18. Oktober 2004

Tolle Tage in Siebenbürgen

Mit einem siebenbürgischen "Virus" sind offenbar jene Jugendlichen infiziert, die mit Transylvania Tours e.V.. reisen. Dass das jeweilige Ziel aber "mit offenen Augen", so das Motto des Jugendreisevereins, erlebt wird, zeigt der Bericht von Ingrid Gabel über die Siebenbürgenfahrt vom 8. bis 24. September 2004.
Am traditionellen Treffpunkt von Transylvania Tours (TT), dem Nürnberger Hauptbahnhof, trafen sich am 8. September die Mitreisenden. Doch halt – zwar hatte mich Birgit schon in der Halle des Bahnhofs erspäht und mich mit der gewohnten stürmischen Begrüßung der alten Hasen von TT empfangen, doch sah ich bei unserem Bus nur in drei weitere Augenpaare anstatt in insgesamt acht. Bald sollte sich das ändern. In Wien trafen wir eine weitere Birgit, die sehr heftig und plötzlich von der „Transylvanischen Viruskrankheit“ infiziert worden war und Hals über Kopf direkt von Dublin nach Wien geflogen kam.

Reisende von Transylvania Tours in Kronstadt, im Hintergrund die Schwarze Kirche.
Reisende von Transylvania Tours in Kronstadt, im Hintergrund die Schwarze Kirche.

Nach einer Übernachtung in Ungarn trafen wir in Schaal ein. Wir waren froh, den Ort vor Einbruch der Dunkelheit erreicht zu haben, da zu dieser Jahreszeit viele unbeleuchtete, mit Heu beladene Fuhrwerke unterwegs sind. In Schaal wohnten wir im Pfarrhaus, das als Gästehaus umgebaut ist und über große Mehrbettzimmer sowie über ein Bad verfügt. Zurzeit wird es von einem jungen Rückwanderer betreut, der in Schaal Pferde züchtet und einen Reithof aufbauen möchte. Auf allen Fahrten von Transylvania Tours verpflegen wir uns selbst. Ab und zu gehen wir abends warm essen, Frühstück und manches Abendessen werden gemeinsam zubereitet, das Mittagessen wird meist im Stehen und Gehen eingenommen, da aufgrund des Programms dafür wenig Zeit bleibt. Auch dieses Mal standen wieder viele Kirchenburgen auf dem Programm.

Von Schaal aus besichtigten wir am ersten Tag Schönau. Der dortige evangelische Friedhof befindet sich in einem tadellosen Zustand und gehört sicherlich zu den am besten gepflegten, die wir auf unserer Fahrt sahen. Weiter ging es nach Bulkesch, Seiden und Bogeschdorf. Kokelburg blieb uns leider verschlossen, da man ein „Papier“ benötigt. In Bogeschdorf befindet sich in der Kirche ein Flügelaltar, mittlerweile eine Seltenheit. In den letzten Jahren sind viele Flügelaltäre abgebaut worden, um vor Kunstraub geschützt zu werden. Von Bogeschdorf ging es über einen unbefestigten Weg nach Kirtsch. Allmählich sank die Sonne und unser Wagen holperte über Stock und Stein einen Hang hinauf, von dem man eine herrliche Aussicht in das Tal hatte. Spätestens jetzt wusste jeder, warum er seinen Urlaub (wieder) mit Transylvania Tours in Siebenbürgen verbrachte: diese Landschaft und deren Menschen, dieses Licht und wir, die das zu schätzen wissen. Dass dabei den einen oder anderen eine gewisse Melancholie ergreift, gehört dazu und ist verständlich.

Tags darauf ging es nach Großprobstdorf, Eibesdorf, Bonnesdorf und Baaßen. In Eibesdorf hat man vom Kirchturm eine sehr schöne Sicht auf die alte, unverbaute Dorfanlage. Inzwischen werden sächsische Bauernhäuser von rumänischen Besitzern renoviert und nicht selten hallte ein Laut des Entsetzens durch den Bus, wenn man solche neu gekachelte (!) oder grell gestrichenen Häuser sah. Ebenso fielen die immensen, neu gebauten orthodoxen Kirchen (oder besser gesagt Tempel) auf, wie zum Beispiel im alten Ortskern von Michelsberg. In Bad Baaßen fanden wir die alte Kuranlage zum Teil zerstört und überwuchert vor, jedoch gesichert. Einige Villen werden renoviert und am gegenüber liegenden Hang entstand vor wenigen Jahren ein riesiger neuer Hotelkomplex, wohin wir essen gingen. Dieser erste „richtige“ gemeinsame und gelöste Abend erwies sich als sehr konstruktiv für die weitere Fahrt, erfuhr man doch einige neue Facetten seiner Mitreisenden.

