10. Juni 2005

Schwarzwälder Flößer einst in Siebenbürgen

Am 15. April wurden in Schiltach (am Rande des Schwarzwalds) aufgrund ungewöhnlicher, bisher kaum bekannter Verbindungen zwei siebenbürgische Ausstellungen eröffnet, die noch bis Ende Juni laufen. Es handelt sich um die anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung aktualisierte Ausstellung "Siebenbürgisches Kulturerbe am Leben erhalten" im "Museum am Markt" mit Dauerleihgaben der Stiftung aus dem Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim sowie um die Sonderausstellung "Hermann Oberth - Vater der Raumfahrt" im Foyer des Rathauses. Initiatoren sind Dr. Volker Wollmann und die "Schiltacher Flößer".
Warum gerade in dem schmucken Industrie- und Touristenort Schiltach? Die Einladung kam von den "Schiltacher Flößern", einem lokalen Traditionsverein. Männer aus dem Schwarzwald hatten bereits in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der Holzwirtschaft Siebenbürgens, vor allem an Mieresch und Aranyos (Aries), später auch im Mühlbachtal, Arbeit und Brot gefunden. Eine Fotografie aus dem Jahr 1871 hierzu hat dokumentarischen Wert. Dieses einzige erhalten gebliebene Gruppenbild mit 14 Schiltacher Flößern wurde wohl in Thorenburg aufgenommen. Auffallend ist die modische städtische Kleidung mit Lederstiefeln, im Kontrast zu jener der rumänischen Waldarbeiter, die eine schlichte Wollkleidung und Bundschuhe (opinci) trugen.

Altbürgermeister Peter Rottenburger (links) erklärt bei einem Pressegespräch die Bedeutung dieser Veranstaltung. Die Ausstellung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung ist bis zum 26. Juni geöffnet.
Altbürgermeister Peter Rottenburger (links) erklärt bei einem Pressegespräch die Bedeutung dieser Veranstaltung. Die Ausstellung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung ist bis zum 26. Juni geöffnet.

Nun wollten die "Schiltacher Flößer" dem interessierten Publikum mehr über Siebenbürgen vermitteln und wandten sich an Dr. Volker Wollmann, den früheren Direktor des Siebenbürgischen Museums in Gundelsheim. Man hatte sich 2004 bei einer Tagung in Slowenien kennen gelernt, wo Dr. Wollmann den Vortrag "Schwarzwälder Flößer in Siebenbürgen" gehalten hatte. Seine weiteren Nachforschungen zum gleichen Thema hat er jetzt anlässlich der Eröffnung der beiden Ausstellungen in einen ergänzenden Vortrag gekleidet, den er im Hinblick auf noch zu erhoffende Erkenntnisse einen Zwischenbericht nennt. Auf einige Passagen daraus sei hier hingewiesen.

Von Wolkenbrüchen ausgelöste Überschwemmungen waren auch an Flussläufen in den Westkarpaten keine Seltenheit. Besondere Erwähnung verdient eine Katastrophe in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 1871, bei der am Aranyos (Aries) in der Nähe von Thorenburg/Turda mehrere Badenser Flößer, die in Zelten kampierten, in den Tod gerissen wurden. Die Witwen der Flutopfer sowie deren unmündige Kinder, die nun Halbwaisen waren - und das waren viele! - bekamen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr aus Staatsgeldern über das Klausenburger Forstamt eine Pension bzw. einen Erziehungsbeitrag von je 50 Gulden pro Kopf "allergnädigst bewilligt". Immerhin ein bemerkenswerter Aspekt sozialer Absicherung schon in damaliger Zeit!

Dr. Wollmann hat in Archiven geforscht und ist dabei auf die Aufzeichnungen eines aus Schenkenzell im Schwarzwald stammenden Flößers gestoßen, die auch veröffentlicht wurden. Dieser Mann namens August Fischer hat statistisch erfasst, dass in jenen Jahren rund 180 Flößer aus dem Schwarzwald nach Siebenbürgen gezogen sind, allerdings nur wenige für immer. Sammelplatz der auswandernden Flößer war Freudenstadt. Der Konvoi, zu dem auch August Fischer gehörte, bestand aus 92 Mann. Zusätzlich wurden einige Köchinnen mitgenommen, "die uns in fremdem Lande nach der Heimsitte gekocht haben".

1874 wurden die in Siebenbürgen verbliebenen "Badenser", wie die Flößer genannt wurden, aus den Westkarpaten ins Mühlbachtal versetzt. Ein Flößer berichtet in einem Brief an seine Ehefrau davon: "...wo der Fluß viel schlechter ist". Albert Amlacher, Lehrer, Pfarrer und auch Schriftsteller in Mühlbach, beschreibt in seinen Novellen mit Vorliebe die Welt der rumänischen Hirten, Goldwäscher und vor allem jene der Waldarbeiter und Flößer. Von ihm ein zu diesem Bericht passendes Zitat: "...und wer diese romanischen Flößer hier hantieren sieht, muß bekennen, daß sie ihren Lehrmeistern, den Badensern, alle Ehre machen."

Wenn auch von der Flößertradition in Siebenbürgen und im Besonderen im Mühlbachtal, die von den Schwarzwälder "Gastarbeitern", den "Badensern", maßgeblich geprägt wurde, bis auf spärliche schriftliche Überlieferungen und zwei aussagekräftige Ölgemälde im Mühlbacher Stadtmuseum recht wenige Spuren erhalten geblieben sind, so darf man doch umso mehr erfreut sein über das wechselseitige Interesse der Schiltacher und der Siebenbürger aneinander. Schiltach lebt vom Fremdenverkehr. Es ist eine Reise wert. Sowohl die Ausstellung der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung zum Kulturerbe im "Museum am Markt" als auch die Hermann-Oberth-Ausstellung im Rathaus hatten bereits viele Besucher. Beide sind bis zum 26. Juni geöffnet, und zwar täglich (außer Montag) von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Vom 20. bis 26. Juni 2005 findet dort das Stadtfest statt, zu dem mit bis zu 20 000 Besuchern von auswärts gerechnet wird. Die vier Museen in Schiltach registrieren dann in der Regel beeindruckend hohe Besucherzahlen. Nach Schiltach gelangt man von der Autobahn A 5 über die Ausfahrten Offenburg oder Lahr bzw. von der A 81 über Rottweil auf den Bundesstraßen B 294 und B 462.

E. Z.

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.