2. Dezember 2001

Ausstellung "Bayern-Ungarn, Tausend Jahre"

In der hoch über Passau thronenden "Veste Oberhaus" wurde bis Ende Oktober eine sehenswürdige Ausstellung über die Beziehungen zwischen Bayern und Ungarn, ihre Geschichte, Persönlichkeiten und Landschaften gezeigt. Die Ausstellung – in Passau hatte sie über 120 000 Besucher – wird vom 3. Dezember 2001 bis 28. Februar 2002 im Ungarischen Nationalmuseum in Budapest zu sehen sein.
Eine Vielzahl von hochrangigen Leihgaben und Exponaten, zusammengestellt vom Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg, der Stadt und der Diözese Passau sowie vom Ungarischen Nationalmuseum Budapest, und ein umfassendes Begleitprogramm beleuchteten entscheidende Abschnitte der Tausend Jahre Nachbarschaft.
Passau bot sich als Ausstellungsort an, da hier diese Nachbarschaft vielfältige Spuren hinterlassen hat. Hier ruhen im Kloster Niedernburg die Gebeine der seligen Gisela, der ersten Königin von Ungarn, einer Prinzessin aus Bayern. Ihr Gemahl, der heilige Stephan, Gründer des Ungarischen Staates, wurde bei der Christianisierung seines Landes von Missionaren aus Passau unterstützt. Später gingen von Passau Handelswaren die Donau runter, und enge, bis heute dauernde Verbindungen ergaben sich aus der Ansiedlungspolitik im Mittelalter, die zahlreiche Auswanderer auch aus Bayern nach Ungarn lockte. In Passau fanden aber auch die ersten ungarischen Emigranten nach der brutalen Niederschlagung des ungarischen Aufstandes 1956 Aufnahme und Betreuung, und hier wurde durch die Ankunft der ersten DDR-Flüchtlinge aus Ungarn das beginnende Ende des Eisernen Vorhangs eingeläutet.
Beim Betreten der Ausstellung wird man auch stimmungsmäßig ins „finstere“ Mittelalter versetzt. Neben dem ungarischen Krönungsmantel, Bildern und Statuen von Stephan I. und Gisela wird dem Besucher die Bedrohung weiter Teile Europas durch die Beutezüge der magyarischen Bogenschützen in der Zeit vor dem Heiligen Stephan bewusst gemacht. Erst in den folgenden Jahrhunderten entwickelten sich friedliche Beziehungen durch Handel, Handwerk, Kunst, Kultur und politische Verbindungen. Auf Einladung ungarischer Könige siedelten sich deutsche Handwerker und Bauern im Karpatenbogen und später in der Donau-Theiß-Ebene an und gründeten Städte und Dörfer. Gertrud, aus dem bayerischen Geschlecht Andechs-Meranien, Gattin König Andreas‘ II. bevorzugte deutsche Siedler, was ihr später zum Verhängnis werden sollte. Somit sind auch die Siebenbürger Sachsen in die Geschichte der ungarisch-bayerischen Nachbarschaft eingeflochten, und unter anderem wird ein Kelch des Hermannstädter Goldschmiedes Sebastian Hann und die Elfenbeinstatue eines Sachsengrafen gezeigt, Hermann Oberth wird als Vorkämpfer und Vater der Weltraumfahrt gewürdigt, während ein Modell der Tartlauer Kirchenburg einem das Leben im Mittelalter näher bringt.
Die Geschichte und Kultur der beiden Länder wird in der Ausstellung lebendig. Die glanzvolle Epoche des ungarischen Königs Matthias Corvinus, dessen prachtvolle Bibliothek nur von der des Papstes übertroffen wurde, veranschaulichen auch Exponate der Goldschmiedekunst. Danach wieder Waffengeklirr, aber nach Husaren und Panduren treten wiederum Gelehrte, Forscher, Künstler und Unternehmer in den Vordergrund und prägen die Beziehungen. So z.B. hat Albrecht Dürer d. Ä. ungarische Wurzeln, Franz Liszt prägte nachhaltig das musikalische Bild Ungarns, Anton Fugger war auch in Ungarn unternehmerisch tätig, und Elisabeth (Sissi), die bayerische Prinzessin, war ungarische Königin. Dann wiederum düstere Zeiten: die Teilung Ungarns nach dem Ersten Weltkrieg, Diktatur, Flucht und Vertreibung, der Zweite Weltkrieg, Eiserner Vorhang, Aufstand, Unterdrückung und mangelnde Freiheit. Dann endlich fallen die Grenzen, Ungarn öffnet sich, frei gewordene Menschen strömen nach Westen in ein vereintes Europa. All das wird auch durch den Einsatz modernster Medien nicht nur als trockenes Wissen, sondern emotional ansprechend vermittelt.
Aufschlussreiche Informationen über die 1000-jährigen Beziehungen Bayern-Ungarn konnten und können noch über das Internet erhalten werden – die bayerisch ungarische Porträtgalerie umfasst den Zeitraum von der Gründung des ungarischen Staates bis in die Gegenwart. Diese Informationen bietet auch der Ausstellungskatalog und mehrere Fachbücher sowie die CD-Rom für Unterricht und Schule: „Bayern-Ungarn unterwegs“. Außerdem wurde im bayerischen Fernsehen der zweiteilige Film „Kreuz und Krone“ ausgestrahlt, und parallel zur Landesausstellung ein sehenswerter pannonischer Garten an der Innpromenade angelegt, mit seltenen, teilweise einzigartigen Pflanzen der ungarischen Tiefebene.
Als Mitglieder der Kreisgruppe Rosenheim eine Fahrt zur Ausstellung nach Passau unternahmen - auch mehrere Heimbewohner des Siebenbürgerheimes Rimsting nahmen daran teil -, wurden sie von Helmut Hermann, Gründer der Kreisgruppe Passau, herzlich empfangen und durch die Ausstellung begleitet. Sie wurden gefragt: „Was haben die Siebenbürger Sachsen mit Bayern oder Ungarn zu tun?“. Nun wissen sie: Es handelt sich um einen Teil Europas, der einmal unsere Heimat war und um einen Teil Europas, der unsere Wahlheimat ist. Und sie wissen auch, dass sich feindliche Beziehungen zu dauerhaften freundschaftlichen entwickelt haben und sich in einem vereinten Europa auch weiter entwickeln.

Hildegard und Erwin Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2001, Seite 8)

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