17. Mai 2004

Siebenbürgische Themen beleuchtet

Zwei Schwerpunkte wurden bei der Jahrestagung des Bundesfrauenreferats der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen vom 23.-25. April 2004 in Mannheim gesetzt: zum einen "Die Rolle der Frau in der Gesellschaft Rumäniens" (Referentin: Pfarrerin Birgit Hamrich) und zum anderen "60 Jahre Flucht und Evakuierung aus Nordsiebenbürgen" (Dr. Michael Kroner).
Birgit Hamrich, eine junge Pfarrerin aus Siebenbürgen, zuletzt in Bistritz, jetzt mit ihrem Mann (ebenfalls Pfarrer) in Hünstetten/Hessen im Pfarrdienst tätig, berichtete sehr anschaulich über die Situation der Frau in Rumänien. Auch heute noch finden sich große Gegensätze: Neben hohem Lebensstandard herrscht schlimmste Armut. Obwohl die Gleichstellung von Mann und Frau schon 1948 gesetzlich geregelt wurde, wird sie in der Realität selten umgesetzt.

Tagung des Bundesfrauenreferates in Mannheim. Foto: Kathi Drotleff
Tagung des Bundesfrauenreferates in Mannheim. Foto: Kathi Drotleff

Das Thema "Frau" bleibe ein Randthema, da die Domäne der Frau weiterhin Familie und Haushalt sei, führte Pfarrerin Hamrich weiter aus. Um den Lebensunterhalt zu sichern, müssten die Frauen mitarbeiten, wobei ihre Arbeit immer noch unterbezahlt sei. Gewalt innerhalb der Familie sei immer noch ein Tabu-Thema ebenso Alkohol. Bis zu einem gewissen Grade werde die Gewalt sogar von den Frauen toleriert. Da 29 Prozent der rumänischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben, nehmen die Prostitution und vor allem der Handel mit Frauen aus Rumänien nach Westeuropa weiter zu.

Politisch sei der Einfluss der Frauen sehr gering, da bis jetzt keine Partei ein Frauenreferat eingerichtet habe. Aufklärungsarbeit sei deshalb dringend nötig. Lediglich in Bereichen, die politisch von geringer Bedeutung sind, wie Erziehung und Soziales, seien Frauen tätig. Erst 1990 sei in Hermannstadt ein Frauenforum gegründet worden.

Seit dem 1. Dezember 1995 ist die Frauenordination in der Evangelischen Kirche A.B. möglich. Birgit Hamrich, früher Pfarrerin in Bistritz, wurde als erste Frau in Rumänien ordiniert, inzwischen sind vier Pfarrerinnen tätig.

Im zweiten Schwerpunktreferat sprach Dr. Michael Kroner über die Flucht und Evakuierung der Nordsiebenbürger im Jahr 1944. Durch den Wiener Schiedsspruch war Siebenbürgen in zwei Teile geteilt; Nordsiebenbürgen wurde ungarisch, während Südsiebenbürgen bei Rumänien blieb. Die Flucht der Transnistriendeutschen stimmte die Nordsiebenbürger Gebietsleitung nachdenklich, und man beschloss trotz des Widerstandes der Reichsregierung, einen Evakuierungsplan für den Ernstfall auszuarbeiten. Als Transportmittel für die Dorfbevölkerung wählte man Wagentrecks und für die Städter die Bahn und LKWs. Der Plan legte Treckeinteilung, Ausstattung der Wagen, die zu befahrende Wegstrecke, Rastplätze, die zu bestellenden Waggons etc. fest. Als Rumänien am 23. August 1944 die Fronten wechselte und die russische Front immer näher kam, gab General Phleps am 5. September 1944 den Befehl zur Evakuierung Nordsiebenbürgens. Nur einige Dörfer an der rumänisch-ungarischen Grenze konnten mit Hilfe von Stoßtrupps zum Verlassen ihrer Dörfer bewegt werden, das waren Katzendorf, Draas, Zendersch, Zuckmantel, Felldorf, Maniersch und Rode. Am 11. September brachen die ersten Wagentrecks im Reener Ländchen auf, fünf Tage später im Nösnerland. Die Stadt Bistritz verließen zwischen dem 10. und 20. September etwa 90% der Sachsen. Insgesamt 35 000 Deutsche flüchteten aus dem Raum Bistritz/Sächsisch Regen, d.h. etwa 95 % der deutschen Bevölkerung Nordsiebenbürgens befand sich auf der Flucht. Die meisten Trecks erreichten am 1. November Nieder- und Oberösterreich oder Orte, die heute tschechisch sind. Die Flüchtlinge per Bahn und LKW wurden größtenteils in Lagern aufgefangen, wo schon nach kurzer Zeit Schulunterricht von unseren Lehrern angeboten wurde. Diejenigen Sachsen, die sich bei Kriegsende 1945 in der russisch besetzten Zone befanden, wurden nach Nordsiebenbürgen zurückgeschickt und mussten dort sehr schwere Zeiten überstehen. Auch von der Deportation wurden sie nicht verschont.

Die Teilnehmerinnen vertieften und ergänzten das Thema Evakuierung aus Nordsiebenbürgen durch eindrucksvolle Zeitzeugenberichte. Zudem wurden über die geleistete Frauenarbeit berichtet und künftige Projekte geplant, z.B. das Erlernen verschiedener Handarbeitstechniken oder Bauernmalerei.

Nach einem gemeinsamen Gottesdienstbesuch in der Friedenskirche am Sonntag und einem Abschlussgespräch verabschiedete man sich mit einem besonderen Dank an die Bundesfrauenreferentin Anna Janesch für ihr großes Engagement und an die freundlichen Mannheimer Gastgeber. Die Kreisgruppe Mannheim-Heidelberg mit ihrem Vorsitzenden Hans Wester und der Frauenreferentin, Roswitha Batzoni, sowie Pfarrer Michael Batzoni hatten es ermöglicht, die Tagung im Gemeindehaus der Friedenskirche abzuhalten. Die Frauen der Kreisgruppe sorgten in vorzüglicher Weise für das leibliche Wohl der Teilnehmerinnen, die aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern auf Einladung der Bundesfrauenreferentin Anna Janesch nach Mannheim angereist waren.

Helgard Hadeler/Scholtes
Ursula Tobias/Scholtes

Bewerten:

3 Bewertungen: –

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.