10. November 2000

Identität als Maßstab und Ziel landsmannschaftlicher Aktivitäten

Die gruppeneigene Identität und ihre tägliche Neudefinierung sollten Maßstab und Ziel sämtlicher landsmannschaftlicher Aktivitäten sein. Diese Forderung stellte Bundesvorsitzender Volker E. Dürr an den Anfang der Tagung des Bundesvorstands der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, die am 28. und 29. Oktober im neuen Münchner Begegnungszentrum des Verbands in der Karlstraße 100 stattfand.
Zugegen waren dort, neben den Vorstandsmitgliedern, auch die ständigen Vertreter der Heimatkirche bzw. des Siebenbürgen-Forums (DFDS), Dechant Klaus Daniel und der Hermannstädter Mathematiklehrer Martin Bottesch, der hauptberuflich zurzeit in Mediasch das dortige deutsche Lehrerfortbildungszentrum im Schuller-Haus leitet.
Immer wieder, so Dürr, habe sich der Verband der Frage nach dem eigenen Selbstverständnis und dem seiner Mitglieder zu stellen: welchen Platz er in der hiesigen Gesellschaft einnehme, wie er sich und die Gemeinschaft, deren Interessen er zu vertreten habe, in den nächsten Jahren sehe, ob er nur noch museale, eher rückwärtsgewandte, nostalgisch bewahrende Aufgaben wahrnehmen wolle oder sich dazu bereit finde, mit zusätzlichem Engagement den gruppenspezifischen Erfahrungen des Gemeinsinns und der Toleranz in einem gewandelten sozialen Umfeld Anerkennung zu verschaffen und mit seinen Problemen Gehör zu finden. Dazu sei nach wie vor auch das enge Zusammengehen mit Kirche und Forum im Herkunftsgebiet erforderlich.
Den letzteren Gedanken griff Dürrs Stellvertreter Bernd B. Fabritius auf und bedauerte dabei, dass dieses Zusammengehen nicht von allen Seiten in gleicher Weise für wichtig, gar für entscheidend gehalten werde. Fabritius hatte den Verband beim diesjährigen Sachsentreffen Anfang September in Birthälm vertreten, wo jedoch die Landsmannschaft und auch die hiesigen Heimatortsgemeinschaften, die so manches für die Menschen in Siebenbürgen tun, mit keinem einzigen Wort auch nur Erwähnung gefunden hatten. Mehr noch: In der Festrede des DFDR-Vorsitzenden Paul Philippi sei zwar viel vom "Selbstbewusstsein" der Siebenbürger Sachsen, nämlich der "Hiergebliebenen", also der im Herkunftsland verbleibenden, die Rede gewesen, hingegen auf die Ausgesiedelten eher abschätzend als auf jene angespielt worden, die "dem Zug der Lemminge... einfach gefolgt" seien. Wenn es um die Frage der "Identität" gehe, so sei sie offenbar für den Festredner des diesjährigen Birthälmer "Sachsentags" Philippi ausschließlich im Herkunftsland auszumachen, was ebenso realitätsfremd wie selbstherrlich gewirkt habe.
Dieser Sicht der Dinge widersprach ausdrücklich im Namen des Siebenbürgen-Forums dessen Vertreter Martin Bottesch: die Äußerungen des DFDR-Vorsitzenden deckten sich durchaus nicht mit den Sichtweisen des DFDS, das an gemeinsamen, einander hilfreichen Zielvorstellungen und Vorgehensweisen und damit wohl auch an gemeinsamer Identitätsbestimmung interessiert sei, daran auch in Zukunft festhalten werde.

