11. März 2002

Rumänische und moldauische Filme bei Berlinale

Eine Feder gleitet übers Papier, die Schrift ist hastig, man hört das eilige Gekritzel auf dem Briefbogen. Ein Mann mittleren Alters faltet das Blatt und steckt es in ein Kuvert, tupft sich den Schweiß ab. Dann zieht er eine Pistole aus der Schublade, steht auf, trinkt einen Schluck Wasser, kauert sich aufs Bett.
Mit dem Selbstmord des verkannten Poeten und unglücklich Liebenden George Demetru Ladima (Oleg Iankovski) beginnt die neue Verfilmung von Camil Petrescus Roman: „Das Prokustesbett“, die auf der Berlinale, den Internationalen Filmfestspielen in Berlin, im „Panorama“ gezeigt wurde. Das Regisseure-Paar Viorica Mesina und Sergiu Prodan aus der Republik Moldau haben sich an den berühmten Roman der Zwischenkriegszeit herangewagt, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Selbst wenn die Kostüme manchmal etwas schrill sind und glitzernd, lässt man sich gerne in diesen Glamour der zwanziger Jahre der gehobenen Bukarester Gesellschaft versetzen, als man mit flotten Automobilen durch die Gegend kurvte, sich Flugexperimente und bezahlte Huren leistete und als die Liebe, wie zu jeder Zeit, kompliziert und die Politik verworren war.
Auf dem (Prokustes)Bett der Schauspielerin und Hure Emilia spielt sich dann, wie im Roman, hauptsächlich auch der Film ab. An einem schwülen Sommernachmittag kehrt der Flieger und Diplomat Fred Vasilescu (Petru Vutcarau) aus Langeweile bei ihr ein und entdeckt die Liebesbriefe des verstorbenen Ladima. Deren Lektüre verquickt sich mit Episoden aus seinem eigenen Leben und die unbegreifliche und vielleicht lächerliche Leidenschaft Ladimas zur abgebrühten Emilia (Tania Popa) erscheint als Gegensatz zur kapriziösen und unerfüllten Liebe Freds zur mysteriösen Frau T (Maia Morgenstern).
Sechs Jahre dauerten die Dreharbeiten - unterbrochen durch etliche finanzielle Schwierigkeiten. Nun suchen die Regisseure einen ausländischen Verleih.
Ebenfalls im „Panorama“ lief der rumänische Kurzfilm „Popcorn story“ von Tudor Giurgiu, ein schriller experimenteller Film, der einen veralteten Bukarester Gavroche, Finder einer präparierten Popcorn-Tüte auf seinem Weg durch die nächliche Stadt verfolgt. Ihm hinterher sind zwei - möglicherweise - Dealer, denen die Tüte gehört. Grotesken, sinnlichen und dumpfen Gestalten begegnet er auf seinem Weg, um sich in eine liebestolle Popcornverkäuferin zu verknallen, die sich Leuchtherzen an die Brüste gesteckt hat. In gehetzten Schnitten und farbenfroh wird hier gezeigt, wie balkanische Gleichmut auf westliche Popcorn-Kultur trifft.
Im „Forum“ lief außerdem die deutsch-rumänische Koproduktion: „Geschichten aus dem Lepratal“ von Andrei Schwartz und außerhalb der Berlinale Lucian Pintilies Film: „Dupa-amiaza unui tortionar“ („Der Nachmittag eines Folterknechtes“).

Edith Ottschofski


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 15. März 2002, Seite 9)

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