24. September 2005

Tage der Begegnung in Zendersch

Die in der Zerstreuung lebenden Sachsen aus Zendersch in Siebenbürgen hatten schon seit langem den sehnlichsten Wunsch, sich einmal in ihrem früheren Heimatort zu treffen und eine Begegnung mit der heutigen rumänischen Bevölkerung des Ortes zu ermöglichen. Im heutigen Zendersch (rumänisch Senereus) lebt keine deutsche Seele mehr, die uns bei der Organisation vor Ort hätte behilflich sein können. Wir konnten dennoch auf über Jahre hinweg bestehende gute Kontakte von Horst und Herbert Prudner zu der rumänischen Bevölkerung in Zendersch zurückgreifen.
So fuhren Anfang August rund 250 Zenderscher Landsleute aus Deutschland, Österreich, USA und Kanada zu diesem Heimattreffen vom 5. bis 8. August nach Rumänien, darunter auch viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, viele auf der Suche nach ihren Wurzeln und den Spuren der siebenbürgisch-sächsischen Vergangenheit ihrer Eltern, Großeltern und Vorfahren. Lesen Sie zwei separate Berichte in der Siebenbürgischen Zeitung Online.
Empfang durch die Jugendlichen in Zendersch. Foto: Alida Henning
Empfang durch die Jugendlichen in Zendersch. Foto: Alida Henning

Der Empfang der Gäste durch die rumänische Bevölkerung in Zendersch war überwältigend. Das ganze Dorf war auf den Beinen, den Gästen wurden Blumen, Salz und Brot gereicht, Striezel und das unverzichtbare Gläschen Pali. Kinder und Jugendliche in farbenprächtiger Tracht begrüßten die Gäste mit temperamentvollen rumänischen Tänzen auf dem Tanzplatz (Roajen) des Dorfes, der eigens für dieses Ereignis neu gerichtet worden war. Den ersten Tag ihres Aufenthaltes nutzten die deutschen Gäste für die Begegnung mit rumänischen Bekannten und Freunden, die sie seit ihrer Auswanderung nicht mehr gesehen hatten. Ein großer Teil unserer siebenbürgischen Landsleute wurde von den Gastgebern in Zendersch auch beherbergt. Bei einem Spaziergang durch das Dorf suchten viele nach ihrem Eltern- und Geburtshaus. So mancher wurde dabei enttäuscht, weil sich alles so sehr verändert hat, manches Haus nur noch eine Ruine ist oder gar nicht mehr steht.

Höhepunkte des Sonntags waren ein feierlicher Gottesdienst und ein rumänisch-deutsches Kulturprogramm. Nach fünfjährigen Renovierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an der Zenderscher Kirche, die durch Spenden der Zenderscher in der Zerstreuung und durch finanzielle Unterstützung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung ermöglicht wurden, konnte in der Kirche nach über 15 Jahren wieder ein Gottesdienst stattfinden. Pfarrer Gerhard Schullerus war aus Hermannstadt gekommen. Für ihn war Zendersch kein fremdes siebenbürgisches Dorf. Als Sohn des ehemaligen Zenderscher Pfarrers Friedrich Wilhelm Schullerus ist er hier zur Schule gegangen. Im Mittelpunkt des Festgottesdienstes stand die Predigt über den Propheten Daniel in der Löwengrube, dem der feste Glaube an seinen Gott über die dunkelsten Zeiten seines Daseins hinweggeholfen hat. Begleitet von der Zenderscher Blasmusikkapelle unter der professionellen Leitung von Reinhard Konyen, wurden die bekannten Kirchenlieder "Großer Gott, wir loben dich" und "Lobe den Herren" von den vielen Gottesdienstbesuchern in so feierlicher Weise gesungen, dass so manchem vor Rührung die Tränen in die Augen traten. Pfarrer Gerhard Schullerus sagen wir im Namen aller Zenderscher unseren herzlichen Dank. Dank gebührt auch denjenigen, die das Innere der Kirche mit großer Mühe und viel persönlichem Einsatz gereinigt und für den Gottesdienst ausgeschmückt haben, insbesondere Katharina Weber, geb. Bretz, und ihrer Schwester Regina Bell.