Bleibehilfe unter schwierigen Bedingungen

Damit im Zusammenhang standen die Ausführungen von Peter Pastior, dem Vorsitzenden des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen, der auf der Sitzung einen Bericht über die Situation in der sogenannten "Bleibehilfe" vorlegte. Nach wie vor müssen von der Münchner Vereinigung die über sie abgewickelten, inzwischen stark geschrumpften Geldmittel des Bundesinnenministeriums (BMI) zur Ausstattung der Lokalforen in Siebenbürgen und für materielle oder medizinische Hilfen an Bedürftige kräftig aus Eigenmitteln aufgestockt werden. Zudem lassen Informationen aus Insiderkreisen darauf schließen, dass in Berlin anscheinend die Absicht besteht, diese materielle Hilfen weiter zu reduzieren oder gar völlig einzustellen, was einen empfindlichen Schlag für die humanitären Aktivitäten des Sozialwerks bedeuten würde, das über die jetzigen Dotationen hinaus ohnehin schon etwa zwei- bis dreimal mehr Eigenmittel aufwenden muss, um auch nur in den dringendsten Fällen im Herkunftsgebiet humanitär tätig sein zu können. Bereits jetzt, so Pastior, sei das absolute Minimum an Förderung erreicht. Auch Bottesch warnte vor weiteren Reduzierungen, da schon so das meiste Geld, das aus Berlin komme, von den überaus hohen Folgekosten in den bereits bestehenden Hilfseinrichtungen aufgezehrt werde. Hingegen sprach der Forumsvertreter seine Anerkennung und seinen Dank dem Sozialwerk aus, das in Siebenbürgen trotz aller Einschränkungen durch die hiesige öffentliche Hand nach wie vor prompt und vorbildlich aktiv sei.

Kultur in Not


Um drückende Mittelkürzungen ging es auch in dem Bericht zum Stand der landsmannschaftlichen Kulturarbeit, den Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster vorlegte und zu dem Dürr die jüngste, inzwischen dritte Fassung des Kulturkonzepts von Staatsminister Michael Namann vorstellte (diese Zeitung berichtete ausführlich in ihrer letzten Ausgabe). Obwohl das Konzept noch keineswegs seinen parlamentarischen Weg durchlaufen hat, werden die dort vorgesehenen, restriktiven Förderungsgrundlagen bereits angewendet. Das hat dazu geführt, so Kulturreferent Schuster, dass praktisch keine landsmannschaftlichen Veranstaltungen mehr vom Bund finanziell mitgetragen werden. Der Verband ist also ausschließlich auf seine eigenen Mittel angewiesen, wenn er weiterhin Kulturarbeit leisten will. Demgemäß wurde auf der Sitzung in München notgedrungen beschlossen, dass Veranstaltungen kulktureller Art von nun an zu je einem Drittel aus dem Haushalt des Bundesvorstands, dem durch Beschluss des Verbandstages von 1999 eingerichteten Kulturfonds und von der jeweils Teilnehmer entsendenden Untergliederung getragen werden sollen. In diesem Jahr wurden lediglich die Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage von Berlin aus mitfinaziert. Selbst wenn auch das im kommenden Jahr nicht mehr der Fall sein wird, will man die Veranstaltung der Kulturtage nicht aufgeben. Die Landesgruppe Bayern hat sich bereit erklärt, sie unter allen Umständen 2001 auszurichten.
Sorgen bereitet nach wie vor auch das Kulturzentrum in Gundelsheim, über dessen Nöte AKSL-Vorsitzender Dr. Günther Tontsch berichtete und aufrief, die dortige Bibliotheksstiftung zu unterstützen. Es sei gerade heute, da sich die öffentliche Hand mehr und mehr aus der Förderung zurückziehe, ungemein wichtig und sicher auch zukunftsträchtig, privaten Initiativen zum Tragen zu verhelfen, mit denen allein wohl die Existenz von Kultureinrichtungen der Aussiedler künftig gesichert werden könnte.