Am nächsten Morgen besuchten wir den Gottesdienst in Mediasch. Anlässlich der „Mediascher Tage“ spielte anschließend die Burzenländer Blaskapelle auf dem Marktplatz auf und ein paar Straßen weiter erstreckte sich ein Markt mit viel Tschigamiga und Kalafokenblech. Inzwischen war es empfindlich kalt geworden, und beim Versuch unsere Räume in Schaal zu heizen, quoll blauer Rauch aus den Öfen. Kurz entschlossen verließen wir Schaal einen Tag früher als geplant und fuhren über Stolzenburg, Hermannstadt und Michelsberg nach Neustadt bei Kronstadt. Im dortigen Pfarrhaus befindet sich ein tadellos eingerichtetes Gästehaus, das keine Wünsche übrig lässt und vom Kuratorehepaar Porr mit viel Herz verwaltet wird. Tags darauf fuhren einige von uns auf den Markt in Kronstadt, um für einen „siebenbürgischen Grillabend“ mit Mici, Vinetesalat und gebratenen Paprika einzukaufen. Der Rest der Gruppe besuchte Szeklergemeinden im Drei Stuhl (Haromszék). Glücklicherweise konnten wir ein paar Brocken Ungarisch, denn mit dem Rumänischen alleine stößt man meistens auf „taube“ Ohren. Spät Abends trafen dann auch die getrennt anreisenden, restlichen zwei Teilnehmer aus Deutschland ein, so dass wir nun komplett waren.

Der nächste Tag war Kronstadt gewidmet. Gerald veranstaltete eine kleine Stadtführung für uns, der Nachmittag stand zu freien Verfügung. Abends gingen wir geschlossen zu einem Vortrag, den Dr. Gerald Volkmer im Forumsgebäude über die Siebenbürgische Frage (1877 bis 1900) hielt. Die nächsten zwei Tage verbrachten wir ebenfalls in Kronstadt und auf der Törzburg, da uns das Wetter einen „Strich durch die Rechung machte“ und die geplante Wanderung auf den kleinen Königstein förmlich ins Wasser fiel. Einen weiteren kulinarischen Höhepunkt (denn auch das gehört zu den Fahrten mit Transylvania Tours) bildete ein Lammessen in Fundata, der höchstgelegenen Großgemeinde Rumäniens (ca. 1 400 m). Über den Törzburger Pass ging es weiter in Richtung Langental (Campulung). Wir besuchten die Ruinen der Rucar Burg, deren Anlage auf den Deutschen Orden zurückgeht. Am nächsten Tag setzten wir unsere Reise ins Szeklerland, genauer gesagt nach Korond (Corund) fort. Unterwegs besuchten wir das Denkmal bei Marienburg, das den Honteruschülern gewidmet ist, die bei einer Schlacht 1612 gegen den siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthory fielen. Von außen ist das Denkmal neu renoviert und davor grasten malerisch ein paar Pferde. Allerdings lässt das kappelenartige Innere des Denkmals zu wünschen übrig.

Gästehaus in Korond, Kreis Harghita.
Gästehaus in Korond, Kreis Harghita.

Von Marienburg aus besuchten wir das idyllisch gelegene Deutsch-Weißkirch. Das Dorf genießt mittlerweile eine gewisse Internationalität. Mit Hilfe des Mihai-Eminescu-Trusts und des britischen Thronfolgers Prinz Charles, der großen Gefallen am Dorf findet, werden zahlreiche Häuser und Höfe renoviert und viele Touristen aus aller Welt angezogen. Wir besichtigten die imposante Kirchenburg und sprachen mit der engagierten und warmherzigen Burghüterin Frau Dootz. Schließlich erreichten wir Korond und Mihaly Györfi, den Ansprechpartner vor Ort des in Neckarsulm ansässigen Vereins Freundeskreis Siebenbürgen e.V. Der Verein betreibt seit Ende letzten Jahres ein Gästehaus, acht Kilometer außerhalb Koronds. Die letzten drei Kilometer führen über ausgefahrene Wiesenwege und Trampelpfade. Anfangs hatten wir Mühe, uns nicht zu verirren. Doch man wird belohnt: Natur, Ruhe, Idylle, herrliche Luft, endlich ein richtiges Plumsklo und ein Hauch von Abenteuer. Die Unterkunft bietet Platz für acht Personen und es fehlt an nichts. Heizung und Warmwasser werden mit Holz betrieben, ein Generator erzeugt den Strom. Die erste Nacht erinnerte viele an eine Klassenfahrt. Es war stockfinster, wir lagen wie die Heringe im Stockbett nebeneinander, es knisterte und kicherte, dazwischen blinkten Taschenlampen und immer wieder hörte man ein zufriedenes „joi“. Nach der Baddurchschleusung am nächsten Morgen ging es über abenteuerliche und katastrophale Nebenstraßen nach Sächsisch-Regen. Von dort besuchten wir einige zwischen Sächsisch- Regen und Neumarkt (Márosvásarhely, Targu Mures) gelegene Schlösser ehemaliger ungarischer Adliger und Magnaten wie z.B. Márosvécs (Brancovenesti) und Gernyeseg (Gornesti). Alles imposante alte Gebäudeanlagen, zum Teil mit alten Parkbeständen, die den Reichtum und die Macht ihrer ehemaligen Besitzer dokumentieren. Heute werden diese als Schulen, Heime oder Krankenhäuser genutzt.

Unsere Reise näherte sich langsam dem Ende. Doch konnten wir nicht abfahren, ohne dem Konsumrausch im bekannten Töpferort Korond zu erliegen. Und so begann der Sturm auf die Holzhäuschen längs der Straße. Über den Königsteig ging es dann der Grenze entgegen. Abends auf der Passhöhe genossen wir ein letztes Mal siebenbürgisch-rumänische Köstlichkeiten in einem Restaurant - wegen Stromausfall im Kerzenschein und bei Taschenlampe. Und mit diesem Erlebnis ging eine schöne und ereignisreiche TT-Fahrt zu Ende. Bis zum nächsten Mal! Weitere Infos unter www.transylvania-tours.de.

Ingrid Gabel


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