Das kulturelle Programm am Sonntagnachmittag wurde von der Zenderscher Blasmusikkapelle eröffnet, die in siebenbürgisch-sächsischer Tracht mit Marschmusik von der Schule zum öffentlichen Tanzplatz marschierte, wo sich die rumänischen und deutschen Zuschauer in großer Zahl eingefunden hatten. Unter ihnen auch die Vertreter des öffentlichen Lebens der Gemeinde Senereus. Bürgermeister Mate Janos aus Balauseri begrüßte die Gäste und würdigte die kulturellen Leistungen der ehemaligen deutschen Bewohner des Dorfes, von denen auch die heutige Bevölkerung noch profitiere. Der rumänisch-orthodoxe Pfarrer i. R. Man Valer erinnerte an die Zeit, als noch Deutsche und Rumänen in Zendersch zusammen lebten und daran, dass die Siebenbürger Sachsen mit dem Ort eine Jahrhunderte lange Geschichte verbindet.

Andreas Rader, Sprecher der Heimatortsgemeinschaft Zendersch, dankte den Bewohnern für die Gastfreundschaft und große Anstrengung, damit das kleine Dorf so viele Gäste aufnehmen, beherbergen und bewirten konnte. Zendersch sei für viele Gäste einst Heimatort und Zuhause gewesen - Senereus sei heute zum Heimatort seiner rumänischen Bewohner geworden. Zendersch ist ein Dorf mit einer 600 Jahre alten deutschen Geschichte. Das erste Kirchengebäude wurde vor rund 530 Jahren erbaut, die erste Schule von 330 Jahren. "Unsere Mütter und Väter, unsere Großeltern und Verwandten und unsere Vorfahren liegen hier auf dem Friedhof begraben", sagte Rader. "Wir fühlen uns dieser Landschaft, den Menschen und unserer Kultur, mit der viele von uns aufgewachsen sind, verbunden, auch wenn wir die geografischen Grenzen dieser alten Heimat längst hinter uns gelassen haben. Es ist deshalb notwendig, dass sich das rumänische Volk zur deutschen Minderheit bekennt, weil die Siebenbürger Sachsen auch einen wichtigen Beitrag zur Kultur Rumäniens geleistet haben." Dieses kulturelle Erbe sei auch ein Teil der Geschichte Rumäniens, das die rumänischen Bewohner von Senereus auch in ihrem eigenen Interesse pflegen und erhalten sollte. Der Nachmittag klang mit Beiträgen der Zenderscher Blasmusikkapelle, des Zenderscher Chors und der Tanzgruppe aus. Unter der Leitung von Schulrektor Neag hatten rumänische Schulkinder und Jugendliche Tänze eingeübt, die mit viel Schwung in rumänischer Tracht dargeboten wurden. Auch eine jugendliche Gruppe der im Ort lebenden Zigeuner leistete einen viel bestaunten tänzerischen Beitrag.

Die renovierte evangelische Kirche von Zendersch. Foto: Alida Henning
Die renovierte evangelische Kirche von Zendersch. Foto: Alida Henning

Die Totengedenkfeier wurde am Montag wetterbedingt in der Kirche abgehalten. Auch hier wirkten die Zenderscher Blasmusikkapelle und der Männerchor mit. Die Gedenkfeier hielt Pfarrer Hans Bruno Fröhlich, Dechant des Schäßburger Kirchenbezirks. Er wies darauf hin, dass die Toten ein Bindeglied darstellten zwischen diesem Ort und allen, die hierher gekommen seien. Im Anschluss an den Gedenkgottesdienst schmückten viele Angehörige die Gräber auf dem Friedhof mit Blumen. Dem letzten Burghüter von Zendersch, der als letzter Siebenbürger Sachse 1993 dort verstorben ist, wurde von der Kollekte des Sonntagsgottesdienstes eine Grabplatte mit Inschrift errichtet.

Nun liegen diese Tage der Begegnung in Zendersch längst wieder hinter uns. Für viele Zenderscher war es ein besonders eindrucksvolles Erlebnis. Das allgemeine Echo war durchweg positiv. Im Namen der Zenderscher Gemeinschaft danken wir allen, die sich in irgendeiner Weise für das Zustandekommen und das Gelingen dieses Treffens in unserem siebenbürgischen Heimatort eingesetzt haben. Ein besonderer Dank gilt den Initiatoren und Organisatoren Horst und Renate Prudner sowie Herbert Prudner.

Andreas Rader


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