6. Oktober 2023

Gottesdienstfeier in der Manierscher Kirchenburg

Am 8. September 1944 wurden die damals 662 Bewohner von Maniersch (rum. Măgheruș) von deutschen Soldaten aus dem kleinen Ort, der zwischen Großer und Kleiner Kokel liegt, zwangsausgewiesen, wie die Bewohner anderer Ortschaften auch. Viele mussten ihr Dorf binnen einer Stunde verlassen in der Hoffnung, bald wieder in ihren Häusern zu sein, was aber nicht eintraf. Nur wenige alte Leute weigerten sich und blieben. Eine wechselvolle geschichtliche Entwicklung brachte es mit sich, dass im Jahre 2023 nur noch eine 91-jährige Siebenbürger Sächsin dort unter anderer Bevölkerung lebt.
Kirchenburg Maniersch. Foto: Katharina Wittenberg ...
Kirchenburg Maniersch. Foto: Katharina Wittenberg
Maniersch liegt fünf Kilometer nordwestlich von Nadesch in einem kleinen Tal, in das man von der E 60 abbiegt. Die evangelische Kirche liegt auf einem Hügel am Rande des Dorfes. Die Kirche hat eine Umfassungsmauer, ebenso einen Torturm auf der Westseite. Deshalb wird sie zu den siebenbürgischen Kirchenburgen gezählt, auch wenn sie nicht eine der großen und bedeutenden des Landes ist, die zum Weltkulturerbe zählen. Der Ursprung der Kirche geht auf das Jahr 1391 zurück. Sie ist für die Manierscher von Bedeutung und erhaltenswert, nachdem ihr Verfall wegen mangelnder Benutzung schon seit längerem eingesetzt hat. Die Stiftung Kirchenburgen hat sich in Kooperation mit dem Arcus-Verein dieser Kirche angenommen, und es wird seit einiger Zeit an diesem renovierungsbedürftigen Gotteshaus gearbeitet, nachdem es seit einiger Zeit verwaist war und keine Gottesdienste mehr dort stattfanden. Ende August fand dort trotz des fortgeschrittenen Beschädigungszustandes ein Gottesdienst statt.

35 Gottesdienstbesucher kamen am 27. August zusammen. Eine Familien-Reisegruppe, bestehend aus fünf Geschwisterfamilien mit Kindern und Enkeln, die aus ganz Deutschland zusammengefunden hatten und aus Maniersch stammen, versammelten sich mit Leuten aus den Nachbargemeinden Nadesch und Zuckmantel zum Gottesdienst. Der aus Schäßburg gekommene zuständige Ortspfarrer Johannes Halmen hatte Gäste mitgebracht. Auch eine aus Württemberg angereiste kleine Reisegruppe mit ihrem Pfarrer war zum Gottesdienst eingeladen worden. Wie es der Zufall will, trafen sich Menschen, die sich bisher nicht kannten. Ein ergreifender Anblick bot sich, als die 91-jährige Frau, gestützt von zwei Helferinnen, den Burgberg hinauf geführt wurde. Als die Glocken, die so lange geschwiegen hatten, den Beginn einläuteten, flossen Tränen der Rührung. Als Kind hatte hier meine Taufe stattgefunden, die für mich ein Leben lang wichtig war. All unsere Vorfahren waren hier viele Jahrhunderte lang ein- und ausgegangen, hatten Kraft geschöpft und Trost empfangen. Dieses Bewusstsein zog sich durch die Gottesdienstfeier und der Dank für das Erlebnis wurde Gott dargebracht und IHM dafür gedankt.

Die 91-jährige Sächsin lud nach dem nachmittäglichen Gottesdienst alle zum Kaffeetrinken in ihr Haus, wobei Helferinnen ihr zur Seite standen. Großartige Gastfreundschaft wie in Siebenbürgen, man war eben wieder „zu Hause“.

Am folgenden Tag erlebten wir, wie Handwerker unter fachkundiger Leitung von Sebastian Bethge von der Stiftung Kirchenburgen an der Kirche arbeiteten. So wurde in den letzten Jahren die von Wildwuchs und Sträuchern fast zugewachsene Kirche befreit, die Tortüre und die beiden Kirchen-Eingangstüren wieder funktionstüchtig gemacht. Wilde Tiere können nun nicht mehr eindringen. Im Innern wurde Schmutz und Schutt entfernt und Putz abgeschlagen, damit die Wände, die durch Sickerwasser beschädigt sind, trocknen können. Dabei wurden kleine Teile von Fresken aus verschiedener Zeit entdeckt, so zum Beispiel die Figur eines geflügelten Engels oder Rosetten mit Blütenblättern und auch Weihe- oder Apostelkreuze. Diese Entdeckung empfanden wir als sensationell und unser Interesse an der Erhaltung der Kirchenburg wuchs noch mehr. Die Kassettendecke des Kirchenschiffes ist bemalt und vier Fenster erhellen das Gotteshaus. Wir erfuhren, dass es mindestens drei Bauperioden gegeben hat. Das Kirchenschiff ist zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert entstanden. Es soll nun so hergestellt werden, dass der Verfall gestoppt, die beschädigten Stützpfeiler wieder aufgebaut und so stabil wie möglich hergerichtet werden. Das Mauerwerk besteht überwiegend aus Bruchstein, ebenso die Umfassungsmauer. Unser großer Dank für all die geleistete Arbeit geht an den Arcus-Verein und die Stiftung Kirchenburgen, die tatkräftig die geplanten Arbeiten ausgeführt haben. Gerne gehen wir mit ihnen die nächsten Schritte.

Bis jetzt wird diese Arbeit nur von einem kleinen Kreis unterstützt. Wünschenswert wäre, wenn der Unterstützerkreis wachsen würde. So rufe ich alle aus Maniersch Stammenden auf, bei den Renovierungsarbeiten mitzuhelfen. Dass die in Siebenbürgen gelegene Kirchenburgenlandschaft einzigartig in Europa und weltweit ist, verdient es, erhalten und nicht dem Verfall und Vergessen preisgegeben zu werden, damit sie auch nachkommenden Generationen erhalten bleibt. Kontakt der Stiftung Kirchenburgen, E-Mail: office [ät] kirchenburgen.org, Telefon: (0040-269) 221010.

Katharina Wittenberg, Gräfenberg

Schlagwörter: Kirchenburg, Maniersch

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