungen gibt er im folgenden Interview, das Julia Steger führte.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt, als Sie 2001 Ihr Amt angenommen haben? Welche konn­ten erfüllt werden, welche nicht?

Als ich 2001 zum Bundesjugendleiter gewählt wurde, befand sich die SJD in einer schwierigen Umbruchphase. Aber dank eines guten Vorstandsteams wurde diese Zeit sehr schnell und vor allem gut überstanden. Daraufhin konnten wir uns an die Arbeit machen, die Angebote der SJD auf ein neues Niveau zu stellen, und vor allem verschiedene Bereiche aufgreifen, die für junge Menschen interessant sind. Das haben wir ebenfalls ganz gut geschafft, wie ich meine.

In der Jubiläumsschrift zum 60-jährigen Bestehen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland schreiben Sie, dass man Jugend­lichen ein modernes und zeitgemäßes Programm bieten muss, ohne dabei die Pflege und Bewahrung der siebenbürgisch-sächsischen Identität aus den Augen zu verlieren. Wie sieht dieses Programm konkret aus?

Schon unsere Jugendordnung – quasi die Satzung der SJD – gibt uns vor, welches unser Ziel ist: das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen zu erhalten und sich für die Fortsetzung ihrer jahrhundertealten Geschichte einzusetzen, ebenso wie zur Festigung ihres Zusammenhalts und ihres Gemeinschaftslebens über Grenzen hinweg beizutragen.

Unser Programm ist sehr bunt gemischt. Angebote mit traditionellem Hintergrund und zeitgemäße Angebote halten sich die Waage. In der Öffentlichkeit fallen natürlich die jungen Menschen in Tracht und beim Volkstanz am meisten auf. Dieser Bereich ist der bedeutendste Bereich unserer Jugendarbeit. Das zeigen schon die rund 70 Tanzgruppen (Kinder-, Jugend, Gemischte und Erwachsenengruppen) bundesweit, deren Interessenvertretung die SJD ist. Die beiden wichtigsten Ereignisse im Jahr sind der Heimattag in Dinkelsbühl, bei dem ein beachtlicher Teil des Programms von der SJD durchgeführt wird, sowie der Volkstanzwettbewerb, der seit 1992 jährlich stattfindet.

Was bietet die SJD denjenigen, die den Rhythmus nicht im Blut haben oder einfach nicht gerne tanzen?

Dass man mit Tanz und Tracht nicht jeden Jugendlichen locken kann, ist uns bewusst, auch wenn wir sehr viele junge Menschen haben, die sich genau mit diesen Bereichen sehr identifizieren. Der Volkstanz ist zwar unser Aushängeschild, aber durch die anderen Aktivitäten die wir anbieten, finden sich auch alle nichttanzenden Siebenbürger Sachsen wieder. Sehr gut kommen auch die Veranstaltungen an, die einen anderen kulturellen oder auch freizeitlichen Hintergrund haben. Dazu gehören landeskundliche und kulturelle Seminare wie beispielsweise das Urzelseminar ebenso wie Skitreffen, Segelfreizeit, Sportaktivitäten oder Schweineschlachten nach traditioneller siebenbürgischer Art, wie demnächst geplant. Zudem sind wir uns des­sen bewusst, dass wir Teil der großen weltweit verstreuten siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft sind, und unterstützen diese wie zuletzt die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim oder die Renovierungsarbeiten an der Kirche in Bistritz. Eine gute Mischung aus Tradition und Moderne, das wollen wir als SJD und das bieten wir.

Letzten Endes liegt es auch an den Leuten und ihren Interessen. Wer Ideen zu verschiedensten Themenbereichen hat, ist jederzeit gerne gesehen und kann diese vorstellen oder durch sein Engagement einbringen.

Im Jahr 2001 hat die SJD ein neues Mitgliederkonzept verabschiedet. Hat sich das Vorhaben, eine große Zahl von Jugendlichen als Mitglieder des Verbands zu gewinnen erfüllt?

Besser als ich erwartet hatte, hat sich die SJD-Mitgliedschaft entwickelt, die seit Ende 2002 in die Tat umgesetzt ist. Dadurch ist die SJD in der Lage, um Mitglieder bei den unter 27-Jährigen zu werben und damit Nachwuchs für den ganzen Verband heranzuziehen. Mittlerweile sind wir bei über 450 eingetragenen Mitgliedern angekommen. Eine doch sehr schöne Zahl, aber eine viel höhere ist möglich. Bei unseren Siebenbürger Sachsen, nicht nur bei den jungen, muss erst die Erkenntnis da sein, dass Veranstaltungen in dem Umfang, wie sie die SJD und der gesamte Verband der Siebenbürger Sachsen durchführen, nur durch eine organisierte Gemeinschaft möglich ist. Dass die Zahl der Mitglieder viel höher sein könnte, als sie tatsächlich ist, wäre für mich der einzige Wermutstropfen in der zu Ende gehenden Amtszeit.

Wie ist es gelungen, so viele Jugendliche für die Teamarbeit in der Bundesjugendleitung zu gewinnen?

Die Arbeit, die man in der gesamten SJD in den letzten Jahren geleistet hat, spricht für sich. Wird gute Arbeit geleistet, sind auch die nachrückenden Jugendlichen motiviert mitzumachen und irgendwann auch Verantwortung zu übernehmen. Mittlerweile sind aus dem Kreis der SJD auch viele junge Siebenbürger Sachsen, die in den verschiedenen Landes- und Kreisgruppen des Verbandes Verantwortung übernehmen. Besonders beeindruckt bin ich davon, dass wir derzeit sehr viele Jugendliche haben, die sich in den vielen Gruppen engagieren. Das ist jetzt mittlerweile eine Generation, die nicht mehr in Siebenbürgen aufgewachsen ist. Daher bin ich besonders stolz, dass wir als Bundesjugendleitung es geschafft haben, den Boden für die Jugendarbeit der nächsten Jahre gut vorzubereiten.

Rainer Lehni. ...
Rainer Lehni.
Wo steht die SJD jetzt, wie sieht die Zukunft aus? Welche Projekte stehen in Aussicht?

Im Gesamtverband hat man erkannt, dass die SJD Garant für die Zukunft der gesamten Gemeinschaft in Deutschland ist. Zudem gehören wir zu den aktivsten Jugendverbänden im Aussiedler- und Vertriebenenbereich. Ich wünsche mir, dass der Stand der jetzigen Arbeit innerhalb der SJD gehalten wird, oder – warum nicht – vielleicht auch noch ausgebaut werden kann. Wichtigster Punkt wird die Mitgliederwerbung bleiben, der man sich am intensivsten widmen sollte. Die regelmäßigen Veranstaltungen werden natürlich beibehalten. Welche Projekte die neue Bundesjugendleitung anpeilen wird, da lassen wir uns überraschen.

Stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Bundesjugendleiter der SJD, Leiter der Tanzgruppe Köln, Mitglied der Tanzgruppe Stuttgart, Stellvertretender Nachbarvater der Zeidner Nachbarschaft, Mitglied im Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV), nebenbei noch der Beruf. Ziemlich viele Hochzeiten, auf denen Sie da tanzen. Ist es nicht schwierig, den verschiedenen Verantwortungen gerecht zu werden?

Manchmal schon. Es ist auch nicht immer möglich, überall dabei zu sein, obwohl ich das nach Möglichkeit anstrebe. Mein oder auch unser Glück ist es, dass ich in und mit Vorständen arbeite, die sehr gut funktionieren und größtenteils harmonieren. Das ist dann schon die halbe Miete, wenn die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, auf der gleichen Wellenlänge sind. Das erleichtert eine Zusammenarbeit erheblich. Den Landesvorsitz in NRW habe ich dieses Jahr übernommen, da ich mich bereits entschieden hatte, die Leitung der Bundesjugendleitung in jüngere Hände zu legen und es auch Personen gibt, die diese Arbeit dort fortführen wollen. Auf Dauer wäre das wirklich zeitlich nicht machbar.

Bei dieser großen Zahl an ehrenamtlichen Tätigkeiten stellt sich die Frage: Haben Sie auch ein Privatleben?

Das fragt meine Frau Heike auch öfters. Zum Glück habe ich mit Heike eine Frau, die mir sehr den Rücken stärkt. Sie ist, mindestens so wie ich, für unsere Gemeinschaft in verschiedenen Bereichen aktiv. Dankbar bin ich ihr für ihre Unterstützung, auch wenn wir des Öfteren nicht gleicher Meinung sind bzw. sie auch unsere ehrenamtliche Tätigkeit allgemein viel kritischer begleitet, als ich es tue. Das hat aber auch sein Gutes, weil man verschiedene Blickwinkel bekommt. Das ergänzt sich sehr gut.

Wie gelingt es, die Erfahrung aus der SJD-Arbeit in der Erwachsenenarbeit des Verbandes fortzuführen?

Es heißt ja meistens, man kann von den Alten lernen. Im Prinzip stimmt das. In den letzten Jahren lässt sich jedoch feststellen, dass wir eine Jugendarbeit haben, die zwar ehrenamtlich gemacht wird, aber fast professionelle Züge annimmt. Ich nenne nur das Thema Mitgliederwerbung als Beispiel. Das liegt sicher auch an den Generationen. Im Verband sind das hauptsächlich Landsleute die zum Teil noch in Siebenbürgen gelebt haben. Bei der Jugendorganisation wirken mittlerweile junge Siebenbürger Sachsen mit, die größtenteils in Deutschland aufgewachsen sind. Diese jungen Menschen können naturgemäß ihre hier erworbenen Fähigkeiten mit den Erfahrungen aus Siebenbürgen besser verbinden. Das ist natürlich für den gesamten Verband von Vorteil.

Gibt es ein Leben nach der Jugendarbeit?

Ja sicher. 15 Jahre aktive Tätigkeit für die SJD – die ersten sechs Jahre als Pressereferent und die folgenden neun als Bundesjugendleiter – prägen einen schon. Ich werde der siebenbürgischen Jugendarbeit natürlich sehr verbunden bleiben und sie weiterhin begleiten. Da wir als Gesamtverband auf die Arbeit, die in der SJD als Jugend­organisation geleistet wurde, schon ein bisschen stolz sein können, bin ich zuversichtlich, dass wir auch in einigen Jahrzehnten einen aktiven Verband haben werden. Die vielen äußerst aktiven Bereiche unserer Gemeinschaft, in denen ich weiterhin tätig bin, tragen ebenfalls zu dieser Erkenntnis bei. Ich möchte aber diese Gelegenheit nutzen und unsere Familien in Deutschland auffordern, mehr von ihrer siebenbürgischen Herkunft, Dialekt und Tradition an ihre Kinder und Enkel weiterzugeben. Dann können auch wir als SJD und Gesamtverband hinzutreten und diese siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft mit Leben erfüllen.

Schlagwörter: Jugend, Verbandspolitik, Interview

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