Fremdrenteninitiative geht weiter ihren Weg

Über die Situation in der Aussiedleraufnahme informierte Bundesrechtsreferent Dr. Johann Schmidt (diese Zeitung berichtete ebenfalls), über den Stand der landsmannschaftlichen Fremdrenteninitiative der dafür zuständige Bundesrechtsreferent Ernst Bruckner. Die vom Kasseler Bundessozialgericht erlassene Vorlage ans Bundesverfassungsgericht geht ihren juristisch vorgesehenen Weg. Inzwischen hat der stellvertretende Bundesvorsitzende Fabritius, der vor dem Bundesvorstand auch über die Aktivitäten im Anwaltspool des Verbands Auskunft gab, mit einem zweiten namhaften Gutachter Kontakt aufgenommen: Es handelt sich um den bekannten Sozialrechtler Professor Dr. Ulrich Becker, der sich bereit erklärt hat, die landsmannschaftliche Interessengemeinschaft gegen die Fremdrentenkürzung bei deren Gang vor das Bundesverfassungsgericht zu begleiten.
Rechtliche Fragen waren zudem Gegenstand von Ausführungen des Wirtschafts- und Siebenbürgenreferenten Detlef Barthmes, der sich u.a. auf die rumänische Rückgabegesetzgebung bezog. Diesbezüglich herrscht in Deutschland, wo Aussiedler Lastenausgleichszahlungen erhalten haben, eine ganz andere Rechtslage als etwa in Österreich, wo dieses nicht der Fall war. Inzwischen hat das Bundesverwaltungsamt "aus gegebener Veranlassung", wie es in einer Verlautbarung der Kölner Behörde heißt, darauf hingewiesen, dass die im Herkunftsland in ihre Rechte wiedereingesetzten Aussiedler sowie deren Erben oder Rechtsnachfolger bei Rückerstattung verlorenen Besitztums gesetzlich verpflichtet sind, die von den deutschen Ausgleichsämtern empfangenen Leistungen für einst verlorene Vermögenswerte zurückzuzahlen (Paragraph 349 des Lastenausgleichsgesetzes). Ein Versuch der Landsmannschaft, sie davon befreien zu lassen, wenn sie das wiedergewonnene Vermögen einem gemeinnützigen Zweck zuführen, ist vorerst fehlgeschlagen, da, selbst bei einer Bereitschaft der Behörde, die Freistellung mit dem Text des Lastenausgleichsgesetzes kollidieren würde. Lediglich eine Gesetzesänderung durch Bundestag und Bundesrat könnte dem Abhilfe schaffen.
Erörtert und gutgeheißen wurden vom Bundesvorstand die Textvorlagen zu den vom Verbandstag der Landsmannschaft im Oktober letzten Jahres beschlossenen Satzungsänderungen sowie der Jugendordnung, die von den zuständigen Ausschüssen erarbeitet worden waren. Zudem nahm das Gremium in München das Projekt des landsmannschaftlichen Haushaltsplans für 2001, das Bundesschatzmeister Peter Pastior und Bundesgeschäftsführer Erhard Graeff vorgelegt hatten, billigend zur Kenntnis. Vorgestellt wurde vom Internetreferenten Robert Sonnleitner der unter seiner Leitung erstellte Webauftritt der Landsmannschaft und der Siebenbürgischen Zeitung, der einstimmig als sehr gelungen bewertet wurde.
Nicht zuletzt wurde vom Bundesvorstand das Thema Heimttag erörtert. Dazu legte der zuständige Bundesreferent Johann Schuller eine von Inhalt und Ablauf her positive Bilanz des diesjährigen Pfingsttreffens vor. Mitausrichter des Heimattages 2001 in Dinkelsbühl wird die Landesgruppe Baden-Württemberg sein.
Die Sitzung des Bundesvorstands fand in den neuen Räumen der Münchner Geschäftsstelle statt. Die dort gefundenen bau- und bürotechnischen Lösungen, die Einrichtung der Räume und deren Zuordnung wurden von den Vorstandsmitgliedern ausnahmlos für zweckdienlich und der landsmannschaftlichen Gemeinschaftsarbeit förderlich befunden.

Hannes Schuster